Fliegen ist schöner...?

Allgemeine Diskussionen zur Pilgerei und ihrer Geschichte
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Simsim
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Fliegen ist schöner...?

Beitrag von Simsim »

Ist es nicht wirklich wert, intensiv darüber nachzudenken, ob es nötig ist, um des eigenen Vergnügens willen Flugzeuge zu benutzen?

Ich sehe hier direkt vor meinen Augen (Frankreich, Aveyron, Conques am Chemin du Puy, wo ich meine Adresse habe), einen so prachtvollen Frühling wie schon seit vielen Jahren nicht mehr.
Die Natur lebt sichtlich auf.
Sicher hat das alles natürlich nicht nur mit den stillgelegten Flugzeugen zu tun, klar, aber ich sehe nach alldem was passiert ist noch klarer die Verantwortung von uns allen.
Verantwortung für uns selbst, für unsere Gesundheit und die aller anderen Menschen und für all die Schönheit, die uns umgibt.

Diese Naturschönheit ist ja für die meisten auch ein Grund zum Pilgern.
Zu Fuß tagelang, wochenlang die Landschaften zu durchstreifen ist so wundervoll. Sollten wir sie nicht mit allen uns möglichen Mitteln schützen?

Hier geht es jetzt nicht um moralische Schuldzuweisungen, sondern es ist einfach nur ein Versuch, zum Nachdenken anzuregen. Es gab schon immer wieder Leute, die hier im Forum alternative Anreisemöglichkeiten nach Frankreich, Spanien, Portugal, besonders mit der Bahn, vorgestellt haben, die zwar länger und oft auch teurer sind, aber dennoch machbar, wenn man bereit ist, auf die schnellste und einfachste Lösung zu verzichten, zugunsten des Besseren.

Aus dem neuesten NABU Newsletter:

NABU warnt vor steigender Umweltbelastung durch Flugverkehr
Fliegen belastet die Umwelt besonders stark mit Schadstoffen und Lärm. Mit einem Urlaubsflug nach Teneriffa wird das Klima ähnlich stark geschädigt wie durch ein Jahr Autofahren. Deshalb fordert der NABU eine Steuer auf Kerosin.


Auszug aus Wikipedia:

In einer auf Modellrechnungen beruhenden Studie aus dem Jahr 2010 werden die durch die Emissionen von Flugzeugen im Reiseflug bedingten vorzeitigen Tode von Menschen auf weltweit etwa 8000 pro Jahr geschätzt, wobei die Klimawirkungen nicht berücksichtigt sind. Der Anteil an der Gesamtheit der durch Luftverunreinigungen frühzeitig eintretenden Tode liegt danach bei etwa 1 %. Im Mittel verlieren die Opfer 7,5 Lebensjahre durch Feinstaub und Stickoxide.[6] Einige Politiker bemängeln, dass „die toxikologischen Langzeitwirkungen von Kerosin, dessen Verbrennungsrückständen und Reaktionsprodukten sowie deren additive und synergistische Effekte nicht ausreichend untersucht“

Wie wundervoll waren die letzten zweieinhalb Monate ohne Flugzeuge....

Simone
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Anhalter
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Re: Fliegen ist schöner...?

Beitrag von Anhalter »

Aufgrund der komplexität des Themas möchte ich jetzt gar nicht groß auf das ökologische Für und Wider des Fliegens eingehen. Ich beschränke mich mal auf den Faktor Zeit und Wohlbefinden.

Ich ertappe mich immer noch dabei, wie mein erster Gedanke beim Thema "wie komme ich am schnellsten von A nach B" ist: Nimm den Flieger.
Nun wohne ich aber nicht mehr in einer Metropolregion, der nächste Flughafen ist 1h entfernt und bietet auch nur wenige direkte Verbindungen an. Meistens läuft es bei uns darauf hinaus, entweder nach Berlin oder Frankfurt zu fahren. Das entspricht bei guter Verkehrslage ca. 2,5h Fahrt. In der Regel plane ich hier 1h Reserve ein, könnte ja mal Stau sein. Dann muss das Auto geparkt werden, sagen wir dafür 30min, und man will 1,5h vorher am Checkin sein. Macht also schonmal 5,5h die ich vor Abflugszeit das Haus verlasse. Wenn ich dann am Ankunfstort bin, muss erstmal das Gepäck ankommen, sagen wir also 30min (das dauert auch gerne mal länger) und ich muss vom Flughafen dahin kommen wo ich möchte. Ist das eine Metropole (sagen wir Madrid) dauert das auch gerne nochmal 1h, möchte ich weiter weg, (sagen wir SJPDP) dürfte sich das nochmal deutlich erhöhen (gehen wir mal von 2,5h aus).
Jetzt vergleichen wir mal, Anreise von Jena nach SJPDP. Zugfahrt ab Erfurt sind 14:11h und Anfahrt zum Bahnhof ca 45min. Also 15h. Flug ab Frankfurt sind scheinbar 3,5h nach Biarritz.

