Sonntag, 19.5.24 Tussillo nach Rocca di Mezzo, ca. 15 km
Während wir die bereitliegenden Frühstückskekse aus den Plastikfolien wickeln, kommt der Sohn des Hauses und sein Freund, um unsere Pilgerausweise mit dem erbetenen Stempel zu verzieren. Der Freund spricht deutsch und englisch, er hat in Leipzig und in London studiert, und da kommt man natürlich ins Plaudern… Jetzt arbeiten die beiden jungen Männer zusammen bei der Polizei.
Heute geht es erst einmal in vielen großzügigen Serpentinen sechshundert Höhenmeter durch den Wald auf die Hochebene hinauf. Der Weg ist nicht so anstrengend wie befürchtet. Wie wir aus Angelas Buch erfahren, wurde er für Maultierkarren angelegt, und entsprechend trottet man so dahin, lange Strecken von einer Kehre zur nächsten, aber die Versuche, zwischen den Bäumen einen Blick auf den Gran Sasso und das Majella-Massiv zu erhaschen, bleiben ergebnislos – wohl auch, weil der Himmel heute von tiefhängenden Wolken ganz zugezogen ist.
Oben auf der Ebene angekommen, müssen wir tatsächlich unsere Ponchos überstreifen. Tropfend gelangen wir ins Dorf Fonteavignone. Eine Bar wäre nicht schlecht so zur Mittagszeit, ein Plätzchen zum Aufwärmen, doch die Gassen zwischen den grauen Steinhäusern wirken verlassen… Aber halt! Da drüben, ein Mensch! Fragen kann man ja mal… Nun, eine Bar gebe es hier nicht, meint er. Aber ob wir vielleicht Lust auf Pasta hätten?
Wir folgen dem freundlichen Mann um eine Ecke zu einer Art Sportvereinsheim, und da sind bereits andere versammelt. Lauter Männer. Wir werden zu zwei Stühlen am langen Tisch geschoben. Einer, der englisch spricht, Massimo aus Rom, erklärt uns, dass hier lauter Freunde versammelt sind, verbunden durch die Liebe zu diesem Dorf, selbst wenn sie, wie etliche von ihnen, gar nicht von hier stammen. Jedes Jahr treffen sie sich, arbeiten etwas zusammen – heute haben sie eine kleine Mauer gebaut – und dann wird gefeiert. Inzwischen landen Plastikteller auf den Tischen und Plastikbecher, und Weinflaschen in stattlicher Anzahl, die Plätze werden eingenommen, und dann stemmt einer einen enormen Topf auf die Tafel…Penne Carbonara, saulecker. Wir werden selbstverständlich verwöhnt. Als wir pappsatt und schon ein bisschen angeheitert sind, kommt Kuchen und Kaffee und Genziano. Natürlich sagt man da nicht nein, bei so herzlicher Gastfreundschaft, und überhaupt ist heute Pfingstsonntag, ein rechter Freudentag!
Wieder auf dem Weg, durch den Regen. Durch Terranera, ohne anzuhalten, und dann auf einem Radweg neben der Straße dahin. In der Wiese ein fünfeckiges Türmchen, dessen Bedeutung unklar bleibt, vielleicht einfach ein Schmuck für die Landschaft. Wir sind hier, auf knapp 1300 Metern Höhe, in der Jahreszeit ein ganzes Stück zurückgefallen. An den Bäumen sprießen gerade mal die ersten Blätter, und auf den Wiesen blühen Narzissen. Die Narzissen spielen in dieser Ebene um Rocca di Mezzo eine besondere Rolle –am letzten Sonntag im Mai gibt es ein großes Narzissenfest, doch dafür sind wir eine Woche zu früh. Ich laufe durch die nassen Wiesen, um ein paar der zum Glück nun noch nicht gepflückten Narzissen zu fotografieren. Die Landschaft zeigt sich mit den windzerzausten Bäumen und den Wolkenfetzen vor der Bergkulisse wildromantisch, aber wir sind froh, als Rocca di Mezzo in Sicht kommt, ein Platz zum Aufwärmen wäre nun recht.
