Danke Andrea,
für deinen Ausflug auf den du uns mitgenommen hast.
ich mach dann mal weiter... Viel Spaß beim lesen.
24.04.2017 Pamplona-Muzuzabal
Gebratener Speck, Blähungen zum falschen Zeitpunkt und die „three funny guys“...
Moin, Moin! Um mal wieder aus- und durchschlafen zu können, hatte ich mir das Hotel Europa und ein Einzelzimmer gegönnt. Die Herberge der Paderborner (in die ich ja eigentlich wollte) habe ich ja trotz aller Bemühungen nicht finden können, da bin ich bestimmt nur 200 Meter von entfernt gewesen, aber zu Müde und kaputt um das zu kapieren. Egal, die Badewanne und gerade diese Ruhe im Zimmer, waren für meinen geschundenen Körper eine absolute Wohltat. Ich habe in dem 1,60 Meter Bett auch sehr gut geschlafen und bin jetzt aber trotzdem schon wieder seit 6:00 Uhr wach, obwohl mich niemand anderes, mit Geraschel, Geklapper, Käsefüßen oder Stirnlampe geweckt hat.
Also es scheint völlig egal, wie kaputt ich auch bin - ich komme einfach nicht an acht Stunden Schlaf heran, oder auch etwas mehr!
In der vergangenen Nacht waren es gerade mal sieben Stunden Schlaf, aber immerhin, OK, 4, 5, 6, 7 - ist doch jeden Tag eine Stunde Schlaf mehr geworden! Da bleibt mir zumindest die Hoffnung, dass ich auch mal richtig ausgeschlafen auf den Weg gehen kann, denn nach der wirklich sehr anstrengenden Anreise, bin ich nach der vierten Etappe doch immer noch wie gerädert.
Gestern vor dem Einschlafen hat ich sehr viel Zeit, wenn man dann so ganz alleine im Bett liegt und damit beginnt, zu überlegen und eine Menge nachzudenken, kommt man schon auf komische Gedanken.
Wie und ob ich den Weg heute überhaupt gehen kann und werde, ging mir nicht aus dem Kopf. Meine Arme und mein Nacken sind leider, durch zu wenig und vor allem dem zu geringen Sonnenschutz, völlig verbrannt! Die Füße schmerzen, Muskelkater im ganzen Bein! Da ist kein Muskel von nicht betroffen. Aber alles nicht so Schlimm, nur mein Hauptproblem, das kaputte Knie, schreit nach einem Arzt und einer Pause, aber damit bin ich ja die letzten 2 Tage trotzdem auch irgendwie klar gekommen. Die zwei Meter ins Bad schaffe ich nur mit viel Mühe! Wie sollen denn da Heute 29 km bei dem vor mir liegenden Höhenprofil gehen?
Tja dann schauen wir doch mal nach Bussen... oder nicht?
Diese Unentschlossenheit, aber auch.
Naja das ist eben mein erster Camino, Tag 4 und irgendwie bin ich wohl noch nicht wirklich im Pilger-Alltag angekommen. Die Vorgabe der Etappen passt einfach nicht zu meiner körperlichen Situation und trotzdem bin ich nicht in der Lage auszubrechen und mehr auf meine Gesundheit zu hören und die Etappen so zu gehen, wie es zu mir gerade passt.
Ach, ich kann ja auch, solange ich noch im Bett liege, zuerst einmal mit dem Handy bei Youtube schauen, ob Irgendjemand ein Video von der Etappe hochgeladen hat. Dann kann ich erstmal sehen wie schlimm es Heute eventuell wird. Ein paar Videos später finde ich dann ein GPS-Track Video..
https://youtu.be/L5VTZ4qszQE
..und finde, dass es, bis auf den einen, lang gezogenen Anstieg, gar nicht so schlimm wirkt. Zumindest geht es nicht ständig rauf und runter, sondern immer eher gleichmäßig stetig nach Oben. Na, und die Blechfiguren hinter Pamplona will ich natürlich auch auf einem Foto haben. Also durchhalten, Zähne zusammen beißen und nicht auf den Bus ausweichen.
Ständig treffe ich ja auch auf andere Pilger denen es sicher nicht viel besser geht. So wie die amerikanische Familie, die ihre 80 jährige Oma mit dabei haben! Selbst die kommt da irgenwie jeden Tag durch! Auch Nobby scheint mit seinen 70 Jahren viel Fitter zu sein und jammert nicht herum. OK nach außen jammere ich ja auch nicht, das bekommt alles nur das Tagebuch ab.