Anreise 2,5h. Reserve 1h. Parken 0,5h. Checkin 1,5h. Flug 3,5h. Checkout 0,5h. Transfer 2h. Summe 11,5h.
Also 3,5h weniger.

Jetzt kommen wir zum Faktor Wohlbefinden. In der Fliegervariante habe ich zuerst Stress, da Autofahren und immer die Befürchtung aufgrund einer Totalsperrung den Flieger zu verpassen. Dann muss ich mich am Flughafen aufhalten, was jetzt auch nicht so angenehm ist. Dann in den Flieger reinpressen, was auch vor Corona bestenfalls unangenehm war. Und dann noch darauf vertrauen, dass beim kurzen Zwischenstop in Paris (40min) mein Gepäck auch den Weg in den zweiten Flieger findet... (vergessen wir auch nicht wie viel Spaß es macht 1h vor der Sicherheitskontrolle zu stehen...)
Da komme ich nicht entspannt an wenn ich fliege, also würde ich vermutlich selbst auf dieser Strecke, wo man der Meinung ist, der Zug kann doch gar nicht gewinnen, mit diesem fahren. Da kann ich im Abteil herumlaufen, fürs Umsteigen in Paris habe ich starke 2 Stunden Zeit und kann mich noch in ein nettes Cafe setzen und wenn ich nicht ausgeraubt werde habe ich mein Gepäck immer sicher bei mir...

Natürlich sieht diese Rechnung für jemanden der in einer Metropolregion wohnt ganz anders aus. Ich empfehle aber dennoch, diese Rechnung mal anzustellen. Oft ist man überrascht wie lange die Reisezeiten mit dem Flieger mitlerweile geworden sind.
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Simsim
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Re: Fliegen ist schöner...?

Beitrag von Simsim »

Danke Anhalter, für diese Berechnungen! Und dein Forumsname lässt ahnen, dass auch du ein Autostop-Fan bist?
Geht mir jedenfalls so...das war immer für mich ein Teil des Pilgerns (zur Anreise), wegen der vielfältigen Begegnungen.
Damit dürfte aber jetzt wegen Corona und Abstandsregeln leider Schluss... :cry:
Ein ökologisches "Für" gibt es aber meines Wissens für das Fliegen nicht. Ist es auf dieser Ebene wirklich so komplex?
Es gibt natürlich viele andere "Fürs", unbestritten. Das ist dann schon eher komplex, klar.
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CyrusField
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Re: Fliegen ist schöner...?

Beitrag von CyrusField »

Simsim hat geschrieben: 27. Mai 2020, 10:37 Ein ökologisches "Für" gibt es aber meines Wissens für das Fliegen nicht. Ist es auf dieser Ebene wirklich so komplex?
Wie bei fast allen Dingen gilt halt auch hier ein "kommt drauf an"... Ich bin Luftfahrtingenieur, versuche es aber ohne Fachchinesisch zu erklären:

Vom Ökologischen Standpunkt aus kann man als nackte Zahl erst einmal den Kerosinverbrauch pro Passagier pro 100km betrachten. Zahlen gibt es u.a. hier. Der Heizwert von Kerosin ist vergleichbar mit Dieselkraftstoff oder Superbenzin, da kann man also ohne groß herumzurechnen Vergleiche ziehen.

Diese Zahl hängt natürlich sowohl von der Effizienz der Triebwerke und der Auslastung des Flugzeugs ab. Man muss aber die Reisestrecke berücksichtigen - beim Start und weiten Teilen des Steigfluges sind Flugzeuge deutlich weniger effektiv, als im Reiseflug (Triebwerke bei ca. 25-30% Leistung) und im Sinkflug (Triebwerke schon fast im Leerlauf). Fliegt man nun Frankfurt-München ist die Strecke nicht nur aufgrund der Ökobilanz Blödsinn, sondern natürlich auch aufgrund der von Anhalter sehr schön beschriebenen Komponente Zeit. Eigentlich wären bei vernünftiger Bahnanbindung alle innerdeutschen Flugverbindungen überflüssig.
Lange Rede, kurzer Sinn: Modernes Flugzeug, voll besetzt, Reisestrecke mindestens 3 Stunden Flug ist schon recht effizient, verglichen mit dem Auto. Man darf dabei auch nicht vergessen, dass nahezu jedes Flugzeug neben den Passagieren und deren Gepäck auch immer noch Fracht transportiert, die 1-2 LKW füllen würde. Die dann wiederum ja auch Abgase produzieren würden.