Das Foyer der Casa Madonna delle Rocche wimmelt von Menschen, ein Rentnerausflug vielleicht. Wir wenden uns an drei schwarzgewandete Herren, die tatsächlich die geistlichen Verantwortlichen für dieses Haus sind und gerade diskutieren, ob es für uns zwei Pellegrini ein Zimmer gebe – da steht wie aus dem Nichts eine sehr resolute Dame in Metzgerschürze mitten in unserer kleinen Runde und klappert mit einem Schlüssel. „Cento Euro. Hundred Euro, das Zimmer, für euch, mit Cena und Collazione.“ Widerspruch ist zwecklos. Mein Einwand, wir wären überhaupt nicht hungrig, bräuchten nichts als ein Bett, 100 Euro wären zu viel für uns Pilger, wird mit einer wirschen Handbewegung weggefegt. „Ohne Essen gibt es nicht. 100 Euro. Ihr kriegt das Zimmer 113“. Was bleibt uns übrig, als klein beizugeben? Zelten ist bei dem Wetter gerade keine gute Option…Zimmer 113 ist ein großer, sehr spartanischer Raum mit vier Betten ehrwürdigen Alters und entsprechend nachgiebigen Matratzen. Es gibt ein Bad von historischem Wert, und gespart wird, wo man sparen kann, an Wasser, Decke, Heizung. Wir wickeln uns in unsere Schlafsäcke, um ein bisschen warm zu werden, bevor wir uns zur Abendessenszeit in den Speisesaal begeben. Jetzt ist das Haus menschenleer, augenscheinlich sind wir die einzigen Gäste. In einem offenen Kamin in der Mitte des Raumes flackert ein Feuer, die Wärme reicht leider nicht bis zu unserem Tisch. Die geistlichen Herren - der süße Kugelmönch, der Alte mit dem Rollator und der dritte Mann speisen am Nebentisch, der Hausdrachen mit der Plastikschürze stellt ihnen Suppe hin, oh ja, warme Suppe hätte ich auch gerne! Aber die ist nicht für uns. Für uns kommt: Pasta, Bolognese, wie sollte es anders sein… Ach wie köstlich war doch die Pasta heute Mittag, und wie satt bin ich noch! Das Etikett der offenen Rotweinflasche auf dem Tisch verspricht etwas Edleres als das, was drin ist, ich bevorzuge in dem Fall das Wasser. Das Secondo Piatto des Pfingstmahls: zwei dicke, weiche, nackte Würste auf einem weißen Teller, dazu einige verwelkte Salatblätter in Essig. Diesen Teil der Mahlzeit lasse ich höflicherweise in meinem Schnappsack verschwinden, vielleicht trifft man morgen ja ein hungriges Straßenkätzchen. Schließlich das Postre: Tiramisu. Das schlucke ich beherzt hinunter, ohne zu viel über das Entstehungsdatum nachzudenken. Während wir noch speisen, sitzt die Matrona mit dem alten Herrn Priester am Kamin, pafft ihren Zigarettenrauch in den Raum und rechnet ihm vor, wie die Geschäfte laufen.
Die interessante Erfahrung dieses gastlichen Hauses verdanken wir dem feuchtfrischen Wetter. Denn eigentlich war der Plan gewesen, bis zum Beginn der Gole di Celano zu wandern, dort das Zelt aufzuschlagen und morgen den vermutlich abenteuerlichen Weg durch die Schlucht zu nehmen…
Auf dem Erzengel-Michael-Weg im Mai 2024
Re: Auf dem Erzengel-Michael-Weg im Mai 2024
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Re: Auf dem Erzengel-Michael-Weg im Mai 2024
Montag 20.5.24 Rocca di Mezzo – Celano ca.16 km
Nach dem Frühstück, welches an sich nicht weiter erwähnt werden muss (außer vielleicht die Fuselflasche, die noch immer den Tisch ziert und wohl hier ihren ständigen Aufenthalt hat), empfängt uns draußen zwar kühles, aber trockenes Wetter, sogar die Sonne lässt sich ein bisschen sehen. Ob das den Tag über so bleiben wird, ist keineswegs sicher, und so finden wir uns damit ab, auf das Schluchtabenteuer zu verzichten und einfach den normalen Weg nach Celano zu nehmen.
