Glaubensfrage

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CyrusField
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Glaubensfrage

Beitrag von CyrusField »

Hallo allerseits,

ich lege einfach Mal los und hoffe, hier nicht die Foren-Version eines heiligen Krieges anzufangen... :?

Ich bin römisch-katholisch getauft und habe habe Erstkommunion und Firmung in einer Gemeinde empfangen, die sich "damals" wenig um Kinder und Jugendliche gekümmert hat und in der ich schon seit fast 25 Jahren nicht mehr lebe. Zu meiner aktuellen Gemeinde habe ich also recht wenig Bezug. Grundsätzlich würde ich mich als christlich, wenn auch nicht besonders gläubig (dazu waren auch meine Eltern und Großeletern zu wenig in der Kirche aktiv), aber keinesfalls "katholisch" bezeichnen.

Was meine ich mit "katholisch"? Nun, ich - und das ist ausschließlich meine ganz persönliche Meinung - finde, dass die katholische Kirche sich durch ihre Handlungen, auch durch vielfach unterlassene Handlungen, und einige Standpunkte zu gesellschaftsrelevanten Themen in den letzten Jahren immer weiter von meinem Bild einer Kirche entfernt hat. Missbrauchsskandale und deren verfehlte und teilweise sogar ausbleibende Reaktion darauf, das Zölibat, die Beteiligung von Frauen in höheren Kirchenämtern, in vielen Fällen nicht vorhandene Ökumene, Empfängnisvergütung, Umgang mit Geschiedenen.... Kurz gesagt, fühle ich mich in der katholischen Kirche nicht mehr wirklich aufgehoben. Andererseits möchte ich aber auch nicht aus der Kirche austreten, denn gerade im Kleinen passiert ja auch sehr viel Gutes.

Meine Freundin ist evangelisch getauft, wir überlegen - irgendwann Mal - zu heiraten. Das wäre in meiner Gemeinde nicht möglich, da dies vom Pfarrer strikt abgelehnt wird - nicht nur aufgrund ihres Glaubens, sondern auch, oder gerade, weil sie geschieden ist. Natürlich könnten wir uns in ihrer Gemeinde evangelisch trauen lassen, das wäre gar kein Problem und auch für mich 100% ok. Aber was sagt mir das? Doch im Grunde, dass ich mit meiner Lebensweise nicht wirklich willkommen bin bzw. meine Partnerin ausgeschlossen bliebe.

In den letzten Monaten habe ich mich daher intensiv damit beschäftigt, meinen Glauben zu wechseln, also in eine andere Kirche überzutreten. Die evangelische Kirche liegt da natürlich nah, aber ich habe letztens entdeckt, dass es eine alt-katholische Gemeinde gleich bei mir um die Ecke gibt, die zumindest bei ein paar meiner o.g. Punkte deutlich "moderner" ist. Aber meinen Glauben einfach so abzulegen, weil mir Dinge nicht passen? Das wäre ja schon ein riesiger Schritt. Und was mache ich, wenn mir die neue Kirche auch nicht "passt"? Ich kann, will und werde ja nicht meine Kirche wechseln, wie andere Leute ihre Hemden :cry:

Natürlich habe ich mit den Pfarrern bzw. auch Seelsorgern meiner "möglichen Alternativen" schon gesprochen. Aber irgendwie hatte ich ein bisschen das Gefühl, in einer Werbeveranstaltung gelandet zu sein, denn natürlich ist mein Gesprächspartner absolut subjektiv gewesen und seine Kirche das BEste vom Besten.

Daher eine eigentlich einfache, aber wahrscheinlich deutlich schwieriger zu beantwortende Frage:
Gibt es irgendwo, irgendwie eine unabhängige Möglichkeit, meine Fragen loszuwerden?


