Pilger sind Menschen, die sich für das mehrfache Jahresgehalt eines Pakistaners….

Allgemeine Diskussionen zur Pilgerei und ihrer Geschichte
calixtinusII
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Pilger sind Menschen, die sich für das mehrfache Jahresgehalt eines Pakistaners….

Beitrag von calixtinusII »

KEINE REZENSION, nur ein diskussionswürdiges Zitat.
„Pilger sind Menschen, die sich für das mehrfache Jahresgehalt eines pakistanischen Textilarbeiters die von diesem hergestellten, atmungsaktiven Schuhe. Gore-Tex-Hosen und Trekking-Rucksäcke kaufen und damit dann auf dem Rücken der Dritten Welt die Luxusprobleme der Ersten Welt wegwandern.“
Quelle: Karsten Dusse. Spiegel-Bestseller-Roman Achtsam morden. Am Rande der Welt, Seite 81. 2022, Heyne Verlag.

Seien wir doch einmal ehrlich. Ist es nicht wirklich so, dass obiges Diktum zumindest für einen Teil von uns zutrifft?! Und außerdem. Wer kann sich heute das Pilgern leisten? *) Nicht diejenigen, jetzt in Zeiten der explorierenden Gaspreise ohnehin nicht, die nicht unbedingt der Mittelklasse zuzurechnen sind.

Die mittelalterlichen Pilger, viele nicht gerade begütert, konnten sich durchgängig auf die Hilfe ihrer Mitpilger oder der Anwohner am Weg verlassen. Das ist heute nicht der Fall. Ich erinnere mich an einen Schweizer oder Österreicher, der das Wagnis eingegangen war, ohne „Geld“ zu pilgern. Der Aufschrei im Pilgerforum war groß: „Schnorrer“ und so…

„Der wahre Pilger teilt mit den Armen und den bedürftigen Pilgern. Die das nicht tun, sind keine echten Pilger - sondern Diebe und Banditen Gottes.“ Im weiteren Verlauf seiner Predigt verweist der Papst Calixt II. auf die Apostel, die weiland von Jesus ja ohne Geld auf die Missionsreise geschickt worden seien.“ – Quelle: Codex Calixtinus. Predigt des Papstes Veneranda dies (Der ehrwürdige Tag) vom 30. Dezember, dem sog. Translationsfest. Unter anderem aus "Der Jakobsweg - ein Pilgerführer aus dem 12. Jh., Reclam. Prof. Klaus Herbers.

*) Meine vorsichtige, überschlägige Rechnung. Täglich mindestens 50 Euro x 35 Tage = € 1.750,00 + Ausrüstung (einmalig) + Flug + Bus/Bahn + Mitbringsel + Einkäufe + Reiseführer. Hotel-/ Hostelaufenthalte nicht inkludiert, etc.
Dann müsste man sich schon arg einschränken, oder liege ich da falsch?
Beste Grüße
calixtinusII
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Bernie
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Re: Pilger sind Menschen, die sich für das mehrfache Jahresgehalt eines Pakistaners….

Beitrag von Bernie »

Was für eine Diskussion erwartest Du nun?

Einerseits gebe ich nichts auf Etikettierungen; auch nicht, wenn sie von einem Papst kommen.
Andererseits leben wir alle auf Kosten der Drittweltländer und ärmerer Staaten.
Welche PCs, Notebooks oder Smartphones werden denn in Deutschland/Europa gefertigt?
Aus welchen Ländern kommen denn die notwendigen Rohstoffe wie seltene Erden etc. - und wie werden sie gewonnen?
Es ist also belanglos, ob ich pilgere oder eine beliebige (Fern)Wanderung absolviere.
Es ist auch belanglos, ob ich pilgere oder mein Smartphone nutze.

Teilen kann ich mit anderen Pilgern. Ich bin aber immer noch ein Pilger, wenn ich es nicht tue.
Ich teile, wenn ich ein gutes Gefühl dabei habe. Ich muß dazu nicht auf Pilgerreise sein. Es kann jeder Obdachlose sein, jedes "arme Schwein", jeder x-Beliebige.

