in die Gegenrichtung pilgern?

Allgemeine Diskussionen zur Pilgerei und ihrer Geschichte
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Ötz
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in die Gegenrichtung pilgern?

Beitrag von Ötz »

Hallo zusammen,

Zunächst: ich bin bisher erst einen Camino und zwar den portugues ab Porto im Januar 2019 gelaufen. Dies war eine wirklich spontane Entscheidung. ich war aus anderem Anlass in Porto, sah vor Ort das erste Mal Pilger und es packte mich die Neugier und der Ehrgeiz... Zwar passte mein Gepäck/meine Ausrüstung nicht optimal - doch es war geeignet genug, die Umstände ließen es zu und ich lief erfolgreich 3 Tage später in Porto los und lief bis Santiago. :)

Eigentlich dachte ich seitdem, dass das Pilgern damit für mich abgeschlossen sei, und ehrlich gesagt war es auch ganz lange nicht mehr in meinen Gedanken - wenn dann eben als schöne Erinnerung.

Doch aktuell halte ich es kaum noch aus. Der Camino ruft mich wieder seit ca. 3-4 Wochen. Ich kann aktuell an kaum etwas anderes denken und doch werde ich mir einfach nicht sicher, wie ich das angehen soll.

Klar ist: Ich könnte mir bereits ab Januar (oder alternativ ab April) und auch für einen längeren Zeitraum (bis zu 6 Monate) freinehmen. Bis April möchte ich aber nur ungern warten! Aus irgendeinem Grund drängt es "in mir".... Mein grosser Wunsch ist ausserdem dieses Mal den gesamten Weg von meiner Wohnungstür in Deutschland bis Santiago an einem Stück zu laufen. Der Portugues war mir insgesamt zu wenig herausfordernd und zu kurz. Allerdings halte ich einen Start mit begrenztem Budget und ohne Zelt (das möchte ich nicht) bei durchschnittlicher körperlicher Fitness ab Januar für nicht besonders klug.

Nun kam mir daher der Gedanke ab Januar in Gegenrichtung von Santiago aus den CF oder Norte sowie anschliessend die Via Podiensis oder Via Lemovicensis und über Strasbourg heim zulaufen. Ich sehe einen Vorteil im Wetter. Ausserdem passt es zu mir, mich nicht unterkriegen zu lassen, auch wenn ich oftmals "gegen den Strom" schwimme oder als Geisterfahrer unterwegs bin....
Eine Alternativüberlegung war ausserdem noch das Ganze um noch ein Stück zu verlängern (insbes. Wenn ihr mich überzeugt, dass im Januar Cf/Norte zu hart seien), also zunächst ab Januar die Via de la Plata oder erneut einen Portugues (ab Lissabon oder Fatima) zu laufen und erst anschliessend o. G. Wege in Gegenrichtung nach Hause einzuschlagen.

Nun meine Fragen an euch, liebes Forum:

1. Was haltet ihr von meinen Plänen / Gedanken? Gerne auch Feedback/Anmerkungen/Gedanken zu den Vorüberlegungen, die mich dazu brachten, einen Lauf in Gegenrichtung in Betracht zu ziehen... Gerne auch Alternativvorschlage...

2. Habt ihr selbst Erfahrungen mit Pilgern in die Gegenrichtung? Wenn ja, wie wars?

3. Sind euch vielleicht religiöse/spirituelle/historische Meinungen, Textstücke, Berichte o. Ä. hierzu bekannt? (ich meine auch im Mittelalter bis ins 20.Jh hinein wurde nach einer Pilgerreise ja Santiago auch anders als per Flugzeug/Zug/etc. wieder verlassen?!)?

4. Wo seht ihr Schönheiten, besondere Herausforderungen, Nachteile oder Vorteile im "Gegenpilgern"?


Vielen Dank bereits jetzt.
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Simsim
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Re: in die Gegenrichtung pilgern?

Beitrag von Simsim »

Ich schreibe gerne später mehr, aber vorerst:
in Frankreich sind die allermeisten Herbergen erst ab Ostern geöffnet....
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Pooh_der_baer
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Re: in die Gegenrichtung pilgern?

