Wie seid ihr zum Pilgern gekommen und was hat das Pilgern mit euch gemacht?

Allgemeine Diskussionen zur Pilgerei und ihrer Geschichte
Poorboy
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Registriert: 4. Apr 2021, 14:43

Re: Wie seid ihr zum Pilgern gekommen und was hat das Pilgern mit euch gemacht?

Beitrag von Poorboy »

Moin Leute,

Das ist sehr interessant. Menschen und ihre Geschichten lassen uns erkennen, dass es mehr Gemeinsamkeiten gibt als Dinge, die uns trennen.
Was mich zum Pilgern brachte?
Im Grunde genommen das Wandern. Abenteuerlust hat mich in die Berge getrieben und auf Fernwanderungen und auf Reisen. Es hat mich fasziniert zu Fuß und per Anhalter unterwegs zu sein und im Zelt zu schlafen. Ich wollte die Abenteuer erleben, von denen ich als Kind in Büchern gelesen habe. In der Natur zurück zu den grundlegenden Dingen zu finden.
Nun, auf Jakobswegen bin ich dann oft gewandert - unbeabsichtigt. Nach vielen Touren lag es dann auf der Hand auch mal diese "Fernwanderung" in Europa anzugehen, von der so viel gesprochen wird.
Nachdem mein Vater 2020 verstorben ist, brauchte ich etwas Zeit zum Nachdenken. Damals wohnte ich direkt auf dem Jakobsweg. Also bin ich zur Haustür raus, links abgebogen und dann zum Münster in Freiburg gepilgert. Von dort dann nach SdC und weiter nach Fisterra.
Für einen Agnostiker habe ich sehr viele Vater Unser für meinen Vater gebetet und auch die eine oder andere Träne vergossen.
Obwohl wir den Weg nicht aus religiösen Gründen gegangen sind und die Pilgerschaft eher sportlich angegangen sind, habe ich mich von Menschen und Orten entlang meines Weges berühren lassen.
Was es mit mir gemacht hat?
Lasst mich die Frage mit Worten von Ernesto aus Güemez beantworten:
"Der Jakobsweg führt nicht nach Santiago. Er ist dazu da mit anderen Menschen, der Natur und letztendlich mit sich selbst in Verbindung zu kommen."
"Afoot and light-hearted I take to the open road, healthy, free, the world before me, the long brown path before me leading wherever I choose."
- Walt Whitman
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Klopfer66
Beiträge: 215
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Re: Wie seid ihr zum Pilgern gekommen und was hat das Pilgern mit euch gemacht?

Beitrag von Klopfer66 »

Liebe Pilger,

für 2019 plante mein Mann 2 Jahre eine große Motorradrundreise, durch die Berge nach Saint Jean Piet de Port , am Camino Frances entlang (natürlich nur die Strassen und immer respektvoll den Pilgern gegenüber) über Fisterra und Muxia und am Atlantik / Hendaye zurück nach Hause. 7000 km.
Diese Reise veränderte mein Leben. Damals war mir noch nicht klar, was der Camino überhaupt ist.....Aber die Landschaft/ Kathedralen etc... fazinierte meinen Mann daher der Plan...Mein Mann hatte die wunderbare Idee, unsere Reisemotorrad mit gelben Pfeilen, Muscheln und buen Camino - Aufkleber auszustatten. Was bei den Pilgern gut ankam und wir immer von ihnen darauf angesprochen wurden. Am Cruz de Ferro legten wir mitgebrachte Steine ab, In Santigao de Compostela waren wir in der Kathedrale und ich wollte unbedingt den Jakobus umarmen ( ja ich hatte mich einbißchen auf die Reise vorbereitet), und ging an ihm vorbei :oops: weil der Security mich ablenkte...sodass mir klar war: ich muss da nochmal hin.....

Nach dieser Reise, die eigentlich nur eine tolle Motorradreise sein sollte, empfand ich eine noch nie da gewesene Dankbarkeit. Der Weg rief mich. Der Virus war da.