Und ich hege keinen Zweifel daran, daß nur ein kleinerer Teil aus spirituellen Gründen pilgert.
Für die Mehrheit dürfte es ein Abenteuer sein bzw. eine billige Form des Urlaubmachens.
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Simsim
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Re: Pilger sind Menschen, die sich für das mehrfache Jahresgehalt eines Pakistaners….

Beitrag von Simsim »

Ja, das sehe ich ganz wie Bernie.

Und bin gleichzeitig glücklich und dankbar, dass Pilgern auch anders geht (wie das übrige Leben auch).
Zur Zeit bin ich auf dem teuersten, sehr touristischen Abschnitt der Via Podiensis unterwegs (le Puy-Conques) und habe in 9 Tagen genau 34 € ausgegeben. Insgesamt, -nicht täglich.
Ich gönne mir den Luxus traumhafter Nächte unter dem Sternenhimmel und Bädern im eiskalten Wasser kleiner Flüsschen.
Ich esse wenig, sehr einfach und viel direkt aus der Natur.
Ich danke Gott für meine Gesundheit, die mir mit 60 noch erlaubt, auf diese Weise zu reisen.
Die Begegnungen mit den verschiedensten Menschen sind reich, interessant und oft tief berührend. Wir schätzen uns gegenseitig, und besonders verbunden bin ich diesmal mit einer "all inclusive" Pilgerin, die bestimmt 100 € am Tag auf dem Weg lässt. Das tut hier überhaupt nichts zur Sache.

Pilgern ist für mich die lebendigste Form des Gebets.
Und ich kann mit jedem Schritt, jedem Augenblick etwas geben. Eine Aufmerksamkeit. Eine Zärtlichkeit. Eine Dankbarkeit, Ehrlichkeit, oder eine Überraschung.

Und ja, Pilger sind so verschieden und so unterschiedlich motiviert, dass es völlig Banane ist, alle über einen Kamm zu scheren.
Und sowieso...der Weg macht etwas mit den Menschen. Das entzieht sich völlig unserer Kontrolle.
Ich hoffe also, wieder einmal lang und weit gehen zu dürfen und kann nur danken, für jeden neuen Tag, und immer wieder meine Vorurteile über den Haufen schmeißen lassen 🙂.
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Simsim
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Re: Pilger sind Menschen, die sich für das mehrfache Jahresgehalt eines Pakistaners….

Beitrag von Simsim »

P.s.: aktuell begegne ich immer wieder Lea, eine 20 jährige Französin, die ohne eine Sou in der Tasche pilgert. Sie tut das weil sie nach dem Schulabschluss Lebenserfahrung sammeln will, und sich den Weg (Genf-Finisterre) anders erstmal nicht leisten könnte. Sie möchte lernen, auf Menschen zuzugehen und um Dinge zu fragen, die sie braucht. Immer bietet sie eine Gegenleistung an und ist manchmal hochwillkommen, am nächsten Morgen bei der Arbeit zu helfen, dafür bekommt sie einen Tag Vollpension.
Sie hat so eine offene und herzerwärmende Art, dass es eine Freude ist, mit ihr zu teilen. Sie gibt viel, auch ohne dafür Geld zu benutzen. Alle reden von ihr, und niemand ist negativ angepiekst, im Gegenteil.....
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Matt Merchant
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Re: Pilger sind Menschen, die sich für das mehrfache Jahresgehalt eines Pakistaners….

Beitrag von Matt Merchant »

calixtinusII hat geschrieben: 18. Sep 2022, 14:22 „Pilger sind Menschen, die sich für das mehrfache Jahresgehalt eines pakistanischen Textilarbeiters die von diesem hergestellten, atmungsaktiven Schuhe. Gore-Tex-Hosen und Trekking-Rucksäcke kaufen und damit dann auf dem Rücken der Dritten Welt die Luxusprobleme der Ersten Welt wegwandern.“
Nun, das Zitat halte ich für recht fragwürdig. Zweifelsohne stammt es generell aus einem eher augenzwinkernden literarischen Kontext (aber selbst dafür finde ich es nur mäßig lustig).
Als philosophische Sentenz versagt es vollständig: denn - ebenso philosophisch gesprochen - verwechselt es Zweck und Mittel.
Der Zweck des Pilgerns ist so vielfältig wie es Pilger:innen gibt. Und - wie in diesem Forum bereits breit und heiß diskutiert - gibt es da doch einfach kein Richtig und kein Falsch. Die Mittel des Pilgerns hingehen - von Ausstattung bis hin zu Anreise - sind dem nachgeordnet und definieren nicht die Pilgerschaft an sich! Können sie garnicht.