Beitrag von Pooh_der_baer »

Hallo,
bei meinem ersten CF habe ich einen Pilger getroffen, der von SDC in Richtung D gegangen ist. War damals kein Problem.

Hier Infos über Herbergen im Winter. aprinca.com/alberguesinvierno/

Im Centralmassiv in F kann noch im Mai Schnee liegen, der den Weg erschwert, Via Podiensis.

Als Geisterfahrer kann ein Pilger mit dem Weg nach Hause nicht bezeichnet werden.
Wer sich nicht erinnert, den bestraft die Zukunft.
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Simsim
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Re: in die Gegenrichtung pilgern?

Beitrag von Simsim »

Pooh_der_baer hat geschrieben: 9. Okt 2022, 07:58 Hallo,
bei meinem ersten CF habe ich einen Pilger getroffen, der von SDC in Richtung D gegangen ist. War damals kein Problem.

Hier Infos über Herbergen im Winter. aprinca.com/alberguesinvierno/

Im Centralmassiv in F kann noch im Mai Schnee liegen, der den Weg erschwert, Via Podiensis.

Als Geisterfahrer kann ein Pilger mit dem Weg nach Hause nicht bezeichnet werden.
aprinca wird erst im November aktiviert und gilt nur für den CF.
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Pilger Franz
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Re: in die Gegenrichtung pilgern?

Beitrag von Pilger Franz »

viewtopic.php?p=30247#p30247
Auch hier kam das Thema kürzlich zur Sprache.
BC
Franz
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Simsim
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Re: in die Gegenrichtung pilgern?

Beitrag von Simsim »

Hallo Ötz,

ich bin schon mehrmals im Winter auf dem CF zurückgelaufen, allerdings nachdem ich vorher nach Santiago hin gelaufen bin. Ich denke, dass ist eine ganz andere Erfahrung, als nach Santiago zu fliegen und nur die Gegenrichtung zu laufen.
Der CF ist meines Wissens (vielleicht aber auch die VdlP und der Camino Primitivo) der einzige Weg mit genügend offenener Infrastruktur.
Ob es "zu hart" ist, kann wohl niemand für Dich beurteilen.
Es ist auf jeden Fall kalt und winterlich und viele Herbergen sind ungeheizt.
Die Via de la Plata ist im Januar sicherlich gehbar, aber völlig menschenleer. Ich bin einmal Ende Januar in Sevilla gestartet und traf bis Salamanca nicht einen einzigen Pilger....es war sehr sehr einsam, monoton, oft trist. Die Landschaft wird im März wunderschön, aber vorher....uff.

Im Januar sind auch auf dem CF nur wenige Leute unterwegs, da kommt kein "gegen -den -Strom-schwimm-
Gefühl auf und in den Herbergen ist es sehr angenehm ruhig (wenn auch oft saukalt).

Die Caminos in Spanien sind nur in die Hinweg-Richtung markiert. Es ist, wenn Du den Weg nicht in und auswendig kennst, unmöglich sich zu orientieren. Du brauchst auf jeden Fall ein GPS o.ä..

Ich liebte alle meine Rückweg-Erfahrungen, aber wie gesagt, natürlich nach dem Hinweg sonst ist es ja kein Rückweg :).
Ötz
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Re: in die Gegenrichtung pilgern?

Beitrag von Ötz »

Vielen Dank für die ersten Antworten! Da sind bereits schon ein paar Aspekte dabei, über die ich etwas nachdenken werde...

Mir war auch nicht bewusst, dass es einen Thread zur "Gegenrichtung" bereits gab...
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donjohannes
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Re: in die Gegenrichtung pilgern?

Beitrag von donjohannes »

"Heim"-Pilgern hat was. Aber ich bin bei Simsim, dass es natürlich besonders schön ist, wenn man zuerst in die Fremde und dann nach Hause zieht. Und für die meisten Pilger der Vergangenheit war es natürlich immer so. Wie man beim Bergsteigen sagt: "Am Gipfel hat man erst die Hälfte geschafft".

