Digital Detox beim Pilgern

Allgemeine Diskussionen zur Pilgerei und ihrer Geschichte
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Strell
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Digital Detox beim Pilgern

Beitrag von Strell »

Wie ist eure Meinung zum Thema "Digital Detox" beim pilgern?

Ich habe mir jetzt schon diverse Apps (Camino Ninja, Buen Camino, Frances, ...) auf mein Handy gepackt, in welchen mir alle Orte mit allen Herbergen angezeigt werden inklusive Telefonnummern, Link zur Website oder Booking.com. Wo ich meine Route auch schon komplett planen kann mit allen Entfernungen, Höhenprofil etc.

Hatte mir zwar vorgenommen auf dem Weg definitiv das Handy wegzupacken und höchstens für Fotos zu benutzen, aber dennoch abends auch per Skype mit meiner Frau und meinem 3-Jährigen Sohn zu Video-telefonieren und dann wahrscheinlich auch so die üblichen verdächtigen im Netz abzuklappern.

Jetzt habe ich gerade den Podcast von Marcus Poschlod mit Raimund Joos als Gast gehört, was mich etwas zum nachdenken anregt.
Raimund war sehr entschieden gegen eine "Digitalisierung" des Pilgerns, weil dadurch sehr viel davon verloren geht, was das Pilgern eigentlich ausmacht. Wenn du die Erlebnisse des Tages mit deiner Familie per Skype oder WhatsApp besprichst, dann tust du das nicht mehr so intensiv (wenn überhaupt) mit anderen Mit-Pilgern. Wenn du deine Unterkunft anhand von Booking-com-Bewertungen aussuchst, fragst du nicht die Hospitaleros oder andere Pilger. Wenn du immer direkt alles vor buchst, dann lernst du nicht die Gelassenheit, dass es auch ohne Planung schon immer alles gut werden wird. ... Und da waren glaube ich noch mehr Beispiele.

Wie sehr nutzt nutzt ihr die Vor- und Nachteile des Internets während des Pilgerns?
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Pater Norbert
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Re: Digital Detox beim Pilgern

Beitrag von Pater Norbert »

Das eine tun und das andere tun können.

Wir haben die Diskussion gehabt: Anmelden, weil gewünscht oder sich treiben lassen.

Wer sich treiben lassen wollte, hat es getan und es auch oft erfolgreich getan. Und dann kamen die Probleme, wo es dann doch hilfreich war.

Für mich allein habe ich mich auch gern treiben lassen, weil ich notfalls auch das *** Hostal zahlen konnte.
Aber ich bin auch mit Leuten Low Budget unterwegs gewesen und habe da gern die eine oder andere App oder meine persönliche Bekanntschaft genutzt. Nach 32 Wegen kenne ich den Einen oder die Andere.

Aber wenn ein Forenmitglied mir sagte: Ich kriegte 4 Tage vor Santiago nur noch eine 150 € Bleibe, kann ich die Augen vor den digitalen Freunden nicht verschließen.
Wer pilgert, wird von einem Virus infiziert, das nicht vergeht.
Gemerkt im März 2022. Avatar stammt aus Juni 2023.
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Frau Holle
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Re: Digital Detox beim Pilgern

Beitrag von Frau Holle »

Letzte Jahr war ich von Ende November bis Mitte Dezember auf dem Portugues und war fast jeden Tag allein, auch in den Herbergen. Da war ich ehrlich gesagt ganz froh mein Smartphone gehabt zu haben. Ich konnte so Podcasts und Hörspiele hören, mit meinen Freunden Kontakt halten und abends auch mal Videos schauen.
Und es war für die Suche nach Unterkünften unerlässlich, da es nicht so einfach war eine geöffnete und beheizte Herberge zu finden (ich hatte leider einen Fehlkauf beim Schlafsack und es zu spät gemerkt).

Wenn ich mit anderen Pilger:innen zusammen bin ergibt es sich eigentlich automatisch, dass man recht wenig am Handy ist. Die Siesta nach der Ankunft, die viele gern im Bett verbringen bietet sich an mal etwas aufs Handy zu schauen, aber ich habe damit keine problematischen Erfahrungen gemacht.
Wer in der Herberge viel am Handy und wenig im Kontakt mit dem Mitmenschen ist möchte in der Regel wohl in Ruhe gelassen werden. Es gibt ja viele Pilger:innen, die keinen Anschluss, keine feucht- fröhlichen Abende oder Caminofamilien suchen.

Wenn du also Anschluss möchtest wirst du deine Handyzeiten schon anpassen.
Wenn du mit anderen Essen gehen möchtest würde ich die empfehlen die Skypetermine mit der Familie vor 19 Uhr zu erledigen, damit du nicht während des Essens weggehen musst.

Ob eine akribische Routenplanung und Vorbuchen notwendig ist wirst du erst erfahren wenn du da bist, da sich die Lage quasi täglich ändert und es auch davon abhängig ist ob man gerade in einer Welle mitläuft oder nicht (zB in der, bei der alle am Samstag in SJPDP ankommen und am Sonntag starten) und ob du die Hauptorte zum übernachten ansteuerst oder nicht. Wer kutz vor oder hinter Leon übernachtet wird bspw weniger Probleme haben ein Bett zu finden. Aber das zeigt sich alles auf dem Weg.

