Wie ist es den Frances erst nach anderen Wegen zu pilgern?

Von St. Jean Pied de Port auf dem navarrischen oder vom Somportpass auf dem aragonischen Weg nach Santiago
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Pablo
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Registriert: 30. Aug 2022, 12:07

Wie ist es den Frances erst nach anderen Wegen zu pilgern?

Beitrag von Pablo »

Hallo Pilgerfreunde,

in den letzten Jahren habe ich den Camino del Norte sowie den Camino Primitivo bepilgert. Ich habe mir die weniger frequentierten Wege herausgesucht, da ich eine gewisse Ruhe und Einsamkeit beim Wandern sehr schätze.
Gleichzeitig habe ich aber gerade beim Camino Primitivo gemerkt, dass es irgendwie mehr ein Wander- denn ein Pilgerurlaub war. Ist sicher auch der Tatsache geschuldet, dass ich nur 2 Wochen Zeit hatte und bis Muxía wollte und daher die Mitpilger mit denen ich meistens unterwegs war ähnlich sportlich eingestellt und auch eher aus diesen Motiven heraus unterwegs waren. Jedenfalls hab ich ein wenig jenes Pilgerfeeling vermisst welches ich damals am Norte so faszinierend fand, jenes Feeling, dass mir im Nachhinein sogar die gefühlten 500km Asphaltstraßen irgendwie mit einem Hauch von Nostalgie versehen hat.

Dementsprechend (nach dem Camino ist ja bekanntlich vor dem Camino) liebäugle ich inzwischen damit doch einmal den Frances zu gehen (auch wenn ich mir natürlich früher stets gesagt habe, dass ich doch viel zu alternativ für die Pilgerautobahn bin) - einerseits wegen besagtem Pilgerfeeling, aber auch weil es historisch sicher der interessanteste Weg ist.

Jetzt hab ich irgendwie sehr ausschweifend geschrieben ohne noch eine konkrete Frage zu stellen, aber ich dachte mir vielleicht hilft es eine kleine Vorstellung besser um mit eurer Erfahrung meine Frage(n) zu beantworten. Die lauten nämlich:

- Gibt es unter euch Leute die zuerst die ruhigeren Caminos und erst später den Frances gelaufen sind - und wie hat sich dieser Umstieg für euch angefühlt?

Insbesondere von denjenigen welche diese Frage bejahen würden mich auch Antworten auf die folgenden Fragen interessieren (wobei ich mich über jeden Erfahrungsbericht, auch von Leuten die nur den Frances kennen oder bei denen die Reihenfolge eine andere war, freue):

- Ist es möglich (zB mit kluger Etappenplanung) auch am Frances Tage oder zumindest längere Abschnitte "ganz für sich" zu haben? Da ich tendenziell eher ein flotter Wanderer bin überhole ich meistens Leute, was besonders auf stärker frequentierten Strecken zwangsläufig zu vielen Begegnungen führt. Manchmal ja ganz nett, manchmal freue ich mich aber auch darüber keine Menschenseele zu sehen.
- Wie groß sind die Herbergen? Also gibts da auch kleinere, gemütliche, mit vielleicht 10-15 Betten oder fällt das schon eher in die Richtung "Massenabfertigung"?
- Mein Zeitfenster ist leider auf Anfang Juli bis Mitte September eingeschränkt - was wäre wohl die ruhigste Zeit in diesem Fenster? Intuitiv würde ich Mitte August bis Mitte September sagen.
- Hab gehört am Frances ist es mit den Aufbruchszeiten in der Früh nochmal extremer. Stimmt das? Bin jetzt kein völliger Morgenmuffel, aber bis 6 Uhr schlaf ich eigentlich schon recht gern.

Bei den letzten 100 Kilometern gilt dann sowieso nur Augen zu und durch :lol: Aber das war ja am Norte bzw Primitivo ab Arzua auch nicht viel anders, solangs nur die letzten 100km so zugeht kann ich damit leben.

Was immer euch zu dem Themenkomplex hier einfällt, freue mich über Rückmeldungen.
Gerhard Nikolaus
Beiträge: 163
Registriert: 7. Jun 2022, 18:53

Re: Wie ist es den Frances erst nach anderen Wegen zu pilgern?

