Heute geht es los

[Anne136]

Heute Abend fliege ich nach Porto und morgen starte ich einen Camino.

Ich freue mich total, habe ganz viele Bedenken wie es im wahrsen Sinn des Wortes "laufen" wird.
Ich hoffe mit der Hitze klar zu kommen, denn Hitze und Multiple Sklerose passen nicht zusammen, da der Körper dann runterfährt und sich alle bekannten Symptome verstärken - bis man wieder abkühlt.
Die Krankheit ist momentan halbwegs stabil, Corona habe ich gut überstanden, auch wenn es lange gedauert und echt heftig war.
Meine Ärzte haben mir das letzte Feintuning verpasst. Durch die Spastik zieht der linke Arm immer hoch, verzieht die Brustwirbelsäule und die Rippen was zu starken Schmerzen im Brustkorb geführt hat. Dank intensiver manueller Therapie, Physiotherapie, und Spritzen hat es sich in der letzten Woche gut gebessert. Die Fußheberorthese bleibt daheim, weil sie nicht in den Wanderschuh passt und der Fuß durch den hohen Schuh stabilisiert ist.
Ich habe am Wochenende geschafft 17km am Stück zu laufen, nur fehlen hier im Münsterland die Berge.
Den guten, gesunden Zeiten werde ich sicherlich hinterhertrauen, den ich weiß, wie einfach sich meine ersten Caminos angefühlt haben, auch wenn ich mit mir und der Situation im reinen bin und seit 10 Jahren mit der Diagnose lebe, aber es wird nicht besser mit der Zeit.

Ein halbes Notfallkrankenhaus inklusiv Beatmungsmaschine für Nachts ist im 35l-Rucksack untergekommen.
Der Rucksacktransport ist organisiert, die Unterkünfte gebucht, ich habe hilfreichen Kontakt durch einige Hospitalieros bekommen.

Das Pilger ohne Rucksack bei vielen nicht als Pilger zählen finde ich schade, denn ich bin ein Pilger, vielleicht mehr als einige andere.
Ich gehe absolut jeden Schritt bewußt, den sonst geht es nicht.
Aber auch ich kenne das Gefühl, erschöpft bei Hitze auf Mitpilger zu treffen, die locker flockig über den Weg laufen und den Gedanken - die haben es einfach... Aber Toleranz ist für mich auch eine wichtige Eigenschaft - nicht nur unter Pilgern.

Es wird ein schwerer und steiniger Weg für mich, aber ich hoffe, dass es Schritt für Schritt irgendwie geht. Sicherlich werde ich mich irgendwann fragen, was ich da gerade mache und waru ichh mir das antue. Egal wie weit ich komme, es wird mein Weg - so wie ich es mir zutraue und ich es kann.
Der Weg ruft mich ganz laut...

Gruß Anne

[Pooh_der_baer]

Hallo Anne,
wünsche dir einen erlebnisreichen Camino.
Wenn du dich als Pilgerin fühlst, bist du eine.
Du hast für dich die richtige Art und Weise des Weges gewählt.
Rucksack hin oder her. Frühere Pilger hatten auch keine.

[Matten]

Hallo Anne
Natürlich bist Du eine echte Pilgerin. Die Widerstände die Du überwindet, machen das Tragen eines Rucksacks zur Petitesse. Animo
Buen Camino
Bom Caminho
Martin

[firstpilgerin]

Hallo Anne,

nun bist du schon ein paar Tage auf deinem Camino. Wie geht es Dir denn? Schreib doch mal kurz, wenn Du Lust und die Kraft dazu hast.

LG firstpilgerin

[Mirabilis]

Hallo Anne,

alles Gute für deinen Weg.
Es wäre schön, von dir zu lesen.

Ich war 4 mal auf dem Camino, jedesmal mit Rucksack. Wenn ich noch einmal gehe, was ich gerne möchte, muss ich ebenfalls den Rucksack transportieren lassen. Mit ist es mir leider über längere Strecken nicht mehr möglich. Pilger ist man im Herzen, nicht mit äußeren Zeichen.

Bom Caminho
Notburga

[Anne136]

Heute ist mein Tag 8 und ich überschreite nachher die Grenze zu Spanien.
Alles läuft viel besser als gedacht. Ich brauche viel länger als meine Mitpilger für die Etappen, aber ich komme an.
Der Rucksacktransportt ist problemlos, ich würde fast immer ein Bett in der öffentlichen Albergue bekommen, aber da gibt es keine Anlieferung.
Der Aufstieh zum Franzosenkreut war heikel, zusätzlich Regen, aber bevor ich falle - notfalls mit Händen und Füßen statt aufrecht.
Ich bin guten Mutes, gehöre genau so zur Truppe.
Ich bin echt glücklich.
Peregrina Anne

[Simsim]

Das ist ganz wunderbar und sehr berührend, Anne!
Freut mich wirklich sehr für Dich, dass der Camino es so gut mit Dir meint und Dein Mut mit Glück "belohnt" wird .
Dein Zeugnis mag auch für viele andere eine Ermutigung sein, sich auf den Weg zu machen, auch mit Einschränkungen.

