Pilgern Frauen anders?

Allgemeine Diskussionen zur Pilgerei und ihrer Geschichte
andrea+wildgans
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Pilgern Frauen anders?

Beitrag von andrea+wildgans »

Angeregt durch den "Evangelischen Frauenpilgerweg", der im Forum vorgestellt worden ist, kam bei mir die Frage hoch, ob Frauen eigentlich anders pilgern als Männer? Was denkt Ihr? Welche Erfahrungen habt Ihr gemacht? Ich wäre neugierig auf Eure Antworten!

LG Andrea
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Pater Norbert
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Re: Pilgern Frauen anders?

Beitrag von Pater Norbert »

Ich vermute: Ja!

1. Beleg: Wenn ich gefragt werde nach einem Blick auf die Packliste, sieht die bei Frauen anders aus als bei Männern.
2. Beleg: Die Etappenpläne der Frauen sehen anders aus als die der Männer
3. Beleg: Wenn wir uns in der Gruppe unterwegs auf etwas hinweisen, was wir für wichtig halten, sind die Dinge unterschiedlich.
4. Beleg: Wenn ich Pilgerberichte lese, beschreiben Frauen ihren Weg anders als Männer.
Wer pilgert, wird von einem Virus infiziert, das nicht vergeht.
Gemerkt im März 2022. Avatar stammt aus Juni 2023.
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Anhalter
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Re: Pilgern Frauen anders?

Beitrag von Anhalter »

Zu Pater Norbert möchte ich noch anfügen:

5) Frauen haben, vermutlich leider berechtigt, ein anderes Sicherheitsempfinden (Bedürfnis?). Wenn man es jetzt veralgemeinert.

Ansonsten sind "Frauen" ja durchaus eine ebenso heterogene Gruppe Mensch wie "Männer".
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Gertrudis
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Re: Pilgern Frauen anders?

Beitrag von Gertrudis »

Verallgemeinern kann man in dieser Frage natürlich nichts, aber wenn ich auf die 20 Jahre, die ich nun Pilgerinnen und Pilger bei mir beherberge, schaue, stelle ich doch Tendenzen fest.
Bei mir übernachten deutlich mehr Frauen als Männer.
Und zwar wohl vor allem deshalb, weil sie die 28-km-Etappe gerne aufteilen und nach 14 km bei mir ankommen. Sie haben nicht so die Ambition, ihre körperliche Leistungsfähigkeit auszureizen, sondern suchen eher Beschaulichkeit, möchten "entschleunigen", zu sich finden... das fällt mir auf. Männer haben oft ein großes Bedürfnis, erst mal zu zeigen, was sie leisten und was sie schon alles Tolles gemacht haben, und erst, wenn sie sich "sicher" fühlen, kommt dann das Zarte und die Sehnsucht und die Verletzlichkeit zum Vorschein (Männer haben also durchaus auch ein "Sicherheitsbedürfnis" ).

Sehr viele Frauen schätzen es, beim Pilgern alleine sein zu dürfen, einmal ohne ihren Mann und die Familie! Es kommen wirklich viele Frauen allein. Oft mit Freundin, aber vergleichsweise selten mit Ehemann oder Partner.

Aber vielleicht kommen die alleinpilgernden Frauen gerade deshalb zu meinem Gartenhäusl, weil sich da Gelegenheit zum Gespräch und ein bisschen Familienanschluss ergibt ?

Aber ja, doch... Frauen pilgern wohl anders, wenn die Männer nicht dabei sind. Ich auch...

Gertrudis
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Frau Holle
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Re: Pilgern Frauen anders?

Beitrag von Frau Holle »

Ich habe mir noch nie Gedanken über geschlechtsspezifische Unterschiede gemacht.

Was mir als erstes einfällt ist, dass mir schon mal aufgefallen ist, dass im Thread Die unmöglichsten Dinge die ein Pilger mitnehmen kann überwiegend Männer kuriose Dinge mit sich herumschleppen.
Bei Frauen ist es mal ein Fön, Männer sind da deutlich schräger :lol:

Ansonsten gibt es aus meiner Erfahrung keine großen Unterschiede, die mir einfallen würden.