Bedrückte Grüße
Stefan
Camino Francés 2018
Mosel-Camino 2019
Via Mosana 2019 - ... (das wird noch :lol:)
Caminho Portugês Central 2020
Camino Inglés 2022
...und auch sonst viel zu Fuß unterwegs: https://stefansspuren.com 8-)
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Bernie
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Re: Glaubensfrage

Beitrag von Bernie »

CyrusField hat geschrieben: 12. Jun 2022, 17:50 Gibt es irgendwo, irgendwie eine unabhängige Möglichkeit, meine Fragen loszuwerden?
Fragen stellen kannst Du sicherlich überall -aber Du wirst nicht überall Antworten erhalten.
So ziemlich jede Glaubensrichtung wird Dir sagen, daß deren Glaube der einzig richtige ist und der einzige Weg, der in den Himmel führt.
Ich habe schon vor über 25 Jahren der Kirche den Rücken gekehrt und mich immer mehr bestätigt gefühlt, je mehr ich darüber gelesen habe. Die Bücher Karl Heinz Deschners zum Beispiel.
In welche Kirche würde Jesus gehen, wenn er noch einmal zurückkäme?

Meinen Weg gefunden habe ich, als ich auf die Bücher Neale Donald Walschs gestoßen bin: "Gespräche mit Gott".
Und habe Antworten auf Fragen erhalten, auf die ich selbst nie gekommen wäre.
Es erfordert allerdings etwas Mut, sich von alten Glaubensvorstellungen freizumachen.
https://www.youtube.com/watch?v=LZfrGQoeD1U
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Pater Norbert
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Re: Glaubensfrage

Beitrag von Pater Norbert »

Hallo Stefan,

als Vertreter der Kirche bin ich dir vielleicht suspekt, aber Gesprächspartner kann und will ich gerne sein.
Dabei ist es für mich auch ein Unterschied, ob ich in einem Forum zur Frage nach der Lehre ein Statement abgebe, oder ob es etwa im Gespräch mit dir außerhalb des Forums geht, eine Situation zu klären.
Meine Kontaktmöglichkeiten kennst du....

Das zweite: Bei den Wegen in die eine oder andere Kirche haben viele Seelsorgende erlebt, dass ein spontaner Schnellschuss nicht ausreichend ist. Da kann nichts wachsen und sich ausbilden.
Deshalb haben die meisten Kirchen einen gewissen Gesprächsprozess eingerichtet, der meist zwischen 1 und 2 Jahre geht. Das ist manchmal in der 1:1 Situation oder in kleineren Gesprächsgruppen.

Ich wäre eher skeptisch bei Gemeinden die sagen: "Stefan, machen wir schon. In 2 Monaten ist alles vom Tisch."
Wer pilgert, wird von einem Virus infiziert, das nicht vergeht.
Gemerkt im März 2022. Avatar stammt aus Juni 2023.
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Camineiro
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Re: Glaubensfrage

Beitrag von Camineiro »

CyrusField hat geschrieben: 12. Jun 2022, 17:50 Hallo allerseits,

ich lege einfach Mal los und hoffe, hier nicht die Foren-Version eines heiligen Krieges anzufangen... :?

Ich bin römisch-katholisch getauft und habe habe Erstkommunion und Firmung in einer Gemeinde empfangen, die sich "damals" wenig um Kinder und Jugendliche gekümmert hat und in der ich schon seit fast 25 Jahren nicht mehr lebe. Zu meiner aktuellen Gemeinde habe ich also recht wenig Bezug. Grundsätzlich würde ich mich als christlich, wenn auch nicht besonders gläubig (dazu waren auch meine Eltern und Großeletern zu wenig in der Kirche aktiv), aber keinesfalls "katholisch" bezeichnen.

Was meine ich mit "katholisch"? Nun, ich - und das ist ausschließlich meine ganz persönliche Meinung - finde, dass die katholische Kirche sich durch ihre Handlungen, auch durch vielfach unterlassene Handlungen, und einige Standpunkte zu gesellschaftsrelevanten Themen in den letzten Jahren immer weiter von meinem Bild einer Kirche entfernt hat. Missbrauchsskandale und deren verfehlte und teilweise sogar ausbleibende Reaktion darauf, das Zölibat, die Beteiligung von Frauen in höheren Kirchenämtern, in vielen Fällen nicht vorhandene Ökumene, Empfängnisvergütung, Umgang mit Geschiedenen.... Kurz gesagt, fühle ich mich in der katholischen Kirche nicht mehr wirklich aufgehoben. Andererseits möchte ich aber auch nicht aus der Kirche austreten, denn gerade im Kleinen passiert ja auch sehr viel Gutes.

