Tomas schließt und verlässt Manjarin

Von St. Jean Pied de Port auf dem navarrischen oder vom Somportpass auf dem aragonischen Weg nach Santiago
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Simsim
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Tomas schließt und verlässt Manjarin

Beitrag von Simsim »

Mit Traurigkeit lese ich folgendes:

https://radiocaminodesantiago.com/el-ad ... el-cierre/
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Matt Merchant
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Re: Tomas schließt und verlässt Manjarin

Beitrag von Matt Merchant »

Servus Simone,

weißt Du denn, wo und wie er seinen Ruhestand genießen will?

Allemal freue ich mich ja, dass es nicht die Krankheitsphasen der vergangenen Jahre sind, die sein Finale erzwingen, sondern ein bewusster Willensakt seinerseits, wenn ich es richtig lese...
Die Übernachtung in Manjarín zähle ich zu den ganz prägenden "authentischen" Erfahrungen meines ersten Camino 2007 - obgleich ich leider auch mutmaßen muss, dort von einem der damaligen Hilfs-Vagabunden meiner Uhr beklaut worden zu sein... :?

Matthias
"Das Unscharfe um das Display herum, das ist der Camino.“ (frei nach M. M. Profitlich) :geek:
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Simsim
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Re: Tomas schließt und verlässt Manjarin

Beitrag von Simsim »

Nein Matthias, ich weiß nicht was er vorhat.
Aber ich er ist wütend und traurig, denn er hatte Projekte und Pläne, aber die Herberge ist ihm vom Amt für Hygiene (keine Ahnung, wie das genau heißt) geschlossen worden und er wartet vergeblich auf versprochene Subventionen, um eine neue Unterkunft zu bauen. Ihm ist schlicht und einfach die Überlebensgrundlage entzogen worden.

Das ist sicher auch ein großes Stück abgekatertes Spiel... denn die vielen anderen Herbergen, die inzwischen in der Nähe entstanden sind, wollen seine Konkurrenz nicht.

Er dagegen war lange Zeit der Einzige, der den Pilgern half durch die Berge zu kommen, als es noch nichts gab, zwischen Rabanal und Ponferrada.

Er ist verdrängt worden unter einem Vorwand, der mit Corona natürlich durchkam.
Meinetwegen auch teils zu recht, aber da gibt es auch andere Vertreter, bei denen es nicht gerade hygienisch zugeht..

Mich macht das sehr traurig, denn mit Manjarin verschwindet ein geschichtsträchtiger und besonderer Ort am Camino. Und natürlich Tomas.....
Zuletzt geändert von Simsim am 29. Jun 2022, 19:41, insgesamt 1-mal geändert.
caminoxyz
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Re: Tomas schließt und verlässt Manjarin

Beitrag von caminoxyz »

Simsim hat geschrieben: Er ist schlicht und einfach verdrängt worden unter einem Vorwand, der mit Corona natürlich durchkam.
Meinetwegen auch teils zu recht, aber da gibt es auch andere Vertreter, bei denen es nicht gerade hygienisch zugeht..
Vielleicht hat sich das mit Corona geändert, aber gerade in den Nebenwegen war es auch bei öffentlichen Herbergen üblich, dass es mit den Hygiene und sonstigen Vorschriften nicht so genau genommen würde.
Aber wenn die Konkurrenz Kontakte zu kommunalen Abgeordneten hat, geht das meist recht schnell...
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Icecube84
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Re: Tomas schließt und verlässt Manjarin

Beitrag von Icecube84 »

Als ich 2015 da war, bin ich nach einem Rundumblick direkt wieder raus gegangen.
Gefühlt war überall Dreck, dazwischen Katzenbabys und zwei Templer saßen total teilnahmslos inner Ecke und wirkten dabei irgendwie zugedröhnt. Ob das wirklich so war oder wer genau, weiß ich natürlich nicht.
Die einen mögen das urig finden, mich hat es abgeschreckt, ich kann mir das in meiner Heimat an jeder zweiten Ecke angucken.
Buen Camino,
Jani