Bis wir uns noch etwas im Ort umgesehen und Proviant eingekauft haben, ist es halb elf geworden. Auf dem Dorfplatz kündigt ein Plakat das Narzissenfest an, und kaum haben wir Rocca di Mezzo verlassen, schwelge ich in einem wahren Blütenmeer! Die ganze Ebene ist nicht nur von den weißen Sternenkelchen überzogen, sondern von bunten Frühlingsblüten aller Art, und beim Zurückblicken präsentiert sich nun endlich doch der schneeverzierte Gran Sasso.
Wir wandern auf dem Fahrradweg dahin, in unsere Jacken eingemummelt, der Wind pfeift uns recht frisch um die Ohren. Nach wenigen Kilometern bietet sich in dem Örtchen Rovere in der „Lu Bar“ eine nette Gelegenheit zu einem zweiten Frühstück mit richtigem Kaffee und feinen Panini.
Wo am Rand der Ebene bewaldete Felsenhänge aufsteigen, lässt sich der Eingang zu den „Gole di Celano“ erahnen – wir halten uns jedoch rechterhand und erreichen Ovindoli. Eine Weile sitzen wir auf dem Dorfplatz, schlabbern frischgekauften Joghurt und schauen den Dorfbewohnern zu. Der Weg führt durch ein steinernes Tor in den älteren Teil der Ortschaft, enge, gepflasterte Gassen, unaufdringlich hergerichtete Häuser. Spannend finde ich die an den Hausmauern angebrachten historischen Schwarzweißfotos – Ovindoli im Winter, Menschen in Wolljankern, Pudelmützen und mit Skiern an den Füßen in den verschneiten Gassen. Ovindoli ist ein Wintersportort, glücklicherweise merkt man ihm das nun nicht allzusehr an. Das Dorf endet abrupt an einem Steilhang, und vor uns liegt, tief unten, die Fùcino-Ebene, und an deren Rand, von hier aus freilich nicht zu sehen, unser heutiges Ziel: Celano. Das heißt, die 600 Höhenmeter, die wir uns gestern hinauf gemüht haben, müssen wir jetzt wieder hinunter.
Der Abstieg ist recht direkt, der teilweise geröllige Fußpfad kreuzt immer wieder die Serpentinen der Landstraße. Wir tauchen in den Wald ein, dichtes, grünes Laub, efeuberankte Stämme, blühender Holler, zwischendurch Blick auf Felsen, eine Burgruine, Häuser mit leeren Fensterhöhlen hoch an den Hang geklebt. Die Vegetation nun wieder frühsommerlich, Vogelgesang, Kühe im Wald wie aus einem Märchenbuch. Und plötzlich: Celano, die Stadt auf dem Hügel, gekrönt von ihrer prächtigen Festung.
Hier haben wir eine Unterkunft mit Küche gebucht, und weil dieses Angebot so verlockend preisgünstig war und zudem auf den Fotos so urig aussah, gleich für zwei Nächte. Das Haus ist gar nicht so einfach zu finden, wir laufen erst daran vorbei, aber die Besitzerin erwartet uns mit Rufen und Winken. Ja, urig ist es wirklich, eine ehemalige Mühle, und Elisabetta, eine ganz liebe Frau, hat das Haus mit sehr viel Feingefühl für die ursprüngliche Bausubstanz hergerichtet. Wir sind die einzigen Gäste. Allerdings müssen wir uns erst ein bisschen einrichten, der Winter war lang und der Frühling verregnet, und das hängt noch klamm in den alten Gemäuern. Auch sind die Pfannen und Töpfe nicht mehr das, was ein anspruchsvoller Koch sich so vorstellt. Also lüften, dann die Heizung aufdrehen und ab zum Tigre-Supermercato, wo wir alle Zutaten für ein Festmahl, samt Topf, erstehen.