Meine Freundin ist evangelisch getauft, wir überlegen - irgendwann Mal - zu heiraten. Das wäre in meiner Gemeinde nicht möglich, da dies vom Pfarrer strikt abgelehnt wird - nicht nur aufgrund ihres Glaubens, sondern auch, oder gerade, weil sie geschieden ist. Natürlich könnten wir uns in ihrer Gemeinde evangelisch trauen lassen, das wäre gar kein Problem und auch für mich 100% ok. Aber was sagt mir das? Doch im Grunde, dass ich mit meiner Lebensweise nicht wirklich willkommen bin bzw. meine Partnerin ausgeschlossen bliebe.

In den letzten Monaten habe ich mich daher intensiv damit beschäftigt, meinen Glauben zu wechseln, also in eine andere Kirche überzutreten. Die evangelische Kirche liegt da natürlich nah, aber ich habe letztens entdeckt, dass es eine alt-katholische Gemeinde gleich bei mir um die Ecke gibt, die zumindest bei ein paar meiner o.g. Punkte deutlich "moderner" ist. Aber meinen Glauben einfach so abzulegen, weil mir Dinge nicht passen? Das wäre ja schon ein riesiger Schritt. Und was mache ich, wenn mir die neue Kirche auch nicht "passt"? Ich kann, will und werde ja nicht meine Kirche wechseln, wie andere Leute ihre Hemden :cry:

Natürlich habe ich mit den Pfarrern bzw. auch Seelsorgern meiner "möglichen Alternativen" schon gesprochen. Aber irgendwie hatte ich ein bisschen das Gefühl, in einer Werbeveranstaltung gelandet zu sein, denn natürlich ist mein Gesprächspartner absolut subjektiv gewesen und seine Kirche das BEste vom Besten.

Daher eine eigentlich einfache, aber wahrscheinlich deutlich schwieriger zu beantwortende Frage:
Gibt es irgendwo, irgendwie eine unabhängige Möglichkeit, meine Fragen loszuwerden?


Bedrückte Grüße
Stefan


Moin Stefan,

um Deinen Glauben zu leben bedarf es keiner Kirche.
Gott (oder wie auch immer Du Sie nennst) ist überall.

Mögest Du die für Dich richtigen Antworten finden.

lg Uwe
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Pilgerbär
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Re: Glaubensfrage

Beitrag von Pilgerbär »

Ich kenne tatsächlich einige Menschen die, aus genannten Gründen, aus der Kirche ausgetreten sind, aber dennoch regelmäßig an den Messen teilnehmen. Sollte sich "die Kirche" entsprechend ändern würden sie auch wieder eintreten.

Nur wer an mich glaubt, glaubt auch dem der mich gesandt hat...soweit ich weiß steht nichts in der hl. Schrift Bezug auf katholisch oder andere Kirchenausrichtungen.

Es brodelt in der katholischen Kirche und zwar ordentlich. Ich selber bin, im kleinen, in der katholischen Kirche ehrenamtlich tätig und hoffe auf diese Weise etwas zum Gemeinwohl beitragen zu können und , ebenfalls im kleinen, die Kirche wieder für die Menschen zu gestalten.

Ich habe auch schon den einen oder anderen Zwist mit den Amtsträgern gehabt. Oft ist eine Gemeinde weiter eine ganz andere Sichtweise und auch Handlungsweise gegeben.

Vielleicht triffst du dich mal mit dem/der zuständigen Gemeindreferenten (M/W), bis wir Rom ändern wird leider noch etwas dauern, aber wir arbeiten dran. Und mglw triffst du in umliegenden Gemeiden ja auf Reformwilliges Personal...
Ultreya, euer Pilgerbär
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Bernie
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Re: Glaubensfrage

Beitrag von Bernie »

Pilgerbär hat geschrieben: 12. Jun 2022, 19:33 bis wir Rom ändern wird leider noch etwas dauern,
Deinen Optimismus in allen Ehren.
Aber ich habe Zweifel, ob die jemals zu Veränderungen bereit sind. :?
Sollte es sich lohnen, darauf zu hoffen und zu warten?
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Pilgerbär
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Re: Glaubensfrage

Beitrag von Pilgerbär »

Ich bin durchaus davon überzeugt, daß sich bestimmte Dinge auf natürlichen Weg bereinigen werden. Die nachfolgende Generation scheint schon deutlich andere Sichtweisen zu haben. Aber da wir in Rom nicht vom Renteneintritt sprechen können, wird es, leider, noch dauern. Aber es ist meiner Meinung nach schon deutlich zu spüren dass der Wind sich dreht...