Also Badewasser einlassen, nochmal eine kurze Wärmebehandlung! Stöcke auspacken (denn wenn ich das schaffen will, brauche ich heute jede Hilfe), eine Paracetamol zum Frühstück, die andere schon mal Griffbereit platzieren und dann gehe ich, so gut es eben geht.
Beim Zähneputzen merke ich mal wieder, wie ekelhaft das Chlorwasser aus dem Hahn in Spanien schmeckt. Ich trinke das zwar jeden Tag, aber ich hatte mir im Vorfeld eine Wasserflasche mit Filter gekauft. Die hängt immer am Brustgurt und da schmecke ich nicht die Spur von Chlor.
Der Sonnenbrand, sieht jetzt nach meiner Vaseline, Sonnencreme, Wund- und Heilsalbe Kombinationsbehandlung auch fast gut aus.
Okay, bin ja guter Dinge - also jetzt auch hier erstmal die Statistik.
Strecke: 21,21km
Schritte: 24.693
Höhe: 54 Stockwerke oder 466m
Blasen: 0
Bloß nicht zu lange in der Badewanne bleiben! Wenn die Füße runzlig werden, ist mir überhaupt nicht geholfen. Dann müssen eben mal fünf Minuten Badewanne ausreichen. Beim Rucksack mal alles neu ordnen und dann kann es gleich los gehen. Boah, ich bin begeistert! Toll, ich darf wieder wandern...
Super, jetzt nach über 2 km quer durch Pamplona habe ich endlich mal wieder einen Pfeil vom Jacobsweg gefunden, war mein Hotel wohl nicht so ganz auf der direkten Route. Es geht bis jetzt sehr Eben eigentlich immer nur geradeaus, nicht rauf oder runter und ich komme trotzdem kaum voran.
No fun without pain!
Der Weg raus aus Pamplona ist OK, nicht schmuddelig, recht aufgeräumt und sauber, aber hält auch keine größeren Highlights bereit. Am Ortsende von Pamplona sieht man auch schon den kleinen Hügel in der Ferne, den es erstmal zu überwinden gilt, bevor es danach hoch auf den Alto del Perdon geht. Ein kleiner Anstieg nach Cizur Menor, schon ist der erste Hügel für Heute geschafft. Hier versorge ich mich in einem Mini-Markt mit Ei, Speck, Tomate und Brot (Mist, ich habe das Bier vergessen
) und mache meine erste Pause, hier im Ort in einem kleinen Park gleich neben einem Brunnen. Zeit also für Frühstück.
Erstmal schön auf einer Parkbank gemütlich machen. Der Kocher wird aufgebaut und nach einer kleinen Portion gebratenem Speck mit Ei und Tomate und zwei Tassen Kaffee kann es dann gestärkt und erstmal satt wieder mit neuer Kraft weiter gehen.
Nach dem Ort sieht man nochmal sehr gut, was jetzt vor einem liegt. Auch, wenn man dichter kommt, wird der Alto del Padron nicht kleiner. Also doch kein Scheinriese... Na wird schon werden;-)
Boah, wat'ne Quälerei für mein Knie und bis jetzt geht es nur Bergauf... und wie jeder Pilger weiß, „wo es rauf geht es auch immer wieder runter“ na das wird kein Vergnügen.
Der Weg schlängelt sich ohne jeglichen Schatten oder Bäume, in der prallen Sonne den Berg hinauf. Und das bei gefühlten 38 Grad. Mein Regenschirm, soll ja auch als Sonnenschutz funktionieren und jetzt ist höchste Zeit, das mal auszuprobieren. Mit meinem Neuen Sonnenschutz treffe ich auf Adrian aus Holland, der mit 67 Jahren, nachdem er 38 Jahre immerzu davon geträumt hat, sich ohne Zeitlimit auf den Weg gemacht hat. Ad erzählt mir viel von seiner Multikultifamilie, von Frau und Kindern. Mit seinem schnellerem Tempo zieht er mich bei einem guten Gespräch förmlich den Berg hinauf. Den nächsten Ort kann man schon sehen, scheint aber noch nicht die Spitze zu sein.