Vergleicht man den Wert mit einem Auto kommt es halt darauf an, wie viele Personen in einem Auto sitzen - und ob man Bleifuß fährt oder nicht. Bei einem VW Polo mit 80 PS können im übrigen auch schon 130km/h "Bleifuß" sein, weil der Motor dann ineffizient an der oberen Leistungsgrenze läuft und entsprechend Sprit frisst.

Beim Flugzeug kommt erschwerend aber noch hinzu, dass die Abgase in großen Höhen freigesetzt werden. Hier gibt es Studien die eine verstärkte Wolkenbildung belegen. Wolken sind per se ja nicht schlecht, aber hier handelt es sich nicht um normale Regenwolken, sondern solche, die einzig und allein die von der Erde reflektierte Sonnenstrahlung in der Atmosphäre halten und so zur Erderwärmung beitragen. Dazu kommt, dass emittierte Stickoxide in Verdacht stehen, die Ozonschicht zu schädigen.

Dass Kerosin ein eher niederwertiger Kraftstoff ist, ist für die Sauberkeit der Verbrennung nicht eben förderlich. Flugzeuge mit Strahlantrieb könnten auch höherwertige Brennstoffe, auch Superbenzin verbrennen. Die verbrennen aber heißer, was auf die Lebensdauer von Brennkammer und Turbine der Triebwerke geht. Da müssten also weniger Abgase im Flug gegen Abgase bei der Herstellung von Ersatzteilen gegengerechnet werden. Spätestens ab da wird es aber *richtig* komplex...

Dass für Kerosin nach wie vor keine Mineralölsteuer anfällt nunja... Das ist ein Überbleibsel der Ölkrise in den 1970ern und kein Politiker traut sich da ran, denn wenn Flüge nach Malle teurer werden, könnte man ja Wähler verlieren. Aber so hat die Bahn schon einen exlatanten Wettbewerbsnachteil gegenüber dem Fliegen.
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Simsim
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Re: Fliegen ist schöner...?

Beitrag von Simsim »

Super dass du so ausführlich zum Thema schreibst, CyrusField,

Die Aussage vom NABU

Mit einem Urlaubsflug nach Teneriffa wird das Klima ähnlich stark geschädigt wie durch ein Jahr Autofahren.

ist natürlich sehr vage. Gilt das für den gesamten Flug oder pro Person?
Ich fahre zwischen 1000 und 4500 km Auto im Jahr, manche Leute fahren 20 000 und mehr, das ist ja sehr unterschiedlich.

aber mir gefällt schon, wenn wir uns das Thema mal bewusst machen.

Die Bahn ist wahrscheinlich ökologisch unschlagbar, als schnelles Fortbewegungsmittel.
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Matt Merchant
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Re: Fliegen ist schöner...?

Beitrag von Matt Merchant »

Danke Dir, Stefan, für diese gut lesbare und spannende Erläuterung; nach Deinem gut nachvollziehbaren Tutorium zum Blitzableiter a.a.O., lerne ich hier nun schon zum zweiten Mal etwas über Physik dazu...

Erlaubt mir eine naive Ergänzung zur Debatte: In Deutschland und gerade auch in Frankreich mit seinen brillanten TGV-Verbindungen, können wir in der Tat auf das Fliegen verzichten. Interessant wird die Debatte, wenn die Pyrenäen-Überquerung ins Spiel kommt, denn die ist meines Empfindens nach immernoch für Bus und Bahn ein zeitlicher und energetischer Killer... Und da wird durchaus die Sünde verführerisch, in weniger als 10 Minuten hinüberzuschweben und bei wolkenklarem Himmel erst nach Lourdes und nur wenige Minuten später nach Jaca und dem Yesa-Stausee hinabzuwinken...
Ich gebe zu, dass ich bei diesem Gedanken dann doch immer zum Klimasünder werde und einen Flug buche...
Gibt es denn Alternativen, die sich demgegenüber ernsthaft bewährt haben?
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CyrusField
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Re: Fliegen ist schöner...?

