tsetse hat geschrieben: ↑29. Sep 2019, 17:58
Für mich war mein erstes Ankommen im Großstadttrubel von Santiago ein Schock und eine Enttäuschung. Das soziale Netz, um die Pilgergemeinschaft noch ein wenig weiterleben zu können, war entweder zu gering, oder ich hab es nicht gefunden. Daran scheint sich seither nicht viel geändert zu haben; ich habe im August viele Erstpilger getroffen, die sich genauso gefühlt haben.
Die Personen, die an den angedachten 10-20 Schaltern mit kritischem Blick Credentials bewerten sollen, sähe ich in Santiago lieber bei zusätzlichen, zwischenmenschlich wertvollen Angeboten.
Ich erinnere mich an ein Gespräch in Santiago innerhalb meiner Primitivo-Pilgertruppe, in dem es genau um dieses Thema ging.
Die, die schon mehrere Santiago-Erfahrungen hatten, meinten unisono, dass du das starke soziale Netz VOR der Ankunft in Santiago aufgebaut haben musst. Hast du das aus irgendwelchen Gründen nicht gemacht oder nicht geschafft oder verloren, wirst du es in Santiago nur schwer finden. Verbindungen sind auf dem gemeinsamen Weg gewachsen und von diesen Verbindungen lebt auch die Zeit von der Ankunft in Santiago bis zur Abreise.
Pilgerseelsorge in Santiago (von welcher Seite auch immer) ist für allein ankommende Pilger ein lieb gemeintes Angebot, am Ende war Ich sehr enttäuscht davon. Ich saß mit anderen Pilgern in einem Stuhlkreis, die ehrenamtlichen Seelsorger waren sehr bemüht, die Runde zu einem Austausch zu motivieren. Die einzige, die was gesagt hat, war ich. Ich kam mir ziemlich bescheuert vor
Nach 10 Min. löste sich die Gruppe auf. Anfangs dachte ich, dass das ein Einzelfall war. Inzwischen haben mir andere Pilger einen ähnlichen Ablauf bestätigt.
Aufm Primitivo war es bei mir so, dass ich schon auf der zweiten Etappe quasi genötigt wurde
, einer Primitivo-Pilger-Whatsapp-Gruppe beizutreten. Ich mag sowas eigentlich nicht. Aber an diesem feuchtfröhlichen Abend ließ ich mich dazu überreden. Etwas Besseres hätte mir nicht passieren können.
Jeder von uns ging seinen eigenen Weg in Freiheit, aber jeder wusste immer, wo die anderen ungefähr waren und abends wusste man immer, wo man jemanden aus der Truppe finden konnte. So waren wir immer wieder in locker wechselnder Besetzung unterwegs. Es war immer ein Kann, nie ein Muss. Und so wuchsen wir zusammen und obwohl wir ab Melide zunehmend verstreut waren und nicht alle gleichzeitig in Santiago angekommen sind (ich will sowieso alleine ankommen) - war klar, dass wann immer zwei oder drei von uns irgendwo in Santiago versammelt waren (
), die anderen darüber informiert wurden. Es war dann immer ein großes Hallo, wenn wieder einer dazustieß. Und es war weltbeste Pilgerseelsorge.
Digitalisierung hin oder her - ohne die WhatsApp-Gruppe wäre das so vermutlich nicht möglich gewesen.
Ich weiß, dass dies auch ein bisschen Primitivo- oder Nebensaison-spezifisch sein mag. Dort lassen sich solche locker wachsenden Bande mit einer Truppe von 15 bis 20 allein pilgernden Leuten gut knüpfen. In der Hochsaison aufm Frances ist es dazu sicher zu unübersichtlich. Ich bin selbst gespannt, ob ich etwas in der Art nochmals erleben werde. Für mich war's ein großes Geschenk und diese Pilgergemeinschaft hat den Primitivo zusammen mit einigen anderen Koeffizienten zu meinem besondersten Weg ever gemacht.
LG,
Andrea