Aber gewiss weist das Zitat durchaus auf einen laufenden Diskurs hin: auf die Debatte von Doppelmoral und "modernem Ablasshandel", wenn es um die eigene moralische Integrität beim Pilgern geht. Insbesondere, wenn wir über Wohl und Wehe von Flugreisen diskutieren, ist sie immer wieder präsent.
Aber wo genau beginnt denn dieser "moderne Ablasshandel": darin, dass ich bei der Flugbuchung Klimameilen kaufe, um mich besser zu fühlen...? Oder eben in der Wahl der Ausstattung (Fair, Bio, Regional...)...? Sollte ich am Besten gar keinen Schritt vor die Haustür setzen, wissend, dass ich bei jedem Schritt da draußen unschuldige Mikro-Organismen unter meinen Füßen zertrample...?
Am Ende bleibt es doch gut lutherisch dabei: Es ist schlechterdings unmöglich, durchwegs moralisch zu handeln. Wir sündigen tagtäglich, mal bewusst und mal unbewusst. Aber ständig.

Aber für dieses komplexe theologisch-philosophische Problemfeld ist mir das Zitat halt weder witzig noch tief genug. ;-)
Trotzdem Danke für die gedankliche Anregung zum Feiertag.

Schönen Sonntag!
Matthias (Nicht auf der Wiesn)
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Bernie
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Re: Pilger sind Menschen, die sich für das mehrfache Jahresgehalt eines Pakistaners….

Beitrag von Bernie »

Matt Merchant hat geschrieben: 18. Sep 2022, 17:27 Wir sündigen tagtäglich,
Wie definiert man denn "sündigen"?
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Matt Merchant
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Re: Pilger sind Menschen, die sich für das mehrfache Jahresgehalt eines Pakistaners….

Beitrag von Matt Merchant »

Bernie hat geschrieben: 18. Sep 2022, 18:02 Wie definiert man denn "sündigen"?
Die schönste Definition bietet meines Erachtens Röm 7,19.
Aber in einem multireligiösen und -spirituellen Forum ist die Varianz möglicher Antworten unerschöpflich... ;-)
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Bernie
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Re: Pilger sind Menschen, die sich für das mehrfache Jahresgehalt eines Pakistaners….

Beitrag von Bernie »

Matt Merchant hat geschrieben: 18. Sep 2022, 18:18 Die schönste Definition bietet meines Erachtens Röm 7,19.
Wenn Du jetzt noch gut und böse definierst... ;)
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Matt Merchant
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Re: Pilger sind Menschen, die sich für das mehrfache Jahresgehalt eines Pakistaners….

Beitrag von Matt Merchant »

Bernie hat geschrieben: 18. Sep 2022, 18:37 Wenn Du jetzt noch gut und böse definierst... ;)
Och Bernie, bin ich Jesus? ;)
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Bernie
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Re: Pilger sind Menschen, die sich für das mehrfache Jahresgehalt eines Pakistaners….

Beitrag von Bernie »

Matt Merchant hat geschrieben: 18. Sep 2022, 19:07 Och Bernie, bin ich Jesus? ;)
Wollen wir nicht alle ein bisschen Jesus sein? Bild
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Frau Holle
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Re: Pilger sind Menschen, die sich für das mehrfache Jahresgehalt eines Pakistaners….

