Fotos & Filme □ wichtig oder nichtig?

[Via Comitis]

Ich habe sogar schon erlebt, dass andere Pilger ungehalten bis genervt reagiert haben, wenn ich sie beim mich und andere fotografieren oder filmen stoppte....und ihnen versuche klarzumachen, dass ich gefragt werden möchte, bevor ich in irgendeinem Netzwerk öffentlich erscheine...grrrr [Thread]

Interessant. Wäre eigentlich ein eigenes Thema.
Was bewegt Pilger, ihre Erlebnisse für die Öffentlichkeit zu dokumentieren?
Unzählige, großteils sehr langweilige und qualitativ fragwürdige YouTube-Filmchen, worin "jeder" seinen Camino ins Netz stellt, dazu noch tonnenweise Blogs und sonstige Medienauftritte....aber klar, das gilt ja für alle Lebensbereiche...alles wird öffentlich gemacht, jeder (der so agiert) will Aufmerksamkeit über das Internet....aber wozu?
Jedenfalls wozu als Pilger?

Ich glaube ehrlich gesagt sehr wohl, dass das Erleben des Pilgerns geschmälert wird, wenn man ständig mit so einer Halterung rumläuft, in die Kamera spricht....und dabei die realen Menschen ignoriert, die einem am Weg begegnen (hab ich letztes Jahr vermehrt so gesehen, immer wieder auch Leute, die schon beim Aufwachen in ihre Kamera plappern....). Ich finde es auch sehr nervig, wenn jedes gemeinsame Essen xfach fotografiert werden muss und sobald man mal den Mund zum Singen öffnet, wird gefilmt.
Wenn ich dann sage, dass ich nur weitersinge, wenn die Kameras verschwinden, verlieren viele das Interesse, anstatt den Moment einfach nur zu erleben.
Aber wie gesagt, eigentlich ein ganz anderes Thema. Ein für mich allerdings sehr wichtiges, denn ich bin dabei, genau deswegen das Pilgern stark einzuschränken oder ganz aufzugeben, jedenfalls auf den stärker frequentierten Wegen. Mir geht dieses Medienverhalten existentiell auf den Geist. (koch, brodel, mich in Rage geschrieben hab.. ) [Thread]

@Simsim

Danke Simone, auch für mich ist's ein Ärgernis - ich möchte dies bzgl. den Kirchen ergänzen.

In manchen Kirchen fällt es mir schwer zu beten, denn die anwesenden Touristen benehmen sich wie in einem Museum. Es werden Bilder und Filme gemacht, ohne auf Betende Rücksicht zu nehmen - es fehlt ein respektvolles Verhalten in der Gegenwart von Gläubigen.

... Aber ich frage mich auch, ob die Herbergsbetreiber, die ihre Pilger:innen singend, schmatzend und plaudernd in den sozialen Netzwerken zeigen, die gefilmten und fotografierten Pilger:innen auch fragen, ob es in Ordnung ist. ... [Thread]

"Ist es nicht schade, dass wir die schönsten Momente durchkreuzen, indem wir unsere Smartphones raus wühlen? ... Und im nächsten Schritt greift Instagram ins Gefüge ein und ködert uns mit dem berauschenden Gefühl: Du bist spannend, wenn dein Leben es ist. Und ob dein Leben spannend ist, entscheiden deine Follower per Like. ... Mit solchen Smartphones in der Tasche scannen viele ihren Alltag nur noch nach Foto- und Videomotiven ab. Und verpassen ihr Leben. Weg von der Knipssucht."


Gruss

Stefan

[Simsim]

Ja, der Artikel über die Knipssucht bringt es auf den Punkt.
Ich habe irgendwie die Hoffnung, dass sich das Ganze eines Tages totläuft, weil Menschen merken, dass sie sich immer mehr vom eigentlichen Erleben entfernen und das Leben nunmal nicht auf dem Bildschirm stattfindet.

Noch eine Nummer schlimmer als die Smartphones, sind für mich die Drohnen.....ich begreife nicht, dass diese Geräte offenbar z.b. auf dem Camino einfach so benutzt werden dürfen (ist das so?). Ich fühle mich jedenfalls wirklich terrorisiert von den Dingern.
Bin z.b. gerade in Conques, da sirrren regelmäßig diese Teile mit ihrem scheußlichen Geräusch über die stillen Gassen und über die Landschaft drumherum....ein Horror, finde ich. Nicht mal in Ruhe pipimachen kann man mehr, verborgen hinter einem Busch, ohne dabei vielleicht gefilmt zu werden.