Ich treffe oft dieselben Leute auf dem Camino wieder, weil der Großteil der Pilger eben doch ähnliche Etappenlängen läuft.
Ausreißer von durchgehend 40km oder nur 10km am Tag erlebe ich bei beiden Geschlechtern.

Verletzungen und Reizungen gibt es bei allen Geschlechtern, da fällt mir auch keine Tendenz auf.

Rücksichtsloses lautes Packen am Morgen und mit-der-stirnlampe-anderen-ins-gesicht-leuchten-um-zu-gucken-ob-sie-noch-schlafen-nein-jetzt-nicht-mehr-dankesehr-Pilger gibt es bei allen Geschlechtern

Frühes schlafen gehen, selbst versorgen oder immer Essen gehen, hauptsächlich Handwäsche machen oder immer die Waschmaschine bezahlen etc. habe ich auch schon immer als geschlechtsunspezifisches Verhalten erlebt.

Was mir einfällt ist, dass wenn ein Pilger nach einer schweißtreibenden Etappe auf die Dusche verzichtet er in der Regel ein Mann ist. Das ist mir noch bei keiner Frau aufgefallen. Aber vielleicht reden Frauen da auch nicht drüber und Männer sagen laut „Ach, passt schon“ :lol:

Und zuletzt: Es müssen sich in der Regel nur die Frauen wegen der Exhibitionisten sorgen und meistens werden auch nur sie von aufdringlichen Männern bedrängt und bspw. gegen ihren Willen geküsst (habe ich leider dieses Jahr auf dem Frances erlebt, zum Glück aber nicht persönlich, wir waren wenige hundert Meter entfernt und trafen 2 Opfer wenige Minuten danach).
Das bedeutet: Gedanken darüber machen wie man in so einem Fall reagiert müssen sich wohl nur Frauen machen.
u l t r e i a
Gerhard Nikolaus
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Re: Pilgern Frauen anders?

Beitrag von Gerhard Nikolaus »

Die Pilgerinnen, mit denen ich unterwegs war, haben Blumen fotografiert, ich haben Kirchen und architektonisch interessante Gebäude fotografiert.
Camino Francés April/Mai 2022
Camino Francés April/Mai 2023
Olavsweg (Lillehammer - Trondheim) Juli 2023
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Pilgerbär
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Re: Pilgern Frauen anders?

Beitrag von Pilgerbär »

Bei uns war das umgekehrt :lol:
Ultreya, euer Pilgerbär
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Camineiro
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Re: Pilgern Frauen anders?

Beitrag von Camineiro »

Verschiedenen Studien zufolge scheint es Unterschiede bei der Art der Orientierung im Raum zwischen Frauen und Männern zu geben.

Spiegelartikel

Spektrum der Wissenschaft


Ich möchte dabei ausdrücklich betonen, dass ich nicht glaube, dass Frauen einen schlechteren Orientierungssinn als Männer haben.
Sie orientieren sich auf andere Art und Weise.
HiPilgrims
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Re: Pilgern Frauen anders?

Beitrag von HiPilgrims »

Hallo,

das Thema ist sehr spannend. Und ja, es gibt die zwei Punkte: 1. Frauen sind sehr unterschiedlich, genauso wie Männer und Verallgemeinerungen sind zu vermeiden. 2. Frauen sind eben auch anders als Männer.
Ich kann persönlich sagen, dass es mir schon öfter passiert ist, dass ich Angst hatte auf dem Weg. Ich bin überhaupt kein ängstlicher Typ, aber ich habe schon mehrfach Wege gewechselt, weil ich bestimmten Leuten nicht begegnen wollte. Das hat überhaupt nichts mit den Leuten zu tun, sondern sind innere Ängste. Gerade bei meiner Tour mit meiner Freundin haben wir darüber gesprochen, als wir mitten im recht einsamen Wald einem Jogger begegneten. Ich kenne die Momente, wo ich mich frage, was mache ich, wenn ich belästigt werde.
Was für mich auch ein Thema ist, ist das Gespräch. Beim Laufen kommen manchmal Gedankenkarusselle. Ich bin gerne alleine, aber manchmal tut es gut über Persönliches zu reden und dabei auch Stress abzubauen. Manchmal fühle ich mich da auch von Frauen besser verstanden.
Was die Etappen betrifft, denke ich eher darüber nach, was kann ich gut schaffen, weniger, was fordert mich.