Beitrag von Frau Holle »

calixtinusII hat geschrieben: 18. Sep 2022, 14:22 *) Meine vorsichtige, überschlägige Rechnung. Täglich mindestens 50 Euro x 35 Tage = € 1.750,00 + Ausrüstung (einmalig) + Flug + Bus/Bahn + Mitbringsel + Einkäufe + Reiseführer. Hotel-/ Hostelaufenthalte nicht inkludiert, etc.
Dann müsste man sich schon arg einschränken, oder liege ich da falsch?
Beste Grüße
calixtinusII
Also mit 50€ pro Tag hat man aber schon ein äußert luxuriöses Leben. Ich hab kürzlich die Ausgaben meines Caminho Portugues im Dezember 21 aufgeschlüsselt und bin auf unter 34€ pro Tag gekommen und habe sehr gut gelebt, da hätte ich noch einiges einsparen können wenn ich gewollt hätte.
calixtinusII hat geschrieben: 18. Sep 2022, 14:22
„Pilger sind Menschen, die sich für das mehrfache Jahresgehalt eines pakistanischen Textilarbeiters die von diesem hergestellten, atmungsaktiven Schuhe. Gore-Tex-Hosen und Trekking-Rucksäcke kaufen und damit dann auf dem Rücken der Dritten Welt die Luxusprobleme der Ersten Welt wegwandern.“
Wir geben alle ständig das mehrfache Jahresgehalt sehr armer Menschen aus. Sogar die ärmsten Deutschen geben bei einem kargen Wocheneinkauf von ihrem ALGII mehr Geld aus als sehr arme Menschen im Monat in sehr armen Ländern verdienen.
Viele Modedesigner:innen in Deutschland designen Kleidung, die sie sich selbst nicht leisten können, Verwandte von mir bauen die teuersten Yachten der Welt aus und könnten sich nicht einen Flug auf den Yachteigenen Hubschrauberlandeplatz leisten.
Wir kaufen Bananen, von denen Massen bereits entsorgt werden bevor sie überhaupt im Laden landen. Teilweise werden sie sortiert von afrikanischen Menschen, die wissen dass die Arbeiter:innen, die die Bananen in Afrika ernten ums verhungern kämpfen und diese Lebensmittel für die Mülltonne auf Schiffe verladen.
Es gibt unendlich viele Beispiele davon, dass unter unserem Lebensstil viele Menschen leiden und dass es Milliarden Menschen gibt, die ärmer sind. Wir wissen doch alle, dass wir im weltweiten Vergleich heftig viel Geld haben. Mit meinem Gehalt könnte ich anderen, sehr armen Ländern ein Leben in Luxus leben. Aber was bringt so ein Vergleich?

Solche Sätze könnte man für fast jeden unserer Lebensbereiche formulieren. Aber irgendwie hat es keinen Mehrwert, weil wir an vielen Dingen nicht oder nicht viel ändern können.
Außerdem: Diese Aussage pauschalisiert und dem Pilger, der nur in Deutschland produzierte und faire Kleidung kauft wird Unrecht getan.
u l t r e i a
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Camineiro
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Re: Pilger sind Menschen, die sich für das mehrfache Jahresgehalt eines Pakistaners….

Beitrag von Camineiro »

Das Muster ist immer dasselbe:

calixtinusII haut einen provokanten Bericht mit noch provokanterer Überschrift raus und wartet darauf,
dass die Pilgerschaft seinen Beitrag kontrovers diskutiert.
Er selbst meldet sich danach nicht mehr zum eingebrachten Thema.

Wie geschrieben ... das Muster ist immer dasselbe.
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kuddel
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Re: Pilger sind Menschen, die sich für das mehrfache Jahresgehalt eines Pakistaners….

Beitrag von kuddel »

Es hilft sehr, wenn man die Zusammenhänge mal aus Sicht der Makroökonomie und der Volkswirtschaftslehre betrachtet.
So wie in der Natur Entwicklungen durch Konzentrationsunterschiede ausgelöst werden, sind ökonomische Gradienten Triebkräfte der gesellschaftlichen Entwicklung.
Ok, ganz einfach gefragt: Was würde passieren, wenn wir nicht die Bananen aus der 5. Welt kaufen, und keine Kleidung, die sehr arme Menschen in Pakistan hergestellt haben? Milliarden von Mitbewohnern auf diesem Planeten ernähren davon ihre Familien. Und die Länder der 3. und 4. und 5. Welt entwickeln sich dadurch weiter.
Bestes Beispiel ist China mit seiner wachsenden Mittelschicht.
Es ist richtig, dass wir uns für menschenwürdige Arbeitsbedingungen in Afrika, Asien und Latainamerika einsetzen!
Aber keine Produkte von dort mehr zu kaufen, oder nicht mehr zu verreisen ist der denkbar falsche Weg!
Und solche Sprüche aus irgendwelchen Spiegelbestzellern sind sozialromantisches Geschwurbel was niemanden auf der Welt weiter bringt!
Und nur den Autor wohlhabend macht!!!
Grüsse