Morgen werden wir in Celano bleiben, und so können wir den Abend heute gemütlich ausklingen lassen.
(Unser Quartier: EliLu Room, via Gualchiera 65, 55,- Euro pro Nacht für uns, samt großem Aufenthaltsraum/Küche)
Nach dem Frühstück, welches an sich nicht weiter erwähnt werden muss (außer vielleicht die Fuselflasche, die noch immer den Tisch ziert und wohl hier ihren ständigen Aufenthalt hat), empfängt uns draußen zwar kühles, aber trockenes Wetter, sogar die Sonne lässt sich ein bisschen sehen. Ob das den Tag über so bleiben wird, ist keineswegs sicher, und so finden wir uns damit ab, auf das Schluchtabenteuer zu verzichten und einfach den normalen Weg nach Celano zu nehmen.
Bis wir uns noch etwas im Ort umgesehen und Proviant eingekauft haben, ist es halb elf geworden. Auf dem Dorfplatz kündigt ein Plakat das Narzissenfest an, und kaum haben wir Rocca di Mezzo verlassen, schwelge ich in einem wahren Blütenmeer! Die ganze Ebene ist nicht nur von den weißen Sternenkelchen überzogen, sondern von bunten Frühlingsblüten aller Art, und beim Zurückblicken präsentiert sich nun endlich doch der schneeverzierte Gran Sasso.
Wir wandern auf dem Fahrradweg dahin, in unsere Jacken eingemummelt, der Wind pfeift uns recht frisch um die Ohren. Nach wenigen Kilometern bietet sich in dem Örtchen Rovere in der „Lu Bar“ eine nette Gelegenheit zu einem zweiten Frühstück mit richtigem Kaffee und feinen Panini.
Wo am Rand der Ebene bewaldete Felsenhänge aufsteigen, lässt sich der Eingang zu den „Gole di Celano“ erahnen – wir halten uns jedoch rechterhand und erreichen Ovindoli. Eine Weile sitzen wir auf dem Dorfplatz, schlabbern frischgekauften Joghurt und schauen den Dorfbewohnern zu. Der Weg führt durch ein steinernes Tor in den älteren Teil der Ortschaft, enge, gepflasterte Gassen, unaufdringlich hergerichtete Häuser. Spannend finde ich die an den Hausmauern angebrachten historischen Schwarzweißfotos – Ovindoli im Winter, Menschen in Wolljankern, Pudelmützen und mit Skiern an den Füßen in den verschneiten Gassen. Ovindoli ist ein Wintersportort, glücklicherweise merkt man ihm das nun nicht allzusehr an. Das Dorf endet abrupt an einem Steilhang, und vor uns liegt, tief unten, die Fùcino-Ebene, und an deren Rand, von hier aus freilich nicht zu sehen, unser heutiges Ziel: Celano. Das heißt, die 600 Höhenmeter, die wir uns gestern hinauf gemüht haben, müssen wir jetzt wieder hinunter.
Der Abstieg ist recht direkt, der teilweise geröllige Fußpfad kreuzt immer wieder die Serpentinen der Landstraße. Wir tauchen in den Wald ein, dichtes, grünes Laub, efeuberankte Stämme, blühender Holler, zwischendurch Blick auf Felsen, eine Burgruine, Häuser mit leeren Fensterhöhlen hoch an den Hang geklebt. Die Vegetation nun wieder frühsommerlich, Vogelgesang, Kühe im Wald wie aus einem Märchenbuch. Und plötzlich: Celano, die Stadt auf dem Hügel, gekrönt von ihrer prächtigen Festung.