Ps: und ja, auch heute mal wieder, während der Palmsonntagsmesse, hatten doch tatsächlich welche die Stirn, trotz eindeutiger Hinweisschilder, in der Kirche mit ihren piepsenden Fotoapparaten rumzulaufen und laut zu flüstern, während wir still dem Evangelium der Passion Jesu lauschten. Aber irgendwie passt das ja sogar zusammen.....die Ignoranz der Heiligkeit und die völlige Abwesenheit von Feingefühl war und ist ja schließlich Teil des Passionsgeschehens...

[Pilgerbär]

Erlebe ich, bis auf das Filmen, jeden Sonntag. Ich kann überhaupt nicht nachvollziehen warum ich in eine Messe gehe und einfach nur ein Störfaktor bin. In der Messe gestern habe ich meinen Palmzweig und das Gotteslob auf die Bank gelegt. Da die Messe vor der Kirche anfängt, bin ich dann natürlich wie alle anderen auch noch einmal hinaus gegangen.

Als wir in die Kirche eingezogen sind, musste ich feststellen, dass das Gesangsbuch weg war und ein älterer Herr vor mir darin rumblätterte. Der Mann hat noch nicht einmal seine Mütze abgenommen...respektloser geht es einfach nicht mehr. Wahrscheinlich "musste" er seine Frau begleiten, gesehen habe ich die beiden bisher jedenfalls noch in keiner Messe.

Das Gesangbuch blieb dann natürlich auch in der Bank liegen....klar, woher soll er wissen wo es eigentlich hingehört?

Was ich damit sagen möchte, nicht nur unsere Jugend mit ihrem onlinewahn gehen mir manchmal gehörig auf die ....Nerven.

[Shabanna]

Als wir in die Kirche eingezogen sind, musste ich feststellen, dass das Gesangsbuch weg war und ein älterer Herr vor mir darin rumblätterte. Der Mann hat noch nicht einmal seine Mütze abgenommen...respektloser geht es einfach nicht mehr. Wahrscheinlich "musste" er seine Frau begleiten, gesehen habe ich die beiden bisher jedenfalls noch in keiner Messe

Hm, jetzt habe ich das 3 x gelesen und noch immer nicht verstanden, wo hier dein Problem war.

Und was die Mütze und die Frau des blätternden Herrn mit dem Ganzen zu tun haben, erst recht nicht.

Aber okay, vielleicht ist das heute einfach nicht mein Tag

LG,
Andrea

[Pooh_der_baer]

Hallo,

der Camino ist ein Hotspot wie so viele Gegenden/Orte dieser Welt.
Mensch muß anderen Menschen mitteilen, siehe ich war auch hier.

Es sind in der Zwischenzeit schon einige Bereiche geschlossen worden, da die Natur durch die Internetveröffentlichsüchtigen stark geschädigt wurde.
Manche unbekannnten Gegenden/Orte wurden erst bekannt, als die Internetveröffentlichsüchtigen ihrer Sucht nachkamen.

[Torsten]

Ich habe irgendwie die Hoffnung, dass sich das Ganze eines Tages totläuft, weil Menschen merken, dass sie sich immer mehr vom eigentlichen Erleben entfernen und das Leben nunmal nicht auf dem Bildschirm stattfindet.

Steile These von der Beitragskönigin des Forum

Nicht mal in Ruhe pipimachen kann man mehr, verborgen hinter einem Busch, ohne dabei vielleicht gefilmt zu werden.

Gibt überdachte Örtlichkeiten für sowas

[Peregrino Klaus]

Lieber Torsten,
was du da von dir gibst finde ich schon anmaßend. Ist für dich Privatsphäre nicht wichtig. Mir geht das mediale Getöse auf den Pilgerwegen auch ganz gehörig auf den Geist. Deswegen vermeide ich es auf überlaufenen Wegen zu pilgern. Die These von Simone finde ich überhaupt nicht steil. Macht es dir nichts aus beim pinkeln gefilmt zu werden? Es gibt eben selten überdachte Örtlichkeiten auf den Wegen. Ein Wort an Simone. Liebe Simone mache bitte weiter mit deinen sehr hilfreichen und weisen Beiträgen. Ich würde Diese sehr vermissen.

[Pilgerbär]

Als wir in die Kirche eingezogen sind, musste ich feststellen, dass das Gesangsbuch weg war und ein älterer Herr vor mir darin rumblätterte. Der Mann hat noch nicht einmal seine Mütze abgenommen...respektloser geht es einfach nicht mehr. Wahrscheinlich "musste" er seine Frau begleiten, gesehen habe ich die beiden bisher jedenfalls noch in keiner Messe

Hm, jetzt habe ich das 3 x gelesen und noch immer nicht verstanden, wo hier dein Problem war.

Und was die Mütze und die Frau des blätternden Herrn mit dem Ganzen zu tun haben, erst recht nicht.