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Camineiro
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Re: Tomas schließt und verlässt Manjarin

Beitrag von Camineiro »

Icecube84 hat geschrieben: 29. Jun 2022, 14:42 Als ich 2015 da war, bin ich nach einem Rundumblick direkt wieder raus gegangen.
Gefühlt war überall Dreck, dazwischen Katzenbabys und zwei Templer saßen total teilnahmslos inner Ecke und wirkten dabei irgendwie zugedröhnt. Ob das wirklich so war oder wer genau, weiß ich natürlich nicht.
Die einen mögen das urig finden, mich hat es abgeschreckt, ich kann mir das in meiner Heimat an jeder zweiten Ecke angucken.
Mein Eindruck 2014 war ähnlich.
Da wäre ich nur in allergrößter Not eingekehrt.
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Simsim
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Re: Tomas schließt und verlässt Manjarin

Beitrag von Simsim »

Icecube84 hat geschrieben: 29. Jun 2022, 14:42 Als ich 2015 da war, bin ich nach einem Rundumblick direkt wieder raus gegangen.
Gefühlt war überall Dreck, dazwischen Katzenbabys und zwei Templer saßen total teilnahmslos inner Ecke und wirkten dabei irgendwie zugedröhnt. Ob das wirklich so war oder wer genau, weiß ich natürlich nicht.
Die einen mögen das urig finden, mich hat es abgeschreckt, ich kann mir das in meiner Heimat an jeder zweiten Ecke angucken.
Ja, das stimmt, es gab dort schlechte Zeiten. Tomas nahm alle möglichen Sozialfälle auf und war immer wieder lange abwesend, auch wegen seiner Herzkrankheit.

Und auch er selbst hatte Phasen, in denen er den Laden schleifen ließ. Aber wenn man ihn näher kannte, sah man in ihm das ganz große Herz und Engagement für den Camino und die Pilger, seine Entscheidung für ein Leben in absoluter Einfachheit, und einen Idealisten.

Das Leben da oben war extrem. Die Bude sauber zu halten, ohne Wasser und Strom, war aufwändig. Und es war nicht sauber. Mal mehr, mal weniger.

Auch ich, obwohl ich diesbezüglich gute Nerven habe, hatte meine Schwierigkeiten mit dem Matratzenlager unter dem Dach.
Aber ob mans glaubt oder nicht, ich hatte einen unvergesslichen Nachmittag und eine Nacht dort,auf meinem erstenCamino 2009, ....ein tiefer innerer Friede im stundenlangen Schweigen am Ofen, draußen schneite es, und nachts fegte der Wind über das Dach, dass die Ziegel klapperten (oder war es Blech?).

Ich fühlte mich geborgen und beschützt.

Tomas kam zum Essen und zum Abendgebet. Sein Sohn Fernando hatte gekocht. Es war noch ein Pilger da, der ebenfalls schwieg und ein alter Spanier aus der Nachbarschaft, der Kastanien grillte.
Es war nicht romantisch. Normalerweise hätte ich mich ziemlich unwohl gefühlt in der Bude. Aber ....ich bin bei weitem nicht die Einzige, die dort unerklärlicherweise ein besonderes Erlebnis hatte.

Im Laufe der Jahre lernte ich Tomas ein bisschen mehr kennen und sprach auch besser Spanisch.
Letztes Jahr erfuhr ich etwas über die Hintergründe der momentanen Situation.

Ihr glaubt ja nicht, was auf dem Camino Frances hinter den Kulissen alles tobt. Jede Menge krasse Geschichten, aber auch viel Gutes, besonders von Seiten der Hospitaleros, die oft gar keine Ahnung haben, was so alles hintenrum läuft.

Tomas litt auch zunehmend unter der veränderten Mentalität der meisten Pilger. Die Anspruchshaltung und Ignoranz, der Mangel an Gemeinschaftssinn, auch unter der so häufig leeren Donativo-Kasse. Er sprach nie über die Kasse, das hörte ich von anderen. Aber er hatte mal Tränen in den Augen, als er vom abfälligen Verhalten vieler Pilger sprach. Besonders im Sommer.