Ich veabschiedete mich von Freunden, die mir nicht gut taten.
Das war richtig crass. Ich begann, ohne dass mein Mann es bemerkte, im Internet alle Infos über den Camino zu lesen, das Buch von Hape dann gelesen, für mich stand fest: ich werde ihn pilgern! ICH....ich bin eine Couchpatato, wandern kannte ich nicht... Aber ich wollte es unbedingt...
der Weg rief mich. Das Vertrauen es zu schaffen war da.....
Mein Mann bemerkte es und sagte: ich laufe mit 💓

2020 und 2021 hat es aus bekannten Gründen trotz Planung nicht geklappt.

2022 dann war es soweit: kurz vor dem Start hatte ich ein Schmetterlingserlebnis ( was ich hier im Forum schon beschrieben habe),
von SJPDP nach Sahagun.
2023 kurz vor dem Start hatte ich von einer Feder über meinem Rucksack geträumt ( welche uns sinnbildlich begleitete) dann von Sahagun nach SDC.
Und ich konnte Jakobus umarmen :D

2024 klappt es leider privat nicht.

2025 Planung Camino Fisterra und Muxia....Ich muss einfach zurück auf dem Weg.... Seit 2 Wochen allerdings wieder eine Besonderheit erlebt: ich träumte, diesen Weg mit dem Caminho Português zu verbinden. Der mich nie wirklich interesiert hat, aber nun ist es so, die Planung dazu macht enrom viel Spass.

Die Aufkleber sind immer noch am Motorrad aber nun ist es so stolz sagen zu können: ich bin nun auch ein Pilger.

Was der Weg mit mir gemacht hat?

DANKBARKEIT, Erdung......
die Begegnungen mit den Pilgern das ist unbeschreiblich....
ich bin ruhiger geworden, ordne viele Dinge nun anders ein. Ich habe viel über mich und meinem Köprer der oft nicht mehr wollte, gelernt !

Und es ist einfach so: der Weg gibt Dir nicht das, was Du willst, sondern dass was Du brauchst:
Vertraue 💓

LG Claudia, buen camino
der eigentliche Pilgerweg liegt im Alltag des Lebens
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Igor1961
Beiträge: 32
Registriert: 9. Apr 2022, 10:17

Re: Wie seid ihr zum Pilgern gekommen und was hat das Pilgern mit euch gemacht?

Beitrag von Igor1961 »

Ich bin gelernter Bankberater (inzwischen in Pension) und 2014 erzählte mir eine Kundin von Ihrem Jakobsweg von Leon nach Santiago. Ich war interessiert, aber ich wollte nicht nach Spanien fliegen und nach 3 Tagen sagen: „Ist nix für mich.“ Meine Kundin riet mir daraufhin am Bahnhof Würzburg zu starten und nach Rothenburg ob der Tauber zu laufen. Ca. 85 km in 4 Tagen. Das war mein Einstieg, denn Teile des Weges sind Jakobswege. War sehr schön, aber einsam und ich habe nur 2 andere Pilger gesehen.

Von den Wanderfreunden Winnenden habe ich später einen Pilgerführer ergattert. Von Rothenburg ob der Tauber nach Rottenburg am Neckar. 10 Etappen, die ich in 2 Tagesabschnitten oder auch nur als Tagesetappe ging. Ich stamme aus Heilbronn. Das ging ganz gut. Bin sogar noch weiter gegangen bis fast nach Freiburg. Dann stand fest: 2016 gehts nach Spanien. Inzwischen hatte ich auch den Hape gelesen und als letzten Test ging es nach Ostern 2016 auf den Panoramaweg ins Altmühltal. Von Gunzenhausen nach Kehlheim. Ca. 160 km.

