Re: Nummernsystem im Pilgerbüro
Verfasst: 6. Okt 2019, 21:23
Tja. Wie "ehrlich" diese Urkunde ist... das muss natürlich jeder selber mit seinem Gewissen vereinbaren.Mario d'Abruzzo hat geschrieben: ↑6. Okt 2019, 16:00 Ist denn eigentlich so eine Urkunde wie die Compostela überhaupt noch zeitgemäß? Und ist sie überhaupt ehrlich? Hat eine Mehrzahl der in Santiago de Compostela ankommenden Fernwanderer wirklich als Pilger am Grab des Jakobus des Älteren gebetet? Und hat einer von diesen Pilgern sich mal gefragt, dass es eigentlich völlig unmöglich sein muss, dass die Gebeine dieses Apostel Christi in dem silbernen Sarkophag ruhen? Und muss der spirituelle Glaube an die Frohe Botschaft des Christentums durch ein materielles Überbleibsel bestätigt werden? Ist der gewaltige Aufwand mit dem Pilgerbüro für die Ausstellung der Compostela nicht ein Anachronismus und könnten diese Mittel nicht für eine wirklich spirituelle Pilgerbetreuung besser eingesetzt werden? Wäre das dann aber im Sinne des Tourimus-Gewerbes?
Auch ich habe mir 2008 nach 2.000 km diese Urkunde geholt, auf der mein Namen selbstherrlich ins Lateinische übersetzt worden war. Zu Hause wurde sie schön gerahmt, im Wohnzimmer an die Wand genagelt und 11 Jahre lang nicht mehr angeschaut. Weil ich statt von den Erinnerungen an Hand der Urkunde zu zehren, jedes Jahr bis zu vier neue Fernwanderungen unternommen habe, ohne das Bedürfnis, mir das am Schluss jedesmal schriftlich bestätigen lassen zu müssen...
Mario
Aber das ist vielleicht gar nicht so einfach für zeitgenössische Pilger, die des Lateinischen nicht mehr so mächtig sind, drum möchte ich hier wiedermal eine Übersetzung reinkopieren:(Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/La_Compostela)
Die Urkunde ist auf lateinisch verfasst; die deutsche Übersetzung lautet:
„Das Kapitel dieser segenspendenden Apostel- und Metropolitankirche von Compostela, Hüter des Siegels des Altares des seligen Apostels Jakobus, macht entsprechend seiner Absicht, allen Gläubigen und Pilgern, die aus der ganzen Welt aus frommer Neigung oder zur Erfüllung eines Gelübdes an der Schwelle unseres Apostels, des Patrons und Schutzherren der spanischen Lande, des heiligen Jakobus, zusammenkommen, eine gültige Urkunde zur Bestätigung ihres Besuches auszustellen, hiermit allen und jeden, die in die vorliegende Urkunde Einblick nehmen werden, bekannt, dass Herr/Frau (Vorname und Nachname des Pilgers) dieses hochehrwürdige Gotteshaus aus Frömmigkeit ehrerbietig besucht hat. Zur Beglaubigung dessen überreiche ich ihm/ihr diese vorliegende Urkunde, versehen mit dem Siegel der genannten heiligen Kirche.
Ausgestellt in Compostela den … Tag des Monats … im … Jahr des Herrn (evtl. noch Annus Sanctus – heiliges Jahr)“
Besonders hübsch finde ich (des Lateinischen noch rudimentär mächtig ) die Wendung mit dem AcI (Accusativus cum infinitivo):
... notum facit Fridericum Marium (=Akkusativ!) hoc templum... visitasse (=Kurzform von "visitavisse", Infinitiv Perfekt von "visitare", also: "besucht zu haben") - eine Form, die im Deutschen nur mit einem Nebensatz wiederzugeben ist, siehe obige Übersetzung.
Es handelt sich also nicht um eine selbstherrliche, sondern lediglich um eine korrekte Übersetzung des Namens
Auch in meiner ersten Compostela steht noch "Gertrudem"... aber inzwischen beherrschen viele Aussteller der Urkunde den AcI offenbar nicht mehr (wodurch der ganze Satz eigentlich dann ein Schmarrn wird )
Ehrlich und angemessen ist diese Urkunde wohl in den meisten Fällen nicht. Es geht, denk ich, beim Anstehen um die Urkunde eher um so eine Art Ritual. Ich durfte ja bei meiner ersten Ankunft in Santiago noch meine Finger in die Abdrücke an der Wurzel-Jesse-Säule im Portico legen, und das war mein wichtigstes Ritual. Mich einreihen in das, was Tausende seit tausend Jahren hier getan haben. Und jetzt gehört wohl diese Urkunde und das dafür nötige Anstehen samt "Prüfung" irgendwie "dazu"... so will es mir, wie gesagt, scheinen.
Ich würde mich da nicht mehr anstellen. Aber, wenn so eine Urkunde leicht hergeht, nehm ich sie dann schon mit, so wie neulich in Assisi (dort können die das auch nicht mit dem AcI ).
Gertrudis