Ich habe auch nur sehr wenig Einblick in die Geschehnisse im Hintergund, aber das wenige reicht mir schon dicke.

Das mit Tomas ist ein trauriges Ende. Es ist nicht freiwillig. Auch wenn er es nicht an die Glocke hängt. Er hat tiefen Glauben an Gott und weiß, das alles auch etwas Gutes hat.
Er wird nicht untergehen. Ich hoffe einfach mal, dass sein Camino gut weiter geht. Ich wünsche es ihm von ganzem Herzen. Der bunte, etwas abschreckende, skurrile Platz wird jedenfalls total fehlen. Und die Pilgerglocke. Und die echte, bedingungslose Hilfe für jeden, der es braucht. Das war in vor-Handy-Zeiten da oben echt wichtig.

Gracias Tomas. Vaya con Dios.
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Frau Holle
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Re: Tomas schließt und verlässt Manjarin

Beitrag von Frau Holle »

Camineiro hat geschrieben: 29. Jun 2022, 15:30
Icecube84 hat geschrieben: 29. Jun 2022, 14:42 Als ich 2015 da war, bin ich nach einem Rundumblick direkt wieder raus gegangen.
Gefühlt war überall Dreck, dazwischen Katzenbabys und zwei Templer saßen total teilnahmslos inner Ecke und wirkten dabei irgendwie zugedröhnt. Ob das wirklich so war oder wer genau, weiß ich natürlich nicht.
Die einen mögen das urig finden, mich hat es abgeschreckt, ich kann mir das in meiner Heimat an jeder zweiten Ecke angucken.
Mein Eindruck 2014 war ähnlich.
Da wäre ich nur in allergrößter Not eingekehrt.
Ich auch. Freiwillig hätten wir dort nicht geschlafen 😃
Aber interessant war der Ort allemal. Ein kurzer Blick hinein hat sich gelohnt, aber mehr auch nicht.
Trotzdem ist es schade, dass dieser Ort jetzt verloren geht 😕
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Raimund Joos
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Re: Tomas schließt und verlässt Manjarin

Beitrag von Raimund Joos »

Icecube84 hat geschrieben: 29. Jun 2022, 14:42 Als ich 2015 da war, bin ich nach einem Rundumblick direkt wieder raus gegangen.
Gefühlt war überall Dreck, dazwischen Katzenbabys und zwei Templer saßen total teilnahmslos inner Ecke und wirkten dabei irgendwie zugedröhnt. Ob das wirklich so war oder wer genau, weiß ich natürlich nicht.
Die einen mögen das urig finden, mich hat es abgeschreckt, ich kann mir das in meiner Heimat an jeder zweiten Ecke angucken.
Das war kein Dreck sondern unbezahlbares Patina !!

Sehr schade wenn es denn wirklich stimmt!

BC

Raimund
Zuletzt geändert von Raimund Joos am 29. Jun 2022, 21:02, insgesamt 1-mal geändert.
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Ronald
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Re: Tomas schließt und verlässt Manjarin

Beitrag von Ronald »

Ich war Anfang Juni noch dort, hab Pause gemacht und einen Kaffee getrunken. War urig. Zum Übernachten hat die Zeit nicht gepasst.
BC Ronald
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Simsim
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Re: Tomas schließt und verlässt Manjarin

Beitrag von Simsim »

Ein kurzer Blick hinein hat sich gelohnt, aber mehr auch nicht.
Das kann man doch gar nicht wissen.....ob sich mehr nicht gelohnt hätte.