Abgesehen von der Jahreszeit und den praktischen Dingen, zu denen andere im Forum hier viel mehr wissen, zur persönlichen Erfahrung:

Ich bin nach Jerusalem und wieder zurück (auf anderer Route). Das war für mich wunderbar rund. Es ist ein langsames Heimkommen ins Vertraute. Das fand ich schön. Auf diesem Rückweg bin ich auch einen Pilgerweg in Teilen "rückwärts gelaufen": die Via Francigena. Schön war, dass ich auf diese Weise natürlich viel mehr verschiedene Menschen getroffen habe. Manche von ihnen sahen in der eigentlichen Richtung des Pilgerwegs nie einen anderen Pilger, weil sie stets eine Etappe von einander entfernt immer parallel gepilgert sind. Zugegeben auf dem Jakobsweg passiert das nicht und man hat wohl auch nicht so viel Lust, 5000 mal am Tag ein Gespräch mit entgegenkommenden Pilgern zu beginnen. Aber in Frankreich dünnt es dann schnell aus, da können sporadische Begegnungen nett sein. Nachteil: man teilt nicht die Strecke und es ist nicht so, dass man jemanden besser kennen lernen kann. Ein paar Minuten und weg ist man wieder.
Österreich -Santiago 1998
Liechtenstein - Jerusalem und zurück 2013-14 (http://www.4kmh.com/neo)
Triest - Cannes (Via Alpina Sacra) 2018 ( http://www.4kmh.com/vas )
Irland - Italien (Via Columbani) 2022
Ötz
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Re: in die Gegenrichtung pilgern?

Beitrag von Ötz »

Hallo zusammen,

Zuerst einmal vielen Dank für die Rückmeldungen, insbesondere an SimSim und donjohannes sowie die Verfasser zweier schöner persönlicher Nachrichten.

Da waren ein paar Punkte dabei, über die ich nachdenken musste, weshalb sich meine Antwort verzögerte...

Vor allem über die Frage, ob mir beim "Rückpilgern" nicht emotional das "Hinpilgern" fehlen würde, grübelte ich sehr und ja, auch ich würde etwas Entscheidendes missen. Das ginge so keinesfalls für mich.

Mittlerweile habe ich "meinen Weg" - zumindest im Kopf - gefunden: ich werde Anfang März 2023 bei Stuttgart starten und möchte über Rottenburg, den Schwarzwald, Freiburg, Thann, die Via Podiensis nach SJPdP pilgern und anschließend auf dem Camino del Norte weiterlaufen, und eventuell zum Primitivo abzweigen und auf diesem Santiago erreichen oder eben auf dem CdN...
Ich plane hierfür rund 4 Monate ein, aber habe zum Glück keinen Zeitdruck.
Soweit zu mir...

Worüber ich mich dennoch (immer noch) sehr freuen würde, wenn jemand historisches / religiöses Material zu "Rückwege von Pilgernden" kennt und in diesem Thread Hinweise hierzu geben kann.
Zuletzt geändert von Ötz am 11. Dez 2022, 20:12, insgesamt 2-mal geändert.
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donjohannes
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Re: in die Gegenrichtung pilgern?

Beitrag von donjohannes »

Wenn die Auswahl nicht auf Santiago beschränkt ist, dann ist der coolste (weil älteste), historische, religiöse Hin+ Rückweg Bericht (in Fragmenten) jener von Egeria (Aetheria), die im 4. Jahrhundert von Spanien oder Aquitanien loszog, das heilige Land besuchte und detailliert christliche Gottesdienste und Feiern in Jerusalem und weitere religiöse Stätten im Jahr 380 beschreibt. Der Rückweg geht, was ich mich erinnere, bis Constantinopel.
Meine eigene Route ist nicht historisch (wenn auch religiös) und führte wie gesagt ebenfalls nach Jerusalem. Karte unter dem Link in meiner Signatur [unten]
Österreich -Santiago 1998
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