[KlausF]

Da kommt echte Freude auf. Weiterhin einen guten Weg.

[Gertrude]

Liebe Anne, das freut mich sehr, dass es so gut klappt! Gratuliere dir zu deinem Mut- den Mutigen gehört die Welt! Ich war schon 4x auf einem Jakobsweg unterwegs - nun plane ich spontan ( so um den 20.06.) es noch einmal zu versuchen und auch den Camino portogues an der Küste zu gehen - vor 10 Jahren war ich dort schon unterwegs- Anne du hast mich motiviert, danke! Ich wünsche dir noch alles Gute und lese gerne deine Beiträge! Lg gertrud

[Bernie]

Der Aufstieg zum Franzosenkreut war heikel, zusätzlich Regen, aber bevor ich falle - notfalls mit Händen und Füßen statt aufrecht.

Damit hast Du den schwierigsten Teil des CP hinter Dich gebracht, denn sonst ist der CP ziemlich flach.
Vanlenca und Tui werden Dich dafür entschädigen.
Mir hat die Kathedrale von Tui übrigens besser gefallen als die von Santiago, was aber vielleicht auch daran lag, daß in Santiago aufgrund von Renovierungsarbeiten sehr viel "eingetütet" war.

[Anne136]

Inzwischen bin ich in Redondela, das Wetter hat sich gebessert.
Am Tag nach dem Franzosenkreuz ging nichts. Vielleicht lag es am schlechten Schlaf, vielleicht am Wetter, an der Anstrengung der letzten Tage, oder... In jeder Bar pausiert, das Laufen war die absolute Katastrophe. Ständig das Gefühl ganz viele Steine im Schuh zu haben die nicht dort waren. Der linke Fuß hat gebrannt wie 1000 Nadelstiche. Irgendwo war eine Massage von den deutschen Betreibern einer Herberge angekündigt. Ich stand da und hab mehr Tränen geheult als es geregnet hat.
Es hieß, die Physios kommen gleich. Dann es gibt gute in Valenca, man hat dort eine Nachricht hingeschickt, man warte auf Rückmeldung und dann rufe man das Taxi.
Nach einer gaaaanz langen Pause und nix Massage ging es mir besser und ich bin weitergelaufen und wurde vom Gewitter eingeholt. Froh es bis Valenca gekommen zu sein humpelte ich nach Spanien, danach ging nichts mehr. Ich weiß nicht wie ich es zur Herberge geschafft habe. Meine Füße haben nur noch geschnappt, mein Fußheber ging nicht. Ich war fest entschlossen am nächsten Tag nach Hause zu fliegen. Leider habe ich von Tui nichs gesehen. Nach der Nacht war ich erholt und bin optimistisch Saniago zu erreichen. Gerade habe ich alles umgebracht und komme so einen Tag eher mit meinen Mitpilgern an. Der letzte Tag wird jetzt die längste Etappe, aber ich schaffe das.
Gruß von Peregrina Anne

[CyrusField]

Gerade habe ich alles umgebracht [...]

Na, das werden wir ja dann heute Abend im TV sehen

Es gibt so Tage, an denen gar nichts geht. Aber sich durchzuringen, eben *nicht* abzubrechen, ist für sich schon eine Leistung.

[KlausF]

Daumen hoch auch von mir.

[Gertrude]

Liebe Anne, ich halte dir fest die Daumen und schicke dir viel Kraft!!!!!

[Anne136]

Ich weiß nicht wie es mir passieren konnte: meine Credencial ist weg. Gestern hatte ich sie noch in der Herberge. Heute ist sie weg. In der Herberge habe ich angerufen, da ist sie nicht. Da ich nur in privaten Herbergen schlafe ist es nicht schlimm zum Einchecken. Die Compostela ist auch kein Problem. Aber schade um die Erinnerungen die an die Stempel gekoppelt sind.
Statt Caldas del Reis kann ich 1,5km vorher die kleine Herberge in Tivo empfehlen. Wir liegen mit Liegestühlen im Bar-Garten, sitzen auf den hohen Barhockern vor dem Pool und kühlen die Beine und was zu essen gibt es unabhängig von der Uhrzeit.
Noch 45km.
Gruß Anne