Lieber Dirk,dirkHeckflosse hat geschrieben: ↑5. Jan 2024, 08:18 Gibt es für euch einen solchen Ort? Was bedeutet der Ort ür euch und warum ist er wichtig?
"offiziell" sowie werbewirksam vermarktet finden sich ja eine ganze Reihe von Orten auf dem Weg:
- Das Templerkirchlein Eunate bei Puente la Reina, das von manchen Esoteriker*innen als ein vermeintliches Kraftzentrum dieser Welt verehrt wird.
- Das Cruz de Ferro natürlich, das für viele eine Ablass-Funktion erfüllt.
- San Bol mit seinem "wundertätigen Heilwasser" (sowie bis vor wenigen Jahren berüchigt für hippieske Drogen-und Sex-Parties; heute beliebt für kubanische Paella)
- O Cebreiro mit dem "Kelch von Galicien"
- Das Apostelgrab itself (Luther-Zitat: "Man weiß nicht, ob Sankt Jakob oder ein toter Hund daliegt.")
- Finisterre bzw. Muxía am "Ende der Welt"
- ...
Diese Liste ließe sich natürlich noch beliebig fortführen. Die einschlägigen Pilgerfilme wie "The Way" & Co. steuern dann auch zuverlässig jene photogenen Hot Spots an. Einige dieser "Mythen", wenn wir wirklich den Begriff verwenden wollen, erweisen sich dabei als garnicht mal so alt wie sie scheinen: Über das Cruz de Ferro wurde ja bereits debattiert. Aber auch San Bol u.a. sind vor allem gute Werbe-Finten neueren Datums.
Wie generell, wenn man es nüchtern betrachtet, die Wiedererweckung des Camino vor rund 30 Jahren - ganz profan und unspirituell - ein großes gezieltes Tourismus-Förderungsprojekt für strukturschwache Regionen war.
Als im eigentlichen Sinne spirituell sind demgemäß weniger jene Ort, zu betrachten, welche von den Pilger*innen mit der Erwartugshaltung aufgesucht werden, dort Transzendentes zu erleben. Manche pilgern beispielsweise mit dem Kerkeling in Händen und versuchen, dessen Erfahrungen nachzuempfinden. Gut, Hape hatte irgendwo zwischen Hospital de Orbigo und Astorga seine "Gottesbegegnung"... Und gewiss sind manche Pilgesleute dann enttäuscht, wenn sich genau das dort bei ihnen eben nicht ereignet... Umso schöner, wenn jede*r Pilgerne dann irgendwann das eigene hörende Herz findet, um die ganz eigenen, individuellen und unverwechselbaren Camino-Erfahrungen zu machen; die eigenen Transzendenz-Orte zu finden.
Bei mir sind das beispielsweise
- Der Cristo de Burgos in der frei zugänglichen Seitenkapelle der Kathedrale von Burgos. Der dort seit Jahrhunderten hängt, in seinem possierlichen spanischen Röckchen, und sich ruhig meine und anderer Leute Ängste und Sorgen anhört. Ich kann ihm gut mein Herz ausschütten.
- Der Santiaguino do Monte auf dem Portugues, wo ich das seltene schöne Ruhe-Gefühl erlebte, dass die Zeit stehenbleibt.
- Die Dorfkirche von La Faba mit ihrer rustikal-bäuerlichen Madonna und der herrlich leeren Heiligen-Ecke oben links, wo man seine eigene Wünsche und Gebete hineinlegen kann...
- Die Liebe in Granon
- Der Liebeskummer in Burgos
- Die Erotik von Triacastela
- Die stille Einfalt und edle Größe der Krypta von Rocamadour auf der Via Podiensis...
- ...
All diese Orte sind mir kostbarer als jene Instagram-tauglichen Hot-Spots, die mir als "Mythen" aufoktroyiert werden...
Alles Liebe,
Matthias