Beitrag von CyrusField »

Die Aussage des NABU habe ich auch mitbekommen und finde sie zu pauschal. Da geht es aber auch nicht um den Sprit- bzw. Kerosinverbrauch, sondern um die "Klimawirkung":
Link NABU

Alles pro Person betrachtet. Für diese Klimawirkung wird ein "Klimafaktor" für den Luftverkehr angesetzt - ohne den sähe die Rechnung deutlich anders aus. Das Auto wird mit 11.000 km/Jahr angesetzt.

Leider finde ich in dem Flyer des NABU nichts zum Hintergrund dieses Klimafaktors. Der genannte IPCC-Bericht ist auch von 1999 - über 20 Jahre alte Zahlen finde ich in dem Zusammenhang wenig zielführend. Da muss es doch aktuellere Zahlen geben? Verglichen mit heute sind Flugzeugtriebwerke zwei Generationen weiter, Verbrauch ist deutlich geringer, Verbrennung ist sauberer und die Zusammensetzung der Abgase hat sich verändert.

Das soll bitte nicht als Argument gegen die Zahlen des NABU verstanden werden, aber ich würde sie gerne anhand von aktuelleren Daten (d.h. der heutigen Situation) nachvollziehen wollen/können. :?:
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CyrusField
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Re: Fliegen ist schöner...?

Beitrag von CyrusField »

Matt Merchant hat geschrieben: 27. Mai 2020, 12:24 Danke Dir, Stefan, für diese gut lesbare und spannende Erläuterung; nach Deinem gut nachvollziehbaren Tutorium zum Blitzableiter a.a.O., lerne ich hier nun schon zum zweiten Mal etwas über Physik dazu...

Erlaubt mir eine naive Ergänzung zur Debatte: In Deutschland und gerade auch in Frankreich mit seinen brillanten TGV-Verbindungen, können wir in der Tat auf das Fliegen verzichten. Interessant wird die Debatte, wenn die Pyrenäen-Überquerung ins Spiel kommt, denn die ist meines Empfindens nach immernoch für Bus und Bahn ein zeitlicher und energetischer Killer... Und da wird durchaus die Sünde verführerisch, in weniger als 10 Minuten hinüberzuschweben und bei wolkenklarem Himmel erst nach Lourdes und nur wenige Minuten später nach Jaca und dem Yesa-Stausee hinabzuwinken...
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Immer gerne.

Was Bus angeht, finde ich die Flixbus-Verbindung Paris - Santiago (Zwischenhalte in Bayonne, Bilbao, Santander, Gijon) für Pilger brauchbar. Ansonsten gibt es bestimmt auch noch Verbindungen nach Saragossa, die durch den Somport-Tunnel führen.

Eisenbahn wird schwieriger... Pau-Canfranc war meines Wissens die Hauptverbindung. Aber im Bahnhof Canfranc sind ja inzwischen sogar die Schienen demontiert. Der Moderne Somport-Tunnel ist leider auch nur ein Straßentunnel. Der Historische Eisenbahntunnel ist stillgelegt. Ein neuer Tunnel ist für frühestens 2025 geplant.
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Camineiro
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Re: Fliegen ist schöner...?

Beitrag von Camineiro »

Moin!

Letztes Jahr bin ich aus NRW nach Lugo mit der Bahn angereist.
Dortmund-Paris (THALYS), Paris-Hendaye (TGV), Irun-Lugo (Renfe).
Trotz eng getakteter Zugverbindungen dauerte die Reise 2 ganze Tage (leider gibt es keinen Nachtzug Hendaye-Santiago).
Am 3. Tag ging es dann morgens noch 1 1/2 Stunden mit dem Bus zum eigentlichen Startort Abadin auf dem Cnorte.

Man kommt abends in Grenznähe (frz./span.) an und muss dort übernachten (zusätzlicher Kostenfaktor).
Desgleichen in Lugo.

Mit der Wahl der Flugverbindung Frankfurt-Santiago (Lufthansa) hätte ich mein Ziel innerhalb eines Tages erreichen können.
Darüberhinaus wäre der Flug bei frühzeitiger Buchung billiger ! gewesen als das Bahnticket NRW-Lugo.

Und genau da liegt die Crux: solange es möglich ist, für sehr wenig Geld große Distanzen zu überbrücken, wird die Bahnanreise im Bewusstsein der meisten europäischen Pilger ein Schattendasein führen. Allenfalls als Zubringer zum Flughafen bzw. als Anschlussverbindung in bspw. Spanien werden Bus und Bahn akzeptiert.