Da kommt eine schöne Stelle mit einem großen Baum, der viel Schatten spendet und ein wenig Grün zum hinlegen für mich bereit hält, gerade rechtzeitig für eine ausgedehnte Pause (es sollten ja heute auch deutlich mehr werden). Wir verabschieden uns voneinander und wünschen uns einen „buen Camino“. Ich lege mich in das kühlen Gras und genieße die Sicht zurück über Pamplona, die dahinter gut sichtbaren Pyrenäen mit ihren schneebedeckten Spitzen, sind wirklich sehr beeindruckend. Unglaublich, soweit man schauen kann, ist man alles alleine bis hier her gelaufen, bis jetzt gut 92 Kilometer. Okay, hier ist der Ausblick so schön, die Ruhe ist unglaublich, also Isomatte raus! Hier bleibe ich etwas länger.
Es ist ja auch schon 12 Uhr durch, also höchste Zeit für Middag!
Erstmal wird eine Banane gegessen und dann Kocher raus und die zweite Portion gebratenen Speck mit Ei und Tomate brutzeln. Liege hier zwar ein wenig wie auf dem Präsentierteller, ist mir aber völlig egal. Jetzt noch ein kühles Bier... das wäre ja garnicht mehr auszuhalten!
Ist ja echt wie auf dem Bahnhof hier. Zumindest Zeitweise! Und die Spanier, die hier mit ihren Hunden spazieren gehen, haben Mühe, ihre Hunde von meiner Pfanne weg zu bekommen... aber ein sehr schöner Platz, der viele nette Gespräche mit sich bringt.
Ich kann ja den Weg hier bis runter fast 2 km weit sehen, also immer gut zu erkennen ob jemand kommt oder nicht. Es ist mir zumindest niemand aufgefallen, also habe ich auch überhaupt kein schlechtes Gewissen, als mir kurz ein Pupser rausrutscht.
Tja wie soll es auch anders sein, genau in dem Moment, kommt wie herbei gezaubert eine junge Spanierin um die Ecke und so wie sie mich anschaut, hat sie das definitiv mitbekommen (was sich später auch noch bestätigen soll...).
So jetzt ist es 13:30 Uhr - wird langsam mal Zeit wieder aufzubrechen. Noch ca. 14 Kilometer und der Abstieg kommt ja erst noch!
Da kommt eine Nachricht von Nobby: "Ei mein Guder, habe jetzt aufgehört und bin in einer 10 Euro Herberge, mit Waschmaschine, sie heißt "EL JARIN DE MURUZABEL" liegt genau auf der Strecke, wohl 3 km vor der Stadt.
Mir langt's heut aber wirklich!!
Dir muss es ja sauschlecht gegangen sein - Du Armer!
Würde mich freuen, wenn Du hier Halt machst, bin um 7:20 Uhr los!!!!"
Wie jetzt, der ist schon da? Na okay, nicht ganz am Ziel! Aber 3 km davor! Bis dahin muss ich erstmal kommen. Verrückt wie er in seinem Alter, mich dagegen Alt aussehen lässt...
Immer mit Stöcken und Schirm bewaffnet komme ich in das nächste Dorf, und habe gleich die Möglichkeit um meine Wasserflaschen mal wieder aufzufüllen. Ohne anzuhalten geht es direkt weiter. An einer Bar ernte ich mehrere Daumen hoch wegen meinem Schirm als Sonnenschutz.
Der Weg ist Heute für mich mit meinen Schmerzen aber auch sowas von öde! Eine blöde künstlich angelegte Ackerfurche in hellgrau mit Geröll-Steinen von exakt 1,80m Breite zieht sich von Pamplona unaufhaltsam den Berg rauf. So einen unnatürlichen langweiligen Drecksweg hoffe ich auf dem Camino möglichst nicht wieder zu sehen. Die Landschaft dagegen ist der Hammer - so was von schön, dass die Worte, um den Anblick zu beschreiben, erst erfunden werden müssten.
Wenn jemand hier oben landen würde und "Zack" einfach so da steht, würde er es sicher anders empfinden, denn ich glaube, man muss diese 14 km einfach selber mit allen Anstrengungen hoch gelaufen sein, um die Landschaft so aufnehmen zu können. Oben angekommen, ist der Blick zurück auf den ganzen Weg der letzten 4 Tage (+14km Pyrenäen hoch) und rechts die schneebedeckten Berge trotz der Erschöpfung und Schmerzen einfach nur fantastisch.
Hier oben gibt es jetzt einen kleinen mobilen Kiosk und der hat auch kaltes Bier, also kurz zur Erfrischung ein Bier geext und direkt weiter.