Hier haben wir eine Unterkunft mit Küche gebucht, und weil dieses Angebot so verlockend preisgünstig war und zudem auf den Fotos so urig aussah, gleich für zwei Nächte. Das Haus ist gar nicht so einfach zu finden, wir laufen erst daran vorbei, aber die Besitzerin erwartet uns mit Rufen und Winken. Ja, urig ist es wirklich, eine ehemalige Mühle, und Elisabetta, eine ganz liebe Frau, hat das Haus mit sehr viel Feingefühl für die ursprüngliche Bausubstanz hergerichtet. Wir sind die einzigen Gäste. Allerdings müssen wir uns erst ein bisschen einrichten, der Winter war lang und der Frühling verregnet, und das hängt noch klamm in den alten Gemäuern. Auch sind die Pfannen und Töpfe nicht mehr das, was ein anspruchsvoller Koch sich so vorstellt. Also lüften, dann die Heizung aufdrehen und ab zum Tigre-Supermercato, wo wir alle Zutaten für ein Festmahl, samt Topf, erstehen.
Morgen werden wir in Celano bleiben, und so können wir den Abend heute gemütlich ausklingen lassen.
(Unser Quartier: EliLu Room, via Gualchiera 65, 55,- Euro pro Nacht für uns, samt großem Aufenthaltsraum/Küche)
Zuletzt geändert von Gertrudis am 17. Jan 2025, 23:56, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Auf dem Erzengel-Michael-Weg im Mai 2024
Lieben Dank für deine Berichte Gertrudis.
Aber die Celanoschlucht macht ihr dann doch sicher beim nächstenmal, oder?
Gole di Celano 2016
Pace e Bene
FredMario
Aber die Celanoschlucht macht ihr dann doch sicher beim nächstenmal, oder?
Gole di Celano 2016
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«Der Tourist zerstört das, was er sucht, indem er es findet.»
Hans Magnus Enzensberger (1929 - 2022)
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Re: Auf dem Erzengel-Michael-Weg im Mai 2024
Danke Mario für die Schluchtbilder
Nun, wir waren ja am nächsten Tag auch noch in Celano, und natürlich habe ich es nicht ausgehalten, nicht in der Schlucht gewesen zu sein... meine Schluchtbilder kommen dann demnächst
Beim nächsten Mal schauen wir jetzt erst mal, dass wir beim Erzengel ankommen. Anreise ist schon gebucht, am 3. Juni...
Aber klar. Abruzzen schmecken auf alle Fälle nach einem nächsten Mal
Nun, wir waren ja am nächsten Tag auch noch in Celano, und natürlich habe ich es nicht ausgehalten, nicht in der Schlucht gewesen zu sein... meine Schluchtbilder kommen dann demnächst
Beim nächsten Mal schauen wir jetzt erst mal, dass wir beim Erzengel ankommen. Anreise ist schon gebucht, am 3. Juni...
Aber klar. Abruzzen schmecken auf alle Fälle nach einem nächsten Mal
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Re: Auf dem Erzengel-Michael-Weg im Mai 2024
Klasse. Schluchz...
FredMario
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Hans Magnus Enzensberger (1929 - 2022)
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Re: Auf dem Erzengel-Michael-Weg im Mai 2024
Dienstag, 21. Mai 24
Heute ist unser achter Tag und wir haben schon die Hälfte der für diesmal geplanten Strecke hinter uns. Also ist ein „Ruhetag“ durchaus angemessen… Der Pilger jedenfalls ist recht angetan und freut sich auf eine beschauliche Zeit. Die Pilgerin dagegen spürt ein Zappeln in den Füßen, die wollen sich so gar nicht stillhalten! In dieser Stadt gibt es doch bestimmt viel zu entdecken. Und dann ist da noch die Sache mit der Schlucht. Das wurmt mich schon sehr, dass mir dieses Spektakel entgangen sein soll… aber warum nicht wenigstens ein Stück vom Ende her hineinschnuppern?