Für außereuropäische Pilger stellt das Flugzeug natürlich die einzige Wahl - zeitlich und finanziell betrachtet - des Transportmittels dar. Die Schiffsanreise dürfte allein wg. des Zeitfaktors kaum in Frage kommen.

Ein anderer Aspekt neben der Kostenfrage liegt auf o.g. Zeitfaktor.
Die meisten, noch berufstätigen Pilger haben ein beschränktes Zeitkontingent zur Verfügung.
Man will so schnell wie möglich zum Startort seines Caminos gelangen, um dann seinen wohlverdienten Urlaub zu geniessen.
Die An- und Abreise werden als notwendiges Übel betrachtet.

Wenn hier ein Umdenken einsetzen würde, dahingehend, dass das Abenteuer Camino mit dem Zuziehen der eigenen Haustüre beginnt, käme man dem mittelalterlichen Camino-Gefühl ein ganz kleines bisschen näher.

Ich bin keineswegs ein ausschliesslicher Befürworter des Flugzeugs (obwohl ich meine Brötchen in der Luftfahrt verdient habe) und lehne Bahnreisen nicht ab (persönlich fahre ich gerne mit dem Zug).
Aber solange es der Masse der Reisenden mit günstigen (gesponserten) Ticketpreisen ermöglicht wird das Flugzeug zu nutzen, wird die Eisenbahn mMn ein Mauerblümchen-Dasein fristen.

Mglw wird die Corona-Krise zu einer Verknappung des Sitzplatzangebotes und einer Anhebung der Ticketpreise in der Luftfahrt führen. Warten wir‘s ab ...

L E U T E ... FAHRT ZUG ! 😊

Ultreya
Uwe
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Simsim
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Re: Fliegen ist schöner...?

Beitrag von Simsim »

Wenn hier ein Umdenken einsetzen würde, dahingehend, dass das Abenteuer Camino mit dem Zuziehen der eigenen Haustüre beginnt, käme man dem mittelalterlichen Camino-Gefühl ein ganz kleines bisschen näher.
ja, Uwe, das ist ein guter Punkt! Ich erinnere mich an meine langen Zugreisen vor 30-40 Jahren. Es waren unbequeme und ermüdende Abenteuer, man lernte Leute kennen, teilte Kekse aus, spielte mit Kindern...man wechselte von Abteil zu Abteil wenn Platz war und schlief in den unmöglichsten Positionen, ja, das machten auch ältere Leute damals, völlig normal. Fliegen war sehr teuer und ein Luxus.
Ich erinnere mich auch an das langsam wechselnde Klima auf den immer südlicheren Bahnhöfen, wo manch längerer Aufenthalt sogar ein bisschen Ausgang ermöglichte...es roch immer anders, und es fühlte sich nach Reisen an, entdecken...

Naja das soll jetzt kein nostalgisches Jammern sein, ich hoffe eher irgendwie dass Corona doch tiefer was verändert. Mehr Langsamkeit, mehr Einfachheit, mehr Social Contacting :) , und mehr Fürsorge für die Welt...
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Die Pyrenäen...ja, da kommt man mit dem Zug nur noch an der Küste vorbei, soweit ich weiß. Über Irun/Hedaye. Von Irun (oder San Sebastian) gibt es eine wunderschöne Busstrecke nach Pamplona. Und mit dem Zug gehts von da auch beliebig weiter.
Leider finde ich in dem Flyer des NABU nichts zum Hintergrund dieses Klimafaktors. Der genannte IPCC-Bericht ist auch von 1999 - über 20 Jahre alte Zahlen finde ich in dem Zusammenhang wenig zielführend. Da muss es doch aktuellere Zahlen geben? Verglichen mit heute sind Flugzeugtriebwerke zwei Generationen weiter, Verbrauch ist deutlich geringer, Verbrennung ist sauberer und die Zusammensetzung der Abgase hat sich verändert.
keine Ahnung...lässt sich sicher irgendwo recherchieren. Gegenüber den schlechteren Triebwerken von damals gibt es eben heute ein vielfaches an Flugverkehr..aber was sagst du als Ingenieur zur Möglichkeit eines lautlosen, emissionsfreien Solar-Flugzeugs? :)
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CyrusField
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Re: Fliegen ist schöner...?