Im September 2016 dann die Premiere auf dem Frances von Leon nach Santiago. Zunächst noch alleine. Inzwischen war ich 5 mal mit meiner Frau unterwegs. Frances, Portugues und Camino del Norte. Eigentlich jedes Jahr, bis auf 2021 und 2022 wegen Corona ging da nix. Wir sind halt beide ungeimpft.

Eigentlich wollten wir im Mai den kompletten Frances gehen, aber meine Frau hatte Ende 23 eine Hallux OP und ich habe mir vor 2 Wochen eine Rippe gebrochen. Da geht grad nix. Nicht mal Husten oder Niesen.
2016 Leon-Santiago
2017 Sarria-Santiago
2019 Irun-Santander
2018, 2022 und 2023 Porto-Santiago
Berta71
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Registriert: 17. Feb 2022, 21:59
Wohnort: Bayern

Re: Wie seid ihr zum Pilgern gekommen und was hat das Pilgern mit euch gemacht?

Beitrag von Berta71 »

Hallo alle miteinander, Pilger oder noch nicht 😉🤗
Meine Geschichte klingt sicher so wie bei vielen und doch wohl anders....
Vor Jahren erzählte ein Bekannter, er gehe mit seiner Freundin den Jakobsweg, den CF. Ich eher faul was Bewegung betraf, dachte mir, im Leben mache ich das nicht, 800 km zu Fuß, wie blöd ist das denn......
Denkste.....
Typisch HP gelesen, naja wenn er meint.....
Und dann aber immer öfter und immer mehr vom pilgern mitbekommen.
Irgendwann war dann durch viel Stress und einer miesen Diagnose der Punkt, ich muss hier raus, muss nen klaren Kopf bekommen, alleine sein.....
Eine mir sehr lieb gewordene Freundin hat mich dann so richtig mit Tipps und Hilfen heiß gemacht und mein Mann schenkte mir eine Karte mit dem Spruch: wenn du es willst schaffst du es!.... Und los gingen die Vorbereitungen.
Durch C. ging es 2021 nicht, aber anderseits war es gut, denn ich bin eine Woche den fränkischen Jakobsweg von Nürnberg nach Rothenburg ob der Tauber gegangen. 100 km und es war ein schöner Einstieg für mich. Dort war ich tatsächlich mit mir allein unterwegs, das zeigte mir jo ich will mehr....
Im August 22 bin ich dann tatsächlich von SPD gestartet, was mir meine Kinder empfohlen hatten. Ursprünglich wollte ich nicht über die Pyrenäen, aber ich bin froh und dankbar das gemacht zu haben. Da ich nicht so die fitteste bin hatte ich mir vorgenommen nicht zuviel zu wollen und bin im Durchschnitt so 15km am Tag gegangen, habe mir Pausen gegönnt um schöne Orte auch mal mehr anzuschauen.
Es war nur klasse.....
Was hat es mir gebracht?
Definitiv waren die Begegnungen mit den Menschen aus aller Welt und die auch tieferen Gespräche ein großes Geschenk!!
Meinem Geist und Körper haben die Zeiten die ich mit mir alleine war soooo gut getan, dass ich genau das wieder möchte. Ich habe lange davon gezehrt.
Geblieben sind die positiven guten Bilder, eine immer noch liebe Mitpilgerin aus Kanada🇨🇦 ( hoffe sie besuchen zu können), ein paar nette kurze Begegnungen mit denen man ab und an mal chattet.
Und natürlich die Vorfreude auf den weiteren Weg, aus gesundheitlichen Gründen musste ich nach ca 400 km aufhören, das wird nun hoffentlich im August weitergehen....
Träumen werde ich weiter von dann anderen wegen... Mal sehen was dann kommt.

Glg Berta

Nachtrag: ich habe grad gesehen dass ich die Leute hier aus dem Forum nicht genannt hab 🙈 mea culpa 😉
Aber hier sind echt einige die liebe Antworten schreiben, Mut machen und die ich hoffe mal kennenzulernen. Dieses Forum ist Gold wert!!!
Römer 8, 38-39 🙏👑
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