Der Weg ringt mir gerade noch ein müdes Lächeln ab. Sieht ein wenig aus wie in meinen Albträumen! Die letzten Tage waren bergab immer schon der Horror für mein Knie, aber das hier ist noch Schlimmer und trotzdem Stört mich das jetzt überhaupt nicht mehr! Ändern kann ich es ja doch nicht und dann komme ich eben erst um 22 Uhr an; iss mir doch egal.
Zum Fluchen reicht heute offensichtlich meine Kraft auch nicht mehr aus, denn trotz dem jetzt wirklich beschissenen Abstieg und heute mal Probleme mit dem rechten Bein, welches steif den Berg herunter eiert, hab ich noch nix gesagt.
Na, ich mache eben genug Pausen!
Die Strecke bergab, wirkt zwar deutlich natürlicher, aber es ist immer noch ein 1,80m breiter Geröllhaufenweg mit jetzt noch zusätzlich ein paar großen Steinbrocken dadrauf verteilt. Was natürlich das Gehen mit kaputten Beinen nicht einfacher macht.
Irgendwann überholt mich ein spanisches Pärchen und fragt ob alles Okay sei.
Ich antworte auf Spanisch: "Alles okay, bin nicht der schnellste, aber zwei oder drei Stunden mehr oder weniger ist jetzt auch kein Problem!". Sie schaut mich erstaunt an und meint: "2-3 Stunden? Du meinst wohl eher vier!?".
Seeehr aufbauend, wie mein Laufstil offensichtlich auf andere wirkt.
Eine Bank im Schatten wird wieder für eine Pause genutzt und jetzt wird ein Painkiller eingeworfen (ich muss ja irgendwann auch mal ankommen).
Das amerikanische Pärchen fragt im Vorbeigehen auch noch, ob alles okay ist und er erzählt noch schnell, das sie heute mal ihre Rucksäcke haben transportieren lassen und mal leichter unterwegs sind (die beiden dürfen das - wie oft ich die schon überholt habe und immer muss er stehen bleiben, um auf sie zu warten, weil sie nicht so gut zu Fuß ist. Schön, zu sehen, das die auch mal vorwärts kommen).
Ich treffe die beiden etwas später dann auch direkt wieder bei ihrer eigenen Pause, an einer schönen schattigen Stelle. Er hat eine Karte dabei und so weiß ich jetzt, dass es noch gut 6,5 km bis Puente de la Rein sind... puuuuh das wird nicht einfach.
In einem kleinen Dorf sehe ich zwei gemütliche Herbergen vor der einen sitzt ein Japaner und spielt sehr gut mit seiner Mini-Gitarre, bin kurz am überlegen hier meine Etappe für Heute zu beenden, aber in 2 km Entfernung sitzt ja der Nobby und ich hab lange nicht mehr mit jemanden länger quatschen können. Die Schmerztablette wirkt auch gerade gut, also gehe ich noch ein Stückchen weiter. Geht sich auch wieder richtig gut. Die Strecke ist wieder gerade ohne Steine und Geröll und die Herberge ist schnell gefunden. Bin ja gerade so im Fluss, dass ich noch kurz überlege, ob ich jetzt da bleibe oder doch noch weiter bis Puente la Reine gehen soll.
Na aber zumindest erstmal kurz den Nobby begrüßen, soviel Zeit muss sein.
Die Herberge ist wirklich sehr schön und als die Hospitaliero auch noch weiß, wer ich bin (Nobby hatte mich wohl schon angekündigt), bringt sie mich zu seinem Einzelzimmer und ich klopfe an.
"ACH NEE" kommt es aus dem Zimmer, "des darf ja ned war sein, wadde ich zieh mir kurz a Hos an". Die Tür geht auf und er nimmt mich direkt in den Arm. "mein Gott bin ich froh dich zu sehen".
Okay, dann bleibe ich sehr gerne hier, wenn ich schon so empfangen werde. Papiere abgeben und Stempel eintragen und klar fragt sie gleich nach dem Hotel Europa in dem ich ja die letzte Nacht in Pamplona verbracht hatte (wie schlimm, ein Pilger, der nicht in einer Herberge schläft). Die Bemerkung hätte sie sich gerne sparen können, soll doch bitte jeder für sich entscheiden können.
Tolle Herberge, ich bekomme das 14-Bett-Zimmer und bis jetzt bin ich noch alleine also kann ich mir mein Bett noch aussuchen.