Soviel mal....
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chrisbee
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Re: Pilgern Frauen anders?

Beitrag von chrisbee »

Wenn Frauen sich sicher fühlen, dann packen sie auch einen Rucksack und gehen Pilgern. Im Jahr 2018 überstieg erstmals die Zahl der Frauen, die sich in Santiago eine Compostela holten, die der Männer. Die Coronajahre brachten Unsicherheiten, in 2020 und 2021 waren es daher wieder mehr Männer, erst letztes Jahr waren Frauen wieder in der Überzahl. Andernorts und auf anderen, eher stilleren Wegen (als dem Camino Frances oder dem Portugues) finden sich nach wie vor vergleichsweise wenig Frauen und wenn überhaupt, dann in Gruppen.

Ich denke, dass das Sicherheitsbedürfnis von Frauen vergleichsweise hoch ist. Dass es dafür handfeste Gründe gibt, wurde hier früher schon in einigen Beiträgen diskutiert.

Außerdem finde ich ein weiteres Bedürfnis wichtig: Sich nicht rechtfertigen zu müssen für das, was frau tut, wenn sie „wie ein Mann“ losmarschiert. Weil Religion und Pilgern weitgehend akzeptiert sind, ist es inzwischen auch das Pilgerwandern. Gerade Frauen, die in konventionellen Verhältnissen leben und arbeiten und wie üblich noch die Care-Arbeit für ihre Familien schultern, kommen so leichter mal raus aus der Tretmühle ohne ein schlechtes Gewissen zu haben.

Und die Frauen ohne Partner bzw. junge Frauen, (die heutzutage ohnehin weniger Probleme mit der klassischen Frauenrolle haben) finden auf den Hauptwegen eine großartige Infrastruktur und jede Menge Kontaktmöglichen und müssen sich nicht allein fühlen.

Unterm Strich: Für Frauen bedeutet das alles – bei aller Anstrengung - weniger Stress. Und ich finde, dass man das vielen auch ansieht.

chrisbee
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Annkatrin
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Re: Pilgern Frauen anders?

Beitrag von Annkatrin »

Camineiro hat geschrieben: 30. Aug 2023, 12:22 Verschiedenen Studien zufolge scheint es Unterschiede bei der Art der Orientierung im Raum zwischen Frauen und Männern zu geben.
Zitat aus verlinktem Artikel "Männer finden sich selbst in unbekanntem Gebiet gut zurecht, Frauen haben sogar mit Karte noch Probleme"

Das ist bei uns eher umgekehrt. Den eigenen Standort auf der Karte zu finden, fällt meinem Mann schwerer. :oops:

Edit sagt, tut mir Leid, dass ich mit diesem Klischee nicht dienen kann. ;)
Zuletzt geändert von Annkatrin am 30. Aug 2023, 16:06, insgesamt 1-mal geändert.
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Simsim
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Re: Pilgern Frauen anders?

Beitrag von Simsim »

Annkatrin hat geschrieben: 30. Aug 2023, 15:26
Camineiro hat geschrieben: 30. Aug 2023, 12:22 Verschiedenen Studien zufolge scheint es Unterschiede bei der Art der Orientierung im Raum zwischen Frauen und Männern zu geben.
Zitat aus verlinktem Artikel "Männer finden sich selbst in unbekanntem Gebiet gut zurecht, Frauen haben sogar mit Karte noch Probleme"
:lol: :lol: :lol:
Hauptsache es gibt zu jedem Blödsinn "Studien"!
Matten
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Re: Pilgern Frauen anders?