Beitrag von Gerhard Nikolaus »

Die Pilgerdichte auf meinem Weg, von Mitte April bis Mitte Mai, war vermutlich nicht so hoch, wie sie jetzt im August war. Es waren viele Pilger unterwegs, es gab aber Strecken, da war auf Sicht- und Hörweite lange niemand vor oder hinter mir. Das mag auch an meiner Streckenwahl gelegen haben, da ich immer die einsameren und bei vielen Pilgern in meinem Umfeld auch gefürchteten Routen gewählt habe - wie z.B. eben nicht den "Real Camino Francés" von Sahagun nach Reliegos, sondern die "Via Trajana".
Vor 6 Uhr habe ich niemanden sich auf den Weg machen sehen. Aber auch das mag ja nicht über die gesamte Saison so sein. Soweit ich mich erinnern kann, habe ich hier und da Pilger bereits um 7 Uhr die Herberge verlassen sehen, sie dann aber einige Kilometer später im nächsten Ort beim Frühstück getroffen. :D
Camino Francés April/Mai 2022
Camino Francés April/Mai 2023
Olavsweg (Lillehammer - Trondheim) Juli 2023
Superfrauandrea
Beiträge: 315
Registriert: 6. Aug 2019, 16:55

Re: Wie ist es den Frances erst nach anderen Wegen zu pilgern?

Beitrag von Superfrauandrea »

Wir sind meist so um 6 Uhr aufgestanden und haben uns gegen 7 Uhr auf den Weg gemacht. Ich habe es geliebt, nach einigen Kilometern dann erst zu frühstücken. Da hat man sich das Frühstück so richtig verdient. Konnte je nach Einkehrmöglichkeit so zwischen 5 bis zu 10 Kilometern sein.

viel Freude bei deinen Vorbereitungen.
lg.
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donjohannes
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Re: Wie ist es den Frances erst nach anderen Wegen zu pilgern?

Beitrag von donjohannes »

Mein Camino war in den 90ern - eine komplett andere Welt. Aber ich kann mir vorstellen, dass man jenseits der Sommerhitze das "erlebte Pilgeraufkommen" auch durch die Tageszeit steuern kann.
Wenn man etwa am Wettrennen um die Herbergen nicht teilnimmt weil man ohnehin eine andere Optionen gewählt hat (Buchungen oder Zelt), dann kann man auch am späten Nachmittag bis in den Abend unterwegs sein. Da werden die Wege für gewöhnlich leer, weil viele Leute ihre Pilgerstunden und ihren Feierabend aus dem Arbeitsleben übernehmen (und sie lediglich wegen Quartierdruck oder Hitze etwas nach vorne verschieben).
Auf Wegen und in den Bergen bin ich gerne am Abend noch unterwegs während die Leute in den Quartieren und auf den Hütten sitzen. Das weiche Licht am Abend ist großartig und vor Sonnenuntergang einzukehren scheint mir da sowieso ein mittelschweres Versäumnis (nur eine lässliche Sünde zwar, aber immerhin). Würde ich den Camino F heute nochmal gehen, dann würde ich es wohl so machen, um der Hektik zu entgehen:
- Start in der Morgendämmerung (also unter den ersten vorne weg)
- Gang bis späten Vormittag
- Siesta-Sightseeing-Stundenlang Landschaft einsaugen-Essen
- Start in Teil 2 des Tages, so dass man beim Einbrechen der Dunkelheit das Quartier erreicht

Vorteile:
man geht den Massen aus dem Weg,
gute Marschtemperatur,
man splittet den Tag (1 x 30km ist anstrengender als zb 2 x 15km mit 5 Stunden Pause)

Nachteile:
manche Objekte sind ganz früh oder ganz spät nicht mehr geöffnet. Das ist manchmal zu verschmerzen, aber um 6 Uhr oder um 21 Uhr an der Kathedrale in Burgos vorbeizugehen, weil sie noch/schon geschlossen ist, ist nicht akzeptabel. Das ist also schon bei der Quartierplanung zu berücksichtigen.
Unflexible Essensgewohnheiten leiden wohl etwas. Wer in der Früh eine lange Anlaufszeit hat oder einen langen Feierabendschmaus mit Wein und Gesellschaft will, kommt so nicht auf seine Kosten.
Österreich -Santiago 1998
Liechtenstein - Jerusalem und zurück 2013-14 (http://www.4kmh.com/neo)
Triest - Cannes (Via Alpina Sacra) 2018 ( http://www.4kmh.com/vas )
Irland - Italien (Via Columbani) 2022
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