Aber okay, vielleicht ist das heute einfach nicht mein Tag

LG,
Andrea

Weil Simsim von Respektlosigkeit als quasi neumodische Erscheinung gesprochen hat, wollte ich nur darstellen, dass ich ziehe den Beitrag zurück dieses Problem nicht nur in den Händen der jungen Medien liegt...ansonsten hast du schon recht...unglücklich hindrapiert.

Ich ziehe den Beitrag zurück

[Pilgerbär]

Ich habe irgendwie die Hoffnung, dass sich das Ganze eines Tages totläuft, weil Menschen merken, dass sie sich immer mehr vom eigentlichen Erleben entfernen und das Leben nunmal nicht auf dem Bildschirm stattfindet.

Steile These von der Beitragskönigin des Forum

Nicht mal in Ruhe pipimachen kann man mehr, verborgen hinter einem Busch, ohne dabei vielleicht gefilmt zu werden.

Gibt überdachte Örtlichkeiten für sowas

Na dann mal Toi Toi Toi beim finden meine Blase jedenfalls wartet IMMER bis nichts entsprechendes in Sicht ist..

[chrisbee]

Den Augenblick festhalten. Darum geht ja wohl beim Knipsen. Für einen Moment lang wird die Zeit stillgestellt - für etwas, das es mir wert ist. Was man später damit anfängt - social media, Diavortrag, Fotoalbum oder Bilderrätsel im Pilgerforum - ist ein anderes Thema, nämlich der Nützlichkeit. Würden Fotos nicht der Kommunikation oder eigenen Erinnerung, der Selbstwahrnehmung und dem Sichtbarmachen dienen, würde niemand sie machen.

Ich habe mich mal gefragt, was wohl ein Mensch wie JW Goethe von der Knipserei hielte. In einem kleinen Büchlein „Ferienmüde“, (das der österreichische Kulturhistoriker Valentin Groebner noch während der Lockdown-Zeit geschrieben hat) erzählt er von Goethe, der 1786 nach einem Besuch der Sixtinischen Kapelle mit Bedauern notierte, dass Reproduktionen von Kupferstichen nur einen unvollständigen Eindruck vom Original geben würden: „Wäre nur ein Mittel, solche Bilder in der Seele recht zu fixieren!“. Groebner schreibt: „Ein halbes Jahrhundert später war sie dann da, die Technologie zum Festhalten der starken Eindrücke auf Reisen.“

Goethe wie viele andere malten selbst und malten und malten und wendeten dafür sehr viel Zeit auf. In der Zeit, die man heute mit Fotos spart, kann man ganz viele Fotos machen und gleichzeitig posten usw. Ob ihm das gefiele?

Gut möglich, dass sich bei diesem Dauer-Multi-Tasking die „tiefen Eindrücke“ verflachen und die Reizbarkeit allgemein wächst, weil alle irgendwie mit reingezogenen werden und sich immer häufiger die Sinnfrage stellt.

Es gibt wohl Parallelen zu der Alternative Gehen oder ins Flugzeug steigen, um Santiago zu erreichen. Es einmal im Leben zu tun - oder nach Lust und Laune und Urlaubsplan. Seine Freiheiten sinnvoll zu nutzen, wird wohl immer schwieriger.

chrisbee

[CyrusField]

Ich persönlich finde, Bilder zu schießen, für meine persönlichen Erinnerungen immens wichtig. Erinnerungen verblassen mit der Zeit, aber Dank meiner Bilder kann ich sie immer und immer wieder auffrischen.

Aber heutzutage machen viele Menschen aka. "Influencer" & Co. Fotos und Bilder ja nicht mehr für sich selbst, sondern um sich selbst darzustellen. Um nicht zu sagen: Anderen zu zeigen, wie toll man ist. Oder um verkappt Werbung zu machen - "Wollt Ihr auch so tolle Schuhe wie ich auf diesem Bild, dann klickt auf den Link..." Das Bild oder das Filmchen ist nur noch Mittel zum Zweck.

Wenn ich selbst fotografiere, auchte ich sehr darauf, möglichst keine anderen Menschen mit drauf zu haben, so es sich denn einrichten lässt. Vielen schieint das aber ziemlich egal zu sein. Aber wehe, man sagt dann etwas, wenn man selbst nciht fotografiert werden möchte. Dann fühlen diese Menschen suich ganz schnell in ihrer persönlichen Freiheit eingeschränkt.

Ich bin weit weg davon, zu sagen "Früher war alles besser". Aber schon, in diesem Punkt vielleicht. Es gab keine Handykameras und ein 36er (Farb)Film war viel zu teuer, um wahllos einfach drauflos zu fotografieren. Von den Kameras ganz zu schweigen. Damals wollten halt selbst Schnappschüsse gut überlegt sein.