... der Jürgen Rolf

Caminho Portugues 22
Camino Finisterre 22
Caminho Portugues da Costa 23


egal wie´s kommt; irgend etwas geht immer :idea:
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Pooh_der_baer
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Re: Pilger sind Menschen, die sich für das mehrfache Jahresgehalt eines Pakistaners….

Beitrag von Pooh_der_baer »

kuddel hat geschrieben: 19. Sep 2022, 18:59
Es ist richtig, dass wir uns für menschenwürdige Arbeitsbedingungen in Afrika, Asien und Latainamerika einsetzen!
Aber keine Produkte von dort mehr zu kaufen, oder nicht mehr zu verreisen ist der denkbar falsche Weg!
Waren dorthin zu verkaufen ist sinnvoll, so lange es den Menschen dient.
Der Verkauf von gebrauchten Kleider oder Hähnchenschenkel ist zwar für viele Menschen dort preiswerter, zerstört aber
die Erzeugung dieser Waren im Land.
Weiterhin ist es unsinnig, wenn wir Bohnen im Dez. kaufen, die in Afrika erzeugt werden. Hier wird dann die Lebensmittel-
produktion in diesen Ländern für die Einheimischen unterbunden.
Wer sich nicht erinnert, den bestraft die Zukunft.
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chrisbee
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Re: Pilger sind Menschen, die sich für das mehrfache Jahresgehalt eines Pakistaners….

Beitrag von chrisbee »

Die Krimis von Karsten Dusse halte ich eher für Krimi-Persiflagen – weswegen sie auch so viel Spaß beim Lesen machen. Und deswegen würde ich auch das kleine provokante Buchzitat über Pilger nicht überbewerten. Dusses Trick ist ja wohl, die „Achtsamkeit“ (eigentlich etwas Gutes) als ein Zeitgeistphänomen zu sehen und bis zum Aberwitz zu strapazieren. Das fördert natürlich auch Erhellendes zutage. Für mich lautet die Moral aus dieser Geschichte: Mord bleibt Mord – und wenn er noch so „achtsam“ ist. Und Luxus bleibt Luxus (der Luxus des wohlhabenderen Teiles der Menschheit) – auch wenn er noch so pilgermäßig schlicht und sinnerfüllt bzw. –suchend daherkommt.

Ähnlich wurde schon vor vielen Jahren über Alternativtouristen gelästert, etwa über Indienfahrer der Siebziger, von denen nicht gerade wenige sich als echter und authentischer dünkten als die Einheimischen, bei denen sie schnorren gingen. Und die Einheimische dann auch noch darüber belehren wollten, wie man richtig echt und authentisch zu sein hat, um ins richtige Bild von der armen Dritten Welt zu passen. Dass etwa Plastik schlecht ist – auch wenn es das einzig Erschwingliche für wirklich arme Menschen ist, die sich gute Materialien gar nicht leisten können.

Damals hieß es über diese alternativen Reisenden: auch Alternativtouristen sind (und wenn sie es noch so gut meinen) Touristen – denn diese Vertreter er ersten Welt konnten sich, bevor sie verhungerten, immer noch an die Botschaften ihrer Heimatländer wenden und sich in den heimischen Sozialstaat ausfliegen lassen. Und genau das macht den Unterschied.

Egal auf welche Weise: das kleine Zitat gibt, wenn man es denn ernst nimmt, so einiges an Stoff zum Nachdenken her. Aber natürlich keine Lösung. Und beim besten Willen keine Anleitung für „richtiges“ Handeln.

chrisbee
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