Und was das Warten angeht, wenn wir das nicht machen überlassen wir unsere Kirche ggf den falschen.
Ultreya, euer Pilgerbär
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Bernie
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Re: Glaubensfrage

Beitrag von Bernie »

Pilgerbär hat geschrieben: 12. Jun 2022, 20:52 Und was das Warten angeht, wenn wir das nicht machen überlassen wir unsere Kirche ggf den falschen.
Ich glaube, daß die Kirche schon längst tot und es Zeit ist, für etwas Neues offen zu sein.
Aber das gehört vielleicht nicht hierher.
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Matt Merchant
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Re: Glaubensfrage

Beitrag von Matt Merchant »

Lieber Stephan,

danke, dass Du Deine Gedanken so offen mit uns teilst, gerade, wenn sie Dich schon länger beschäftigen.
Als angehender evangelischer Vikar zähle ich mich naturgemäß zur Partei der "möglichen Alternativen", möchte hier aber weder missionieren noch Überzeugungsarbeit leisten: Im Gegenteil, die von Dir angedeuteten Tendenzen erlebter "Werbeveranstaltung" sind mit zuwider (gleich, seitens welcher Glaubengemeinschaft), zumal ein religiöses und auch konfessionelles Bekenntnis etwas Hochsubjektives ist, das allein in Dir drinsteckt.

Wenn ich Deine Zeilen richtig lese, kreuzen sich da im Grunde zwei souveräne Grundsatzfragen: die eine nach Deinem Glaubensweg im Allgemeinen - und die andere in der Frage nach der Eheschließung im Speziellen.

Als Zögling eines ökumenischen Elternhauses mit einer sehr katholischen Kindheit sind mir die von Dir skizzierten Gedanken nicht fremd. Für mich war irgendwann eine Konversion mein Weg - nachdem bestimmte Worte und Erlebnisse - sowie das lutherische Bekenntnis als solches - mein Leben verändert hatten. Zugleich halte ich diesen meinen Weg aber nicht für ein Patentrezept: Denn wer soll die katholische Kirche prägen, erneuern und in die Zukunft führen, wenn nicht all jene, die darin aktiv sind und sie in allen Höhen und Tiefen lieben?
Zugleich ist es ja auch nicht so, dass die evangelische Kirche automatisch die gänzlich "sündenfreie" Alternative ist: Krisen gibt es hier wie dort. Meine Entscheidung war vornehmlich (aber nicht nur) spiritueller Natur, doch die katholische Spiritualität bleibt wunderbar.
Persönlich helfe ich mir gerne mit dem Gedanken, dass Jesus seine Jünger*innen nicht als uniforme Fan-Masse gecastet hat, sondern einen Haufen von zwölf höchst zickigen, dauernd verstrittenen Individualist*innen mit sich nahm. Und genau so kommen mir oft die Glaubensgemeinschaften vor. Aber anscheinend wollte es Jesus so und nicht anders: Er wollte die ganze bunte Truppe!
Nur in einem Punkt wage ich Worten meiner Vorredner*innen zu widersprechen: Glaube ist etwas, was man idealerweise teilt (da man das Schönste und Wertvollste, was man hat, nicht für sich behalten sollte). Glaube bedeutet Gemeinschaft und daher Gemeinde. Und somit glaube ich gerade auch an die Kirche(n).