Also: Wichtig oder nichtig?
Antwort: Kommt drauf an - nämlich mit welcher Intention ein Bild geknippst wird.

Frohe Ostern, buen Camino!

[Steven]

Eine überbordende Knipserei bzw. fehlende Achtsamkeit habe ich vereinzelt auf dem Camino Francés erlebt. So zum Beispiel in der Einsiedelei San Nicolás, dort wird der mittelalterliche Brauch der Fußwaschung gelebt. Interessanter Ort, ein Pilgerhospiz aus dem 12. Jahrhundert, das von einer italienischen Jakobusgesellschaft aus Perugia wiederaufgebaut / renoviert wurde*. Jedenfalls wollten dann Pilger während der Fußwaschung Bilder machen und ein Video drehen (...). Das wurde freundlich untersagt und später beim Essen ging das mit der Knipserei leider weiter.

Prinzipiell finde ich das nicht okay wenn ungefragt Menschen geknipst und gefilmt werden und dann noch fast in Echtzeit irgendwo gepostet wird. Nichtsdestotrotz habe ich gewusst, was mich mitunter auf dem Camino Francés erwartet und das hat sich dann auch bestätigt. Warum sollte sich die Technik, der Zeitgeist und die Welt auf dem Klassiker der Pilgerwege ändern? In jüngeren (unachtsameren) Jahren hätte ich eventuell ebenso Bilder ungefragt und in upassenden Situationen knipsen wollen.

Mit einer gewissen Perspektivübernahme kann ich das relativ gelassen sehen. Bilder habe ich ja selbst viele gemacht, allerdings habe ich zB bei Mitpilgern nachgefragt, sofern diese mit abgelichtet sind und zumeist haben mich eher Naturaufnahmen und historische Gebäude interessiert. Handy im Flugmodus, interessante Aufnahmen knipsen und manchmal abends easy über WLAN in die Cloud legen (für die Partnerin und 3 Freunde). Kein hoher Aufwand und ich sehe mir die Aufnahmen hin und wieder ganz gerne an.

Ist zwar OT, ich schreib's trotzdem hier hin:

Sinnbildlich sind mir nach dem Camino eh Blümchen hinter den Ohren gewachsen und ein wenig glückliche Melancholie ist für mich genau das Richtige.

Apropos: Was lagen doch für schöne Sprüche in San Pedro de la Rúa aus:

(...) Selig seist Du Pilger, wenn Du feststellst, dass der Weg Dir die Augen öffnet und Du sehen wirst, was man nicht sehen kann und was ich mittlerweile verstehe: Selig seist Du Pilger, weil du entdeckt hast, dass der wirkliche Weg da anfängt, wo der Jakobsweg aufhört.

Bon Camino, Steven

* http://www.confraternitadisanjacopo.it/

[Gertrudis]

Zugegeben - ich knipse auch gern ein paar Fotos, um nach dem Weg der Erinnerung auf die Beine zu helfen.
Aber eigentlich mache ich lieber "Bilder". Das braucht Zeit, und ich muss mich ein bisschen mit dem Motiv befassen und auch ein bisschen an den Rädchen meiner Kamera herumdrehen, und wenn das Bild gelingt, erfreut es mich später als Kalender- oder Hintergrundbild.
Früher, also vor 2000, habe ich keine Kamera mitgenommen. Ich wollte mich damals mit nichts belasten. Heute bereue ich das, denn den Camino von damals gibt es nicht mehr. Kartoffelernte mit Kühen vor hölzernem Pflug, schwarz gekleidete Frauen mit Milchkanne auf dem Kopf...das ist unwiederbringlich Geschichte und wäre es schon wert gewesen, dokumentiert zu werden...

Warum aber heutzutage Dinge knipsen oder filmen, die man inzwischen eh hundertfach im Internet anschauen kann? Ein eigenes Video vom Botafumeiro? Warum ? Das verstehe ich nun nicht...

[Kick2007]

Ola,

Ein gutes Foto ist ein Foto, auf das man länger als eine Sekunde schaut.
– Henri Cartier-Bresson –

Ich habe festgestellt, dass mir von den unzähligen Fotos vom Camino einige wenige sehr wichtig sind. Beim Betrachten des Fotos ist man dann in der Erinnerung an die Situation und im Gefühl, welches Freude, Wehmut, Trauer, Sehnsucht aber auch Inspiration sein kann.

meint Kick

[Pilgerbär]

Ich hoffe schon, dass ihr das eine oder andere Foto macht. Schließlich habe ich große Freude am Bilderrätsel....