Also auf zum Sightseeing, allein. Von unserer Unterkunft aus finde ich einen Fußpfad mit vielen Treppenstufen bis hinauf zur Burg und in den oberen Teil der Stadt. Ganz unerwartet spielt sich das „Leben“ tatsächlich da oben ab in Form von Verkehrschaos und Gehupe rund um den Hauptplatz. Noch ein Stück weiter, ganz oben beim Castello Piccolomini, ist es ruhiger. Zwar habe ich gar nicht vor, dieses kolossale Wahrzeichen der Stadt zu besichtigen, aber die Eintrittskartenverkäuferin hat einen Stempel für meinen Pilgerausweis, und wenn ich nun schon mal hier in den ersten Vorhof eingedrungen bin, kann ich ja gleich noch einen Blick durchs nächste Tor erhaschen…aber da kommt die Wächterin schon aus ihrem Kabuff heraus geschossen – Schauen ohne Bezahlen, das geht ja nun gar nicht.
Also halte ich mich an Kirchen. Zu viele, um sie alle zu besuchen. Die Franziskanerkirche, in der ich eine Spur zu Thomas von Celano, dem Gefährten und Biografen des Heiligen Franz, zu finden hoffe, ist geschlossen. Aber die schöne geschnitzte Tür an dem romanischen Portal von San Giovanni Battista steht offen und ich darf mich an bunten Fresken freuen, die, wie ich lese, dadurch entdeckt wurden, dass beim Erdbeben 1915 der barocke Putz abgefallen ist. Da gibt es eine interessante Szene von der leiblichen Auferstehung der Toten am Jüngsten Tag: während Engel lange Blasinstrumente ertönen lassen, steigen die Toten in ihrer nackten Leibesfülle aus Gräbern oder einfach aus dem Erdboden hervor, und die wilden Tiere, welche einst ihren Hunger mit menschlichen Körperteilen gestillt haben, müssen dieselben nun wieder herausgeben, damit sich Hände, Füße, Kopf und die vielen verstreuten Bröckchen des armen Verspeisten wieder zur vollkommenen Menschengestalt vereinen können…
Und dann interessiert mich natürlich die Kirche Sant´Angelo. Gegenüber der Burg, die fast quadratische Fassade aus mächtigen Steinquadern klar gegliedert durch den halbkreisförmigen Rundbogen über dem Portal und darüber das kreisförmige Fenster gleichen Durchmessers. Ganz oben steht der Erzengel Michael mit dem Schwert in der Hand wie ein Wächter auf einer Burgmauer. Innen ähnelt die Kirche mit ihrer barocken Ausstattung unzähligen anderen, aber die Abbildungen des Erzengels verdienen doch eine nähere Betrachtung, wenn wir schon „mit Flügeln an den Füßen“ unterwegs sind. Dreifach entdecke ich Michael hier drinnen, und er sieht erstaunlich sanft aus. Ein netter Junge mit blonden Locken und Milchgesicht unter dem blechernen Römerhelm. Und ebenso harmlos wirkt das Wesen zu seinen Füßen, das er mit dem erhobenen Schwert bekämpft – einmal ist es ein treuherzig dreinblickender Drache mit Hörnchen und Flügeln, einmal ein getreues Abbild von Urmel aus dem Eis und dann noch ein rosiges gollumartiges Etwas, das an ein gerupftes Hühnchen erinnert – das also ist aus dem Sturz Luzifers geworden, aus diesem kosmischen Drama, in das wir seit Anbeginn verwoben sind, diesem existenziellen Kampf, der um uns und in uns tobt… und den die Menschen doch bemüht sind auf jede erdenkliche Weise zu verdrängen, indem sie ihn verharmlosen und domestizieren wie die Engelpüppchen in dieser Kirche?