Ein Deutscher ruft mit einem Mal: "Na, wen haben wir denn da? Bleibst du auch hier?". Ich habe keinen Schimmer, wer von den ganzen Leuten die man hier so trifft, er ist... "Wir haben uns doch an der Brücke getroffen!". Nee, ja iss klar! An der Brücke! Danke für die Info! Waren ja auch nur 20-30 Brücken auf den letzten Etappen! Naja wird sich eventuell noch aufklären wer er ist... Aber wenn jede Herberge so ist, kann man das echt immer machen. Waschmaschine, Trockner, Top Duschen, Küche und Aufenthaltsraum! Alles wirklich im tipptopp Zustand! Tischtennisplatte, Tennisplatz und Außenpool werden aber wohl nicht in jeder Herberge anzutreffen sein.
24,- Euro bezahle ich mit Pilgermenue, Frühstück und Übernachtung. Nobby bezahlt 76,- Euro, weil er ein Einzelzimmer haben wollte. Das sind dann 62,- Euro für das Zimmer, ist auf dem Camino schon eines der sehr sehr Teuren Einzelzimmer. Tja, in mein Zimmer kommt keiner mehr rein, also habe ich ein 14-Bett-Einzelzimmer und liege in Bett Nr. 6.
Der Supermarkt hier im Ort, hat nach Auskunft von der Hospitaliera erst ab 18:00 Uhr geöffnet und das passt ganz gut mit auspacken, duschen usw. bleibt genug Zeit.
Also auf gehts mit Nobby zusammen kurz nochmal schauen, um alles Nötige was für morgen auf dem Weg noch benötigt wird gleich noch zu besorgen.
Leicht zu finden ist der Markt allerdings nicht, wir laufen doch eine Zeitlang Recht Ziellos durch den Ort, so so so, Supermarkt also...? Lagerhalle oder Schuppen mit Regalen träfe es besser. Nobby sagt ja gleich: " Das ist da nicht, schau doch da liegen doch nur Säcke mit Dünger rum.". Ich gehe trotzdem da hin, weil, wo soll sonst in diesem Kaff noch was sein, wir haben ja auch schon in jeder Ecke mehrfach gesucht.
Klar ist es das! Der Besitzer fährt mit dem Gabelstapler durch seine Halle und der draußen parkende Bus erklärt dann einiges. Der verkauft tagsüber die Waren aus dem Bus in den Umliegenden Orten und die Halle wird am Abend für 1-2 Stunden als Markt für die Dörfler geöffnet. Verkaufen will er mir alles und redet "muj rapido" auf mich ein. Ich hab wohl ein paar mal zu Oft "si" gesagt, so dass er glaubt, ich verstehe jedes Wort. Bisschen Schinken, eine Ecke Käse, Dose Cola und 3 Bananen sollten für morgen reichen. Als er sieht, dass ich noch ein wenig am Suchen bin, legt er nochmal richtig los! Er hätte noch mehr Obst in seinem Wagen und ich solle mal mitkommen. Auf dem Weg dahin versuche ich ihm zu erklären, dass ich nur wenig Spanisch verstehe und dass er auch sehr schnell spricht. Okay, ja er weiß, dass er schnell spricht. Er wird auch nicht langsamer, meint aber noch, dass ich sehr gut Spanisch spreche... Ja iss richtig, wenn das noch einer sagt, glaube ich es bald selber...
Zurück in der Herberge treffen wir noch auf 2 neue Bewohnerinnen, offensichtlich aus Spanien. Die eine kommt mir sehr bekannt vor. Ich glaube, die hatte ich im Laufe des Tages schon per Furz begrüßt! Mir war das heute Mittag schon peinlich genug und da ist die jetzt ausgerechnet in der selben Herberge... Scheint mich aber zum Glück nicht zu erkennen. Bis jetzt...
Beim Pilgeressen sitzen wir draußen auf der Terrasse, bei stimmungsvollen Licht durch die langsam untergehender Sonne und bekommen einen Salat mit Allem und Essig, Öl usw. zum selber würzen, dazu Brot und reichlich Rotwein.
Am Tisch sitzen wir beide, die zwei Spanierinnen und eine Gruppe die aus zwei Deutschen und einem Dänen besteht. Die drei haben sich vor vier Tagen in Saint Jean getroffen und haben sich offensichtlich gesucht und gefunden. Die zwei Spanierinnen gehen nur über das Wochenende, in vielen kleinen Abschnitten den gesamten Weg. Nobby ist leider sehr ruhig heute Abend, der Tag war wohl doch sehr anstrengend für ihn, aber wir haben ja zu Unterhaltung einen ganz tollen Haufen, mit den dreien!