Beitrag von CyrusField »

Simsim hat geschrieben: 27. Mai 2020, 15:27 aber was sagst du als Ingenieur zur Möglichkeit eines lautlosen, emissionsfreien Solar-Flugzeugs? :)
Prinzipiell eine gute Idee. Funktioniert nur leider nicht im Maßstab der heutigen Passagierflugzeuge - die Leistungsdichte der Photovoltaik ist (noch) viel zu gering. Um 100 Passagiere oder mehr zu transportieren wäre der Flächenbedarf so riesig, dagegen wäre ein A380 ein Kleinflugzeug. Nachtflüge würden damit auch verhältnismäßig schwierig :lol:

Elektroantrieb wird für Großflugzeuge auch schwierig, denn die notwendige Kapazität heutiger Batterien bringt leider viel zu viel Gewicht auf die Waage.

Es gibt genügend Ideen, wie Flugzeuge an sich deutlich effizienter sein könnten, z.B. der Blended Wing Body, dazu "Unducted Fan" Triebwerke (UDF), etc.pp. Nur bringen alle diese Konzepte auch neue Probleme mit sich - UDF erzeugen mehr Lärm, BWBs bieten nicht jedem Passagier ein Fenster, außerdem sind die Kräfte auf weiter außen sitzende Passagiere sehr hoch.

Ich denke, es wird irgendwann auf eine Kombination hinauslaufen - Wasserstoffantrieb (H2 durch regenerative Energien gewonnen) liefert die Energie für den Steigflug, Photovoltaik übernimmt im Reiseflug. Aber bis es so weit ist, d.h. bis es ausgereifte, erprobte Konzepte gibt, die auch im Passagierverkehr eingesetzt werden können, gehen mindestens noch 20 Jahre ins Land.
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Re: Fliegen ist schöner...?

Beitrag von Simsim »

Also wenn du das nicht hinbekommst :D dann halt ich's lieber mit Uwe: L E U T E ... FAHRT ZUG !
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Simsim
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Re: Fliegen ist schöner...?

Beitrag von Simsim »

Aber trotzdem, Stefan, toll dass da was auf dem Weg zu sein scheint, für deutlich unschädlichere Technik, und danke für deine Erläuterungen. Hoffentlich ist es nicht vorher zu spät...
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CyrusField
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Re: Fliegen ist schöner...?

Beitrag von CyrusField »

Simsim hat geschrieben: 27. Mai 2020, 16:40 Also wenn du das nicht hinbekommst :D dann halt ich's lieber mit Uwe: L E U T E ... FAHRT ZUG !
Unmögliches geht sofort, Wunder brauchen etwas länger :D

Aber ja: FAHRT ZUG! Solange man nicht von Regionalzug zu Regionalzug im Berufsverkehr umsteigen muss, gibt es doch fast keine entspannendere Art zu Reisen.
Gott, was vermisse ich die Autoreisezüge. Oder die rosaroten Wochen. Oder das schöne Wochenend-Ticket, mit 5 Leuten fast unbegrenzt unterwegs sein...
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Camineiro
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Re: Fliegen ist schöner...?

Beitrag von Camineiro »

CyrusField hat geschrieben: 27. Mai 2020, 12:39
Eisenbahn wird schwieriger... Pau-Canfranc war meines Wissens die Hauptverbindung. Aber im Bahnhof Canfranc sind ja inzwischen sogar die Schienen demontiert. Der Moderne Somport-Tunnel ist leider auch nur ein Straßentunnel. Der Historische Eisenbahntunnel ist stillgelegt. Ein neuer Tunnel ist für frühestens 2025 geplant.
Laut Fahrplanauskunft DB fahren immer noch 2-3 Zugpaare täglich von Jaca (meist von Zaragossa kommend) hinauf nach Canfranc Estacion und wieder zurück. Ganz können die Schienen im Bahnhof Canfranc also noch nicht verschwunden sein.
Im Jahr 2012 war allerdings nur eine einfache, eingleisige Haltestelle in Betrieb.
Das ehemals riesige Bahnhofsareal dürfte entwidmet worden sein.

Auf frz. Seite hat man die Bahnstrecke lt. Wikipedia wieder bis nach Bedous reaktiviert.
Somit fehlt also nur noch das ehemalige Verbindungsstück zwischen Bedous und Canfranc Est. (ca. 33 Streckenkilometer).
Gegenwärtig muss man es entweder zu Fuß oder mit dem Bus/Schienenersatzverkehr überbrücken.
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