Und du kannst auch jede App einfach ignorieren oder auf dem Weg installieren, das muss jetzt alles noch gar nicht feststehen.
u l t r e i a
Gerhard Nikolaus
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Re: Digital Detox beim Pilgern

Beitrag von Gerhard Nikolaus »

Strell hat geschrieben: 19. Jun 2022, 22:44 Wie ist eure Meinung zum Thema "Digital Detox" beim pilgern?

Jetzt habe ich gerade den Podcast von Marcus Poschlod mit Raimund Joos als Gast gehört, was mich etwas zum nachdenken anregt.
Raimund war sehr entschieden gegen eine "Digitalisierung" des Pilgerns, weil dadurch sehr viel davon verloren geht, was das Pilgern eigentlich ausmacht. Wenn du die Erlebnisse des Tages mit deiner Familie per Skype oder WhatsApp besprichst, dann tust du das nicht mehr so intensiv (wenn überhaupt) mit anderen Mit-Pilgern. Wenn du deine Unterkunft anhand von Booking-com-Bewertungen aussuchst, fragst du nicht die Hospitaleros oder andere Pilger. Wenn du immer direkt alles vor buchst, dann lernst du nicht die Gelassenheit, dass es auch ohne Planung schon immer alles gut werden wird. ... Und da waren glaube ich noch mehr Beispiele.

Wie sehr nutzt nutzt ihr die Vor- und Nachteile des Internets während des Pilgerns?
(Fettdruck von mir)
Wenn ich so etwas höre oder lese, stellen sich bei mir immer die Nackenhaare auf.
Wer ist denn jemand, der denkt, mir sagen zu müssen was Pilgern für mich auszumachen hat. Wo sind da die Maßstäbe? Muss ich als Pilger auf moderne Kommunikationsmittel verzichten, weil Pilger im Mittelalter das noch nicht hatten?
Ich habe auf meinem Camino jeden Nachmittag, am Ende einer Etappe, zu meiner jeweiligen Tagesroute auf Strava Fotos und einen kleinen Text mit meinen Gedanken zum Erlebten des Tages hinzu gefügt - quasi wie ein Blog, den meine Freunde und Familienangehörige lesen konnten. Das hat mich doch nicht davon abgehalten, mit anderen Pilgern über unsere Erlebnisse und Emotionen zu sprechen.

Ich habe mich oft treiben lassen und dort, wo ich es voraus ahnen konnte es zu brauchen, rechtzeitig eine Unterkunft mit dem Handy reserviert - beinahe genau so oft.
Camino Francés April/Mai 2022
Camino Francés April/Mai 2023
Olavsweg (Lillehammer - Trondheim) Juli 2023
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Rossi
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Re: Digital Detox beim Pilgern

Beitrag von Rossi »

Strell hat geschrieben: 19. Jun 2022, 22:44 Jetzt habe ich gerade den Podcast von Marcus Poschlod mit Raimund Joos als Gast gehört, was mich etwas zum nachdenken anregt.
Raimund war sehr entschieden gegen eine "Digitalisierung" des Pilgerns, weil dadurch sehr viel davon verloren geht, was das Pilgern eigentlich ausmacht.
Wenn Du 5 Leute fragst, was Pilgern eigentlich ausmacht, kriegst Du wahrscheinlich 7 Antworten! :lol: :lol: Im Grunde gibt es aber nur eine Meinung, die zählt, und das ist Deine eigene. ;) Mit dem Nachdenken würde ich es an dieser Stelle nicht allzu sehr übetreiben. Ob und in welchem Umfang du dein Handy mit den ganzen tollen Apps nutzen wirst, wird sich auf dem Weg zeigen. Einfach loslaufen und schauen, was passiert! ;)
Strell hat geschrieben: 19. Jun 2022, 22:44 Wie sehr nutzt nutzt ihr die Vor- und Nachteile des Internets während des Pilgerns?
Ich persönlich nutze das Internet eher intensiv und sehe für mich nicht die von Raimund beschriebenen Nachteile. Ich habe einige Nächte mit anderen Pilgern durchgequatscht und trotzdem gelegentlich mit Familie / Freunden telefoniert. Ich habe mich oft treiben und überraschen lassen, wo ich abends "strande". Wenn mir danach war, habe ich aber auch Unterkünfte im Internet vorgebucht. Es gibt hier m.E. kein richtig oder falsch. Mach einfach das, was Dir guttut und was sich für Dich als richtig anfühlt.
2015 Camino Frances, 2016 Camino Portugues da Costa
angel2969
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Re: Digital Detox beim Pilgern

Beitrag von angel2969 »

hallo kann mich meinen Vorschreibern nur anschließen, ich bin froh mein Smartphone dabei zu haben, nutze es tagsüber für Fotos und evtl. eine Reservierung falls es sich abzeichnet, dass es knapp mit Unterkünften werden kann und ich nicht weiterlaufen möchte/kann, kurz abends für Rückmeldung an die Familie, die wissen möchten wo ich bin und evtl. zur Orientierung für die nächste Etappe. So wurde das Handy von den meisten Pilgern in den früheren Jahren genutzt, mir ist auf den lezten Wegen aber schon aufgefallen, dass bei einigen Pilgern schon während des Wanderns das Handy selten aus der Hand gelegt wird, auch am Ankunftsort sitzen viele mit Ihrem Telefon im Aufenthaltsraum/Garten, das erweckt bei mir oft den Eindruck, ich möchte keine Kommunikation - ich möchte für mich bleiben, ich finde jeder soll mit der Technik so umgehen wie man es für sich selbst für richtig hält.
bc angel
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