Was die Hochzeitsoption betrifft, so kann ich Dir nur raten, für Dich zu prüfen, was Euch daran am Wichtigsten ist: ob das Sakrament im katholischen Sinne, der Segen Gottes oder das Zeichen zwischen Euch selbst als Lebenspartner. Im ersteren Falle führt kein Weg am katholischen Pfarrer Deines Vertrauens vorbei - wobei es da, wie im politischen Bereich auch, in der Praxis das ganz breite Spektrum von liberal bis konservativ gibt: Keine Gemeinde ist gleich und auch kein Pfarrer. Gerade in den Theaterjahren habe ich moderne katholische Geistliche erlebt, die problemlos meine schwulen und lesbischen Kolleg*innen "getraut" haben (im Sinne eines geschickt-verschmitzten Ersatzrituals, das sich dann natürlich auch nicht als Sakrament verstand); dagegen ist Dein "Fall" geradezu bürgerlich-traditionell... :lol:
Von evangelischer Seite ist die Ehe eben ausdrücklich kein Sakrament, sondern eine Segenshandlung; man tritt vor Gott. Und dabei ist die Konfession zunächst erst einmal gleich. Für viele Katholik*innen liegt genau hier der Knackpunkt. Wenn Dir das 'genügt', so ist doch gegen eine evangelische Trauung mit katholischer Beteiligung, wie sie Deine Partnerin ins Feld führt, garnichts einzuwenden, da wäre eine Konversion nicht erforderlich. Denn diese wiederum will wirklich wohlüberlegt sein (da stimme ich Pater Norbert zu 100% zu: bloß keine Schnellschüsse!!); denn sie ist auch eine Form der Trennung und somit, wie in Beziehungsdingen, leider meist schmerzhaft.

Ich hoffe, ich konnte ein paar Gedanken beisteuern, ohne tendenziös zu wirken.
Vor allem freue ich mich, dass da Heiratsgedanken im Raum sind. Das ist die eigentlich schöne Nachricht Deines Treads, der mich erstmal jubeln lässt!

Alles Liebe Euch,
Matthias
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tsetse
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Re: Glaubensfrage

Beitrag von tsetse »

Servus, Stefan,
Deine Fragen und Zweifel verstehe ich sehr, sehr gut, sind/waren es doch auch die meinen.
Gemäß den Regeln der katholischen Kirche darf ich seit über dreissig Jahren nicht mehr an der Kommunion teilnehmen und halte mich bis auf ganz, ganz wenige Ausnahmen daran. Beim Glaubensbekenntnis rebelliere ich allerdings und schweige grundsätzlich bei den Worten "ich glaube an die heilige katholische Kirche"...

Trotzdem bin ich nicht ausgetreten. Warum? Kann ich rational nicht erklären.

Ich saß vor vielen Jahren in der Dormitio auf dem Zionsberg und musste während des gesamten Gottesdienstes heulen. Der dicke Knoten im Magen aus Wut, Enttäuschung, Trauer, Verzweiflung und Hilflosigkeit hatte sich plötzlich aufgelöst, und ich spürte, dass ich der katholischen Kirche ihre Reformresistenz verziehen hatte. Diese Institution gibt es seit zweitausend!! Jahren! (Wie kurz ist dagegen doch mein Leben, in zweitausend Jahren kennt mich niemand mehr.) Und hätte sich die Kirche in dieser Zeit jeder gesellschaftlichen Strömung angepasst, würde es sie vielleicht heute gar nicht mehr geben?
Seither bin ich ein bissl stolz darauf, Teil dieser „alten“ Gemeinschaft zu sein. Und wenn ich mich mal wieder über die katholische Kirche oder einen ihrer Amtsträger ärgere, stell ich mir eine uralte Steinmauer vor und hau in Gedanken mit dem Fuß dagegen.
Ich weiss, dass das naiv ist. Aber mir hilft es.

Bei meinen Gesprächen mit Pfarrern / Priestern fand ich zum Glück IMMER ein liebevolles, offenes Ohr und meist den Rat, weniger auf die Regeln und mehr auf mein Gewissen zu hören.

CyrusField hat geschrieben: 12. Jun 2022, 17:50 Gibt es irgendwo, irgendwie eine unabhängige Möglichkeit, meine Fragen loszuwerden?
Schon mal ans Pilgern gedacht? :)

Stefan, wie immer auch Deine oder Eure Entscheidung ausfallen wird – ich drück alle vorhandenen Daumen und Zehen, dass ihr damit nicht nur für die Hochzeit, sondern auch für den Rest eures Lebens zufrieden seid

Christine



Beim Optimismus für die Änderungen innerhalb der katholischen Kirche bin ich übrigens ähnlicher Meinung wie Pilgerbär.
Seit dem 2. Vatikanischen Konzil gilt, dass die Kirche das Volk Gottes ist; alle in der Kirche sind Kirche, also auch wir Laien.