Beitrag von Matten »

Frau Holle hat geschrieben: 30. Aug 2023, 11:12
Und zuletzt: Es müssen sich in der Regel nur die Frauen wegen der Exhibitionisten sorgen und meistens werden auch nur sie von aufdringlichen Männern bedrängt und bspw. gegen ihren Willen geküsst (habe ich leider dieses Jahr auf dem Frances erlebt, zum Glück aber nicht persönlich, wir waren wenige hundert Meter entfernt und trafen 2 Opfer wenige Minuten danach).
Das bedeutet: Gedanken darüber machen wie man in so einem Fall reagiert müssen sich wohl nur Frauen machen.
Hast Du etwa Señor Rubiales noch gesehen? 😂😂😂

Zum Thema: bin einige Male mit meiner Frau auf dem CF gewesen. Sie erinnert sich recht gut an die Speisen und ich kann dann sagen wo es war 😂
Ich denke da wir alle Individuen sind, werden wir den Camino auch unterschiedlich erleben.
Niemand weiß was in ihm steckt, bevor er nicht versucht hat es herauszuholen.
Ernest Hemingway
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Via2010
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Re: Pilgern Frauen anders?

Beitrag von Via2010 »

Ich wage nicht, diese Frage in ihrer Allgemeinheit zu beantworten. Aus meiner Sicht gibt es ebenso viele Varianten des Pilgerns wie potentielle Mitpilger.

Ausgehend von einigen hier aufgestellten Hypothesen möchte ich jedoch meine persönlichen Erfahrungen als alleinpilgernde Frau einfließen lassen:
1) ich habe Männer und Frauen mit dem unterschiedlichsten Gepäck getroffen, auch im Rock pilgernde Männer. Je häufiger ich unterwegs war, umso mehr bleibt bei mir daheim. Unsere Ängste machen die Rucksäcke schwer.
2) Etappenlängen sind eine Frage der individuellen Kondition. Ich kenne Frauen, die 40+ km pilgern ebenso wie Männer mit Tagesetappen von 8-10 km und umgekehrt.
3) Was einem unterwegs auffällt, ist eine Frage der individuellen Wahrnehmung. Der/die eine wird eher Blumen bewundern, der/die nächste Tiere, wieder jemand anderes Bauwerke oder die lokale Küche.
4) Selbst die Pilgerberichte zweier gemeinsam pilgernder Frauen, Mutter und Tochter, weichen erheblich voneinander ab.
5) Sicherheit ist für jede/n Alleinreisende/n ein Thema.
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chrisbee
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Re: Pilgern Frauen anders?

Beitrag von chrisbee »

@HiPilgrims

bevor deine Sorge und Angst vor Belästigungen hier untergeht, noch einige Bemerkungen: Von Joggern im Wald habe ich im Laufe der Jahre nur Unterstützung erfahren, etwa wenn mir vor Ermüdung die Orientierung schwer fiel. Früher, als es noch keine Handys mit GPS gab, war ich immer nur mit Karten unterwegs.
Wenn dir jemand übel will, dann lauert er dir in der Regel auf, er wartet in seinem PKW oder versucht sich dir anzuschließen. Und dazu vielleicht einen Tipp:

Ich habe mal eine Wochenend-Schnuppereinführung in WenDo gemacht und fand das in jeder Hinsicht hilfreich. Nicht, dass ich mich seither zur körperlichen „Selbstverteidigung“ in der Lage sähe oder irgendeinen Angreifer in die Flucht schlagen könnte (dafür sollte man/frau regelmäßig trainieren!), doch allein die Beschäftigung mit den unterschiedlichen Verhaltensmöglichkeiten, die es in möglicherweise brenzlichen Situationen gibt, und die Diskussion mit anderen Frauen, die ihre Erfahrungen als „Beute“ teilen, nimmt jede Menge Druck weg und reduziert die Gefahr, das man/frau in Panik oder Schockstarre gerät und in schwierigen Situationen bzw. Gefühlen gefangen bleibt. Und falls tatsächlich mal etwas „passiert“ (shit happens, leider): Die Frauen, die damals diesen Kurs anboten, sahen darin keinen Anlass, sich selbst schuldig oder als sonstwas oder gedemütigt zu fühlen und/oder sich deswegen vielleicht noch seelisch zu ruinieren.

WenDo wurde speziell für Frauen entwickelt, der Kurs wurde seinerzeit in einem Frankfurter Frauenzentrum angeboten. Inzwischen gibt es solche Angebote sicher auch in vielen Sport- und Kampfsportzentren.

chrisbee
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