Ein Thema, das uns begleiten wird und soll auf unserer Pilgerreise …
Nun ist es aber Zeit, mich auf den Weg zu machen, wenn ich noch etwas von den „Gole di Celano“ erleben will. Einen Aufenthalt gibt es freilich doch noch, als ich an der Werkstatt eines Geigenbauers vorbei komme und ein paar Sekunden zu lang und mit vielleicht einer Spur zu viel Begeisterung im Gesicht vor dem Fenster stehen bleibe… schon bin ich hinein gebeten und in Gefachsimpel und die herzlichste musikalische Plauderei mit dem Meister verstrickt und überrascht, was alles möglich ist, wenn man doch eigentlich gar kein Italienisch kann!
Was mir nicht begegnet, ist ein Lebensmittelladen. Immerhin eine Bar, in der ich eine Flasche Wasser erstehen kann, denn ich bin mit nichts losgezogen und heute ist es zur Abwechslung einmal richtig heiß. Bis zum Beginn der Schlucht sind es drei Kilometer, auf einem einsamen Sträßlein dahin, mit einer kurzen Eselstreichelbegegnung.
Genau dieser Weg wird auch der Beginn unserer morgigen Etappe sein. Dann der Pfad in den Wald hinein, und endlich ins richtig Wilde, über Steinblöcke und zwischen steil aufragenden Felswänden. Weiter als eine halbe Stunde brauche ich nicht hinein zu gehen, ich setze mich einfach hin, staune und erträume mir, wie sich das Abenteuer, dieses außergewöhnliche Naturspektakel zu durchwandern, angefühlt hätte… ja, ich bedauere schon, es nicht getan zu haben, aber jetzt ist es so auch gut.
Der Fritz hat Proviant für morgen eingekauft. Wir klettern noch einmal den steilen Treppenpfad hoch bis zur Burg, denn da gibt es Pizza zum Mitnehmen.
Heute ist unser achter Tag und wir haben schon die Hälfte der für diesmal geplanten Strecke hinter uns. Also ist ein „Ruhetag“ durchaus angemessen… Der Pilger jedenfalls ist recht angetan und freut sich auf eine beschauliche Zeit. Die Pilgerin dagegen spürt ein Zappeln in den Füßen, die wollen sich so gar nicht stillhalten! In dieser Stadt gibt es doch bestimmt viel zu entdecken. Und dann ist da noch die Sache mit der Schlucht. Das wurmt mich schon sehr, dass mir dieses Spektakel entgangen sein soll… aber warum nicht wenigstens ein Stück vom Ende her hineinschnuppern?
Also auf zum Sightseeing, allein. Von unserer Unterkunft aus finde ich einen Fußpfad mit vielen Treppenstufen bis hinauf zur Burg und in den oberen Teil der Stadt. Ganz unerwartet spielt sich das „Leben“ tatsächlich da oben ab in Form von Verkehrschaos und Gehupe rund um den Hauptplatz. Noch ein Stück weiter, ganz oben beim Castello Piccolomini, ist es ruhiger. Zwar habe ich gar nicht vor, dieses kolossale Wahrzeichen der Stadt zu besichtigen, aber die Eintrittskartenverkäuferin hat einen Stempel für meinen Pilgerausweis, und wenn ich nun schon mal hier in den ersten Vorhof eingedrungen bin, kann ich ja gleich noch einen Blick durchs nächste Tor erhaschen…aber da kommt die Wächterin schon aus ihrem Kabuff heraus geschossen – Schauen ohne Bezahlen, das geht ja nun gar nicht.