Ok, ich bin dort auch beim ersten Mal nur geblieben, weil ich ko war und es schneite. Und wie schon gesagt, es hat sich absolut gelohnt. Aber klar, es sind immer nur wenige Pilger dort über Nacht geblieben, jedenfalls seitdem es Alternativen gab.
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Simsim
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Re: Tomas schließt und verlässt Manjarin

Beitrag von Simsim »

Ronald hat geschrieben: 29. Jun 2022, 19:34 Ich war Anfang Juni noch dort, hab Pause gemacht und einen Kaffee getrunken. War urig. Zum Übernachten hat die Zeit nicht gepasst.
BC Ronald
Wäre Übernachtung denn möglich gewesen?
So wie ich es verstanden habe, war es vom Amt für Hygiene verboten worden.
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Ronald
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Re: Tomas schließt und verlässt Manjarin

Beitrag von Ronald »

Hab jetzt nicht geguckt, ob eine Übernachtung möglich gewesen wäre ...
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Frau Holle
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Re: Tomas schließt und verlässt Manjarin

Beitrag von Frau Holle »

Simsim hat geschrieben: 29. Jun 2022, 19:35
Ein kurzer Blick hinein hat sich gelohnt, aber mehr auch nicht.
Das kann man doch gar nicht wissen.....ob sich mehr nicht gelohnt hätte.
Bei uns war es damals so, dass wir diesen Eindruck hatten und unsere Einschätzung war, dass es sich für uns nicht gelohnt hätte dort zu bleiben, weil wir uns nicht wohlgefühlt (und vermutlich auch über einihes geärgert) hätten. Von daher konnten wir schon sagen, dass es sich für uns nicht gelohnt hätte.
Aber du hast natürlich insoweit Recht, dass man nie vorher wissen kann, ob sich etwas am Ende lohnt oder nicht. Die Formulierung müsste also aus dem Sprachgebrauch gestrichen werden 😉
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Simsim
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Re: Tomas schließt und verlässt Manjarin

Beitrag von Simsim »

Bei uns war es damals so, dass wir diesen Eindruck hatten und unsere Einschätzung war, dass es sich für uns nicht gelohnt hätte dort zu bleiben, weil wir uns nicht wohlgefühlt (und vermutlich auch über einihes geärgert) hätten. Von daher konnten wir schon sagen, dass es sich für uns nicht gelohnt hätte.
Ja, ich bin mir ziemlich sicher, dass ich es ebenso empfunden hätte ;), wenn ich damals nicht quasi keine Wahl gehabt hätte ;). Ich bin geblieben und es war sowas von unerwartet wohltuend.....wirklich eine Überraschung jenseits meiner Komfortzone.

Schade ist, dass kaum jemand mehr etwas weiß über den Hintergrund von Manjarin und von Tomás Existenz dort.

Er ist eine der Schlüsselpersonen, denen es zu verdanken ist, dass der Camino Frances wieder Zulauf bekam in den 90 iger Jahren.
Sein Refugio war damals absolut notwendig, um über die Berge zu kommen, bei schlechtem Wetter. Foncebadon war ein Geisterort aus Ruinen und streunenden Hunden und angeblich gab es nicht einmal in Molinaseca ein Hostal. Also nichts bis Ponferrada.

Und er war, wie einige andere auch (José Ignatio, der z.b. die Gemeindeherberge in Grañon initiierte und auch die in Bercianos, Viana, dann Logroño, wo er jetzt lebt,
José Luis in Tosantos, Lourdes, jetzt in Fromista
und viele andere)
überzeugt von einem "Geist des Pilgerns" der vor allem auf Gemeinschaftssinn, Einfachheit und Dankbarkeit gründet.

Er wollte, wie die anderen, die ihr ganzes Herzblut in den Camino investierten, den Pilgern eine besondere Erfahrung ermöglichen, die sie näher zu sich selbst und ihren tieferen Sehnsüchten und Werten führt.
Ohne diese Menschen und ihre Herbergen würden wir alle heute wohl nicht noch Spuren dieses besonderen Geistes wahrnehmen können.
Es gibt und gab diese Personen auch auf anderen Caminos natürlich. Aber vereinzelter.

Vor diesem Hintergrund konnte ich immer über den Dreck (die Patina :) ) und das Chaos in Manjarin hinwegsehen und Tomàs einfach nur dankbar sein.

Und die langen sehr harten Winter, da oben auf fast 1400m in den wackligen Hütten ohne Strom und fließend Wasser zu überstehen, war alles andere als bequem

Für mich ist die unfreiwillige Schließung von Manjarin daher nochmal besonders traurig...
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