Blitz und Donner - Der Gewitter-Thread

Allgemeine Diskussionen zur Pilgerei und ihrer Geschichte
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Matt Merchant
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Blitz und Donner - Der Gewitter-Thread

Beitrag von Matt Merchant »

Liebe MitpilgerInnen,

zunächst möchte ich Euch herzlich grüßen und mich vorstellen - denn obwohl ich nun schon seit geraumer Zeit die Beiträge und kreativen Diskussionen dieses Forums mit großer Freude und Interesse verfolge, habe ich mich jetzt erst für dieses Forum registriert - dies ist mein erster aktiver Beitrag. Mein Name ist Matthias, 34 Jahre alt, Theaterwissenschaftler und im Zweitstudium evangelischer Theologiestudent im 4. Semester (also, pathetisch gesprochen, als 'Spätberufener' auf halbem Wege in Richtung Kanzel) - sowie seit 2007 auf den Jakobswegen unterwegs und der Freude daran auf ähnliche Weise verbunden wie Ihr alle.

Nun möchte ich gerne meine aktive Beteiligung dazu nutzen, ein Thema mit Euch zu diskutieren, das mir in den letzten Jahren auf meinen Wegen sehr präsent wurde und meines Wissens hier noch nicht diskutiert wurde: nämlich Erfahrungen und Verhaltenstipps bei plötzlichem Gewittereinbruch.
Diese unschöne Situation erlebte ich nun schon einige Mal in kritischer Hinsicht, vornehmlich auf den französischen Wegen zwischen Trier und den Pyrenäen: dass ich beispielsweise mitten in den Weinbergen stand und inmitten hochpreisiger Grand-Cru-Lagen plötzlich von einer Gewitterwand überrollt wurde, ohne adäquaten Schutz zu finden. In einer Situation half am Ende gefühlt nurnoch beten, wiewohl ich mich nicht als leichtsinnigen Menschen betrachten würde.

Nun würden mich zwei Aspekte sehr interessieren, die meinen Beitritt in dieses Forum auch motivieren: Einerseits danke ich Euch herzlich für Erfahrungsberichte, wie Ihr mit solchen Situationen von Wetterumschwüngen umgegangen seid, sofern Ihr sie mal erlebt habt - und andererseits generelle praktische Tipps, wie man denn idealerweise reagiert, sofern man tatsächlich das Pech hat, in offenem Feld in Blitz und Donner hineinzupilgern. Unter Bäume flüchten - oder gerade nicht unter Bäume flüchten...? Da liest sich das Feld der 'Patentrezepte' erstaunlich breit und nicht immer einheitlich.

Vielleicht kann sich ja manche/r von Euch dafür begeistern, unser aller Corona-Zwangspause zu nutzen, um mit mir über dieses Thema zu sinnieren.
Ich danke schon jetzt herzlich und grüße Euch vorösterlich!

Matthias
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Matten
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Re: Blitz und Donner - Der Gewitter-Thread

Beitrag von Matten »

Hallo Matthias
Herzlich Willkommen im Forum.

Ein heftiges Gewitter im Freien musste ich noch nicht erleben.
Die Tipps: Eichen soll man und Buchen soll man suchen, sind bekanntermaßen dem Reim geschuldet und somit ins Reich der Fabel zu verbannen.

Es ist natürlich übel, wenn man wie du in den Weinbergen vom Gewitter überrascht wird.

Aber es gibt ja Fachleute für dieses Thema. Hier ein Link von der Feuerwehr:

https://www.feuerwehrmagazin.de/wissen/ ... ipps-43406

Vor einiger Zeit habe ich zu dem Thema such gehört, dass man möglichst kein Metall anbei sich haben sollte.

In dem Sinne
BC
Martin
Niemand weiß was in ihm steckt, bevor er nicht versucht hat es herauszuholen.
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Pooh_der_baer
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Re: Blitz und Donner - Der Gewitter-Thread

Beitrag von Pooh_der_baer »

Hallo,

die Infos über Verhalten bei Gewitter sind eigentlich über viele Jahrzehnte bekannt.

Ende Mai 2014 war ich mit anderen Pilgern bei einem Gewitter in einem Waldstück in der Gegend zwischen Arudy und Oloron unterwegs.
Der Weg war mehr ein Pfad.
Der Abstand Blitz und Donner war zwischen 1 und 3 sec.
Eine Vorsichtsmassnahme ????
Da half nur Gottvertrauen.
Wer sich nicht erinnert, den bestraft die Zukunft.
Matten
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Re: Blitz und Donner - Der Gewitter-Thread

Beitrag von Matten »

Hier ist noch ein Beitrag zum Thema Gewitter:

https://www.planet-wissen.de/natur/klim ... er100.html

BC
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tsetse
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Re: Blitz und Donner - Der Gewitter-Thread

Beitrag von tsetse »

Hallo Matthias,

erst Mal herzlich Willkommen im Forum! Auf Deine Beiträge zu einigen der Diskussionen hier bin ich gespannt.