Also halte ich mich an Kirchen. Zu viele, um sie alle zu besuchen. Die Franziskanerkirche, in der ich eine Spur zu Thomas von Celano, dem Gefährten und Biografen des Heiligen Franz, zu finden hoffe, ist geschlossen. Aber die schöne geschnitzte Tür an dem romanischen Portal von San Giovanni Battista steht offen und ich darf mich an bunten Fresken freuen, die, wie ich lese, dadurch entdeckt wurden, dass beim Erdbeben 1915 der barocke Putz abgefallen ist. Da gibt es eine interessante Szene von der leiblichen Auferstehung der Toten am Jüngsten Tag: während Engel lange Blasinstrumente ertönen lassen, steigen die Toten in ihrer nackten Leibesfülle aus Gräbern oder einfach aus dem Erdboden hervor, und die wilden Tiere, welche einst ihren Hunger mit menschlichen Körperteilen gestillt haben, müssen dieselben nun wieder herausgeben, damit sich Hände, Füße, Kopf und die vielen verstreuten Bröckchen des armen Verspeisten wieder zur vollkommenen Menschengestalt vereinen können…
Und dann interessiert mich natürlich die Kirche Sant´Angelo. Gegenüber der Burg, die fast quadratische Fassade aus mächtigen Steinquadern klar gegliedert durch den halbkreisförmigen Rundbogen über dem Portal und darüber das kreisförmige Fenster gleichen Durchmessers. Ganz oben steht der Erzengel Michael mit dem Schwert in der Hand wie ein Wächter auf einer Burgmauer. Innen ähnelt die Kirche mit ihrer barocken Ausstattung unzähligen anderen, aber die Abbildungen des Erzengels verdienen doch eine nähere Betrachtung, wenn wir schon „mit Flügeln an den Füßen“ unterwegs sind. Dreifach entdecke ich Michael hier drinnen, und er sieht erstaunlich sanft aus. Ein netter Junge mit blonden Locken und Milchgesicht unter dem blechernen Römerhelm. Und ebenso harmlos wirkt das Wesen zu seinen Füßen, das er mit dem erhobenen Schwert bekämpft – einmal ist es ein treuherzig dreinblickender Drache mit Hörnchen und Flügeln, einmal ein getreues Abbild von Urmel aus dem Eis und dann noch ein rosiges gollumartiges Etwas, das an ein gerupftes Hühnchen erinnert – das also ist aus dem Sturz Luzifers geworden, aus diesem kosmischen Drama, in das wir seit Anbeginn verwoben sind, diesem existenziellen Kampf, der um uns und in uns tobt… und den die Menschen doch bemüht sind auf jede erdenkliche Weise zu verdrängen, indem sie ihn verharmlosen und domestizieren wie die Engelpüppchen in dieser Kirche?
Ein Thema, das uns begleiten wird und soll auf unserer Pilgerreise …
Nun ist es aber Zeit, mich auf den Weg zu machen, wenn ich noch etwas von den „Gole di Celano“ erleben will. Einen Aufenthalt gibt es freilich doch noch, als ich an der Werkstatt eines Geigenbauers vorbei komme und ein paar Sekunden zu lang und mit vielleicht einer Spur zu viel Begeisterung im Gesicht vor dem Fenster stehen bleibe… schon bin ich hinein gebeten und in Gefachsimpel und die herzlichste musikalische Plauderei mit dem Meister verstrickt und überrascht, was alles möglich ist, wenn man doch eigentlich gar kein Italienisch kann!
Was mir nicht begegnet, ist ein Lebensmittelladen. Immerhin eine Bar, in der ich eine Flasche Wasser erstehen kann, denn ich bin mit nichts losgezogen und heute ist es zur Abwechslung einmal richtig heiß. Bis zum Beginn der Schlucht sind es drei Kilometer, auf einem einsamen Sträßlein dahin, mit einer kurzen Eselstreichelbegegnung.
Genau dieser Weg wird auch der Beginn unserer morgigen Etappe sein. Dann der Pfad in den Wald hinein, und endlich ins richtig Wilde, über Steinblöcke und zwischen steil aufragenden Felswänden. Weiter als eine halbe Stunde brauche ich nicht hinein zu gehen, ich setze mich einfach hin, staune und erträume mir, wie sich das Abenteuer, dieses außergewöhnliche Naturspektakel zu durchwandern, angefühlt hätte… ja, ich bedauere schon, es nicht getan zu haben, aber jetzt ist es so auch gut.
Der Fritz hat Proviant für morgen eingekauft. Wir klettern noch einmal den steilen Treppenpfad hoch bis zur Burg, denn da gibt es Pizza zum Mitnehmen.
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