Normal würde ich ja weiter nix sagen, aber so wie die auf die Kacke hauen; wer die sind und wie toll es da ist, wo die sind - und ach was die auch immer für einen Spaß zusammen haben...
Da weiß ich schon ganz genau, wo ich bei denen dran bin.
Der eine Typ, „ewiger Junggeselle" und „Pastorensohn“, ist der Redelsführer. Er hat mit seinem "Denglisch" das Sagen und führt das Gespräch an. "wie are sriii Pfanni Gais änd wär wie are sehr iss sso mäny fun". Alles klar! Okay, also wenn du Spaß haben willst und auf die drei triffst, solltest du lieber direkt weiter in die nächste Kneipe gehen.
Und die haben sich wirklich gefunden.
Mr. Dinglisch redet ohne Pause in diesem gruseligen Englisch, der Däne allein würde eventuell noch gehen, aber er passt trotzdem in die Gruppe!
Ach ja, und dann ist da noch die Brücke. Der „taffe Jungunternehmer“, der schon alles gesehen und gemacht hat - und natürlich hat er sich zum Camino auch erst zwei Tage vor der Abreise entschieden... booh, ich glaube ich muss ins Bett! Aber das Essen ist ja noch nicht fertig.
Es kommen noch Nudeln, Tortilla, paniertes Fleisch und eingelegte Paprika.
Beim Essen wird munter hin und her geplaudert und Nobby erzählt über mich: "ei ja, der schreibt jeden Tag sein Tagebuch, der schreibt da alles auf, was so passiert".
Da meint doch dann "die Brücke" besonders witzig zu sein und sagt: "Ja, klasse! Was schreibst du denn da rein? Ich hab einen Baum gesehen. Oder ich hab noch einen Baum gesehen..."
Jupp, das sagt schon alles über "die Brücke" aus. Der Camino ist eine Party, "wie are Pfanni Gais"... Ach ja, und es gibt hier auch Bäume.
Dann beginnt der große Wettbewerb, wer wie lange gebraucht hat für die heutige Strecke und ich bin mit meinen über 10 Stunden definitiv der langsamste. "Wie häve onli nied for auars änd twälv minits". Das wiederholt er mindestens drei Mal und fuchtelt dabei wichtig mit seinem Arm und zeigt ständig mit dem Zeigefinger auf seine Armbanduhr... "Die Brücke" findet das total lustig und will unbedingt wissen was ich denn auf dem Weg so lange gemacht habe...
Na was wohl? Ich hab Bäume gepflanzt, damit solche wie du auch was vom Camino zu sehen bekommen.
Man, man, man, Karsten erstmal tief durchatmen und ganz ruhig bleiben!
Ich erkläre kurz, dass ich ja auch mehrere Pausen gemacht habe, unter anderen eine etwas länger unter einem großen Baum im Schatten.
Ups, jetzt ist bei ihr offensichtlich der Groschen gefallen und sie fragt auf englisch, ob ich ein anderes farbiges T-Shirt angehabt hatte und ob das auf dem Weg von... nach... war.
Das kann ich nur bestätigen und schon geht das Palaver in Spanisch mit ihrer Freundin los und mit einmal sind beide lauthals am lachen.
Ja kann doch mal passieren!
Ein witziger Abend mit leckerem Essen und ein paar Peinlichkeiten geht langsam zu Ende und ich verabschiede mich dann auch bald ins Bett.
Muss ja auch noch 100 mal an die Tafel schreiben "ich habe einen Baum gesehen".
Nobby kommt direkt mit und drinnen verabreden wir uns, Morgen nach dem Frühstück mal zusammen in die Etappe zu starten.
Von meinem Bett aus hört man die Terrasse noch sehr gut und so darf ich bis 22:15 Uhr den "Sriii Pfanni Gais" noch lauschen und sehe vor meinem inneren Auge bei jedem "Jess Ei Sink sso" den „Pastorensohn“ wild gestikulierend mit dem Kopf nicken und mit dem Zeigefinger fuchteln auf seine Uhr zeigen.
Na ausnahmsweise Heute mal ein Fazit:
Hab immer genug Ei und Speck dabei!
Mach bitte keinen Wettbewerb aus dem Weg.
Und pass auf, wo du furzt.
N8
Nicht jeder Tag hat soviel Text in meinem Tagebuch bekommen... Gruß Karsten und bleibt Gesund.