Die Änderungen werden allerdings nicht innerhalb von Monaten oder wenigen Jahren kommen. Zu vieles muss geprüft, bewertet, berücksichtigt, entschieden und ausformuliert werden. Ich gehe von mindestens einem Jahrhundert aus und freu mich, falls ich wider erwarten eine Entwicklung in wenigstens EINEM der mir wichtigen Punkte erleben darf
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Bernie
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Re: Glaubensfrage

Beitrag von Bernie »

tsetse hat geschrieben: 12. Jun 2022, 23:06 Seit dem 2. Vatikanischen Konzil gilt, dass die Kirche das Volk Gottes ist;
Gibt es denn ein Volk, das nicht das Volk Gottes ist? :?:
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Re: Glaubensfrage

Beitrag von tsetse »

Bernie hat geschrieben: 12. Jun 2022, 23:16 Gibt es denn ein Volk, das nicht das Volk Gottes ist? :?:
Ist das eine rhetorische Frage? Oder philosophisch?

Oder nach Lehrmeinung der katholischen Kirche?


Für den letzteren Fall:
Nach meiner Kenntnis galt bis zum 2. Vatikanum der Exklusivismus = Heil und Wahrheit gibt es nur im Katholizismus. Somit gehör(t)en nur Katholiken zum Volk Gottes.
Seit dem 2. Vatikanum gilt der Inklusivismus = in den anderen Kirchen gibt es auch Wahrheiten, der Heilsweg führt aber über Christus.

Da bewege ich mich aber gerade auf arg dünnem Eis, meine Bildung reicht für eine adäquate Antwort nicht aus. Falls Du es genauer wissen möchtest, kann vielleicht einer der Fachleute helfen?
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Re: Glaubensfrage

Beitrag von Bernie »

tsetse hat geschrieben: 12. Jun 2022, 23:50 Ist das eine rhetorische Frage? Oder philosophisch?

Oder nach Lehrmeinung der katholischen Kirche?
Es ist eine Frage eines gläubigen Menschen. :)
tsetse hat geschrieben: 12. Jun 2022, 23:50Für den letzteren Fall:
... Heil und Wahrheit gibt es nur im Katholizismus. Somit gehör(t)en nur Katholiken zum Volk Gottes.
Seit dem 2. Vatikanum gilt der Inklusivismus = in den anderen Kirchen gibt es auch Wahrheiten, der Heilsweg führt aber über Christus.
Da nimmt es doch kein Wunder, wenn der Kirche die Mitglieder weglaufen.
ALLE Denominationen behaupten von sich, den einzigen Weg zu Gott zu bieten.
Zum Glück sieht Gott das ganz anders. :)
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Re: Glaubensfrage

Beitrag von tsetse »

Bernie, ich sehe eine deutliche Öffnung der katholischen Kirche zu den anderen Religionen. Das kann daher sicher nicht der Hauptgrund sein, weshalb jemand aus der Kirche austritt. Aber wahrscheinlich werden wir beide da keinen Konsens finden. Vielleicht pilgern wir uns ja mal über den Weg und können dann bei einem Bier 🍻 weiterdiskutieren.

Stefan, entschuldige bitte die Nebendiskussion 😏
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Matt Merchant
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Re: Glaubensfrage

Beitrag von Matt Merchant »

tsetse hat geschrieben: 13. Jun 2022, 00:25 Stefan, entschuldige bitte die Nebendiskussion 😏
Nuja, an der 'Nebendiskussion' ist der gute Cyrus selber schuld, denn das Thema führt ja unweigerlich zu kontroversen Grundsatzfragen.... ;-)
Aber für konstruktive Dialektik ist das Forum ja da.

Nur finde ich es ganz wichtig, zu bedenken, dass es hier im Forum viele engagierte Katholik*innen und auch katholische Würdenträger gibt, denen die römische Kirche ihr Leben bedeutet - die sich und ihre Arbeit ganz für sie geben und im Zweifel auch für die Skandale nichts können.
Somit ist es wichtig, die kritischen Positionen so zu formulieren, dass hier bitte keine religiösen Gefühle verletzt oder Pauschalbeschuldigungen artikuliert werden.
(Aber bislang war das ja auch nicht der Fall ;-) )

Ich liebe dieses Forum vor allem auch für seine interreligiöse, multispirituelle und ökumenische Dimension. :)
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