An ein Gewitter auf flachem Feld kann ich mich nicht erinnern, aber mehrmals auf dem Berg und / oder im Wald.

Ich hab dann immer nur schnell die Brille runtergenommen und den Minimalstregenschutz für den Rucksack und mich angezogen, denn man wird eh von oben bis unten nass. Und dann bin ich so schnell wie möglich weitergelaufen. Schnell ist dabei relativ, denn bis über die Knöchel reichende Pfützen, starke Windböen, rutschige oder sumpfige Wiesen und die schlechte Sicht bremsen . Außerdem darf man ja kein Wegzeichen übersehen, den Verlaufen frustriert in so einer Situation noch mehr als sonst.
Mein Rat ist daher einfach: Augen zu und durch. Ja, gebetet hab ich bei Gewitter auch schon, als es wirklich lebensbedrohlich steil und rutschig den Brünig runterg ging. Bei "normalem" Gewitter bete ich nicht, sondern bestaune eher die Kraft der Natur.
Einen Unterstand habe ich nie gefunden, bzw. immer erst dann, wenn das Gewitter bereits vorbei und in einen Dauerregen übergegangen war. Mir würde es nie einfallen, unter einem Baum stehen zu bleibe. Wozu auch, da regnet es doch auch durch.

Nach solchen Gewittertagen habe ich mir immer eine etwas luxuriösere Unterkunft gegönnt. Einmal, um die Seele ein bissl zu streicheln, und dann auch, um meinen Rucksack komplett auszupacken und alle Teile trocknen zu können. Denn die Feuchtigkeit zieht mit der Zeit trotz Regenschutz in den Rucksack, und morgens kalte, feuchte Kleidung anzuziehen finde ich persönlich schlimmer, als einen ordentlichen Regenguß.
Kick2007
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Re: Blitz und Donner - Der Gewitter-Thread

Beitrag von Kick2007 »

Hola,
ein Blick auf eine gut Wetter-App am frühen Morgen zeigt mir in der Regel an wann und womit ich gewittermäßig zu rechnen habe. Erwischt es mich dennoch und ich habe keinen Unterstand würde ich mich entsprechend Empfehlung verhalten: (bei nahem und heftigen Gewitter)
Erwischt das Unwetter einen „auf freiem Feld“ oder gar im Gebirge und kein Unterstand ist in Sicht, nicht im Gewitter herumlaufen, sondern an einer tieferen Stelle in die Hocke gehen. Nur die eng beieinander stehenden Füße dürfen den Boden berühren (Hände umschließen die Knie). Warten, bis das Gewitter vorübergeht"

meint
Kick
Was der Frühling nicht sät, kann der Sommer nicht reifen, der Herbst nicht ernten, der Winter nicht genießen.“ (Johann Gottfried Herder)
tsetse
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Re: Blitz und Donner - Der Gewitter-Thread

Beitrag von tsetse »

Also, ich lerne ja gerne dazu und habe mir daher die beiden Links mal angeschaut. Die Ratschläge sind leider nichts für mich:

- "Weg mit dem Handy".
Wie weit weg soll es denn sein? Reicht es, wenn ich es im Rucksack verstaue, oder soll ich es auf dem Weg zurücklassen??

- "...in die Hocke gehen und die Beine möglichst dicht zusammenstellen"
:cry: Dann fall ich um... Außerdem, wenn es um mich blitzt und kracht und stürmt und schüttet, kann ich nicht einfach rumhocken, sondern muss flüchten, weiterlaufen und schauen, ob es hinter der nächsten Biegung einen passenden Unterstand gibt.

- "Experten raten tatsächlich, sich mit geschlossenen Beinen hüpfend aus dem Zentrum des Gewitters zu entfernen"
Im Ernst?? Ich kann mich dunkel an eine Phase in meinem Leben erinnern, irgendwann weit zurück im letzten Jahrtausend, da war hüpfen meine bevorzugte Fortbewegungsart. Das ist lange her, keine Ahnung, ob ich es noch kann. Aber das werde ich ganz sicher NICHT bei Gewitter und mit Rucksack auf dem Rücken ausprobieren!

Vielleicht hat ja jemand noch einen pilgertauglichen Rat?
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CyrusField
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Re: Blitz und Donner - Der Gewitter-Thread

Beitrag von CyrusField »

tsetse hat geschrieben: 11. Apr 2020, 17:22 - "Weg mit dem Handy".
Wie weit weg soll es denn sein? Reicht es, wenn ich es im Rucksack verstaue, oder soll ich es auf dem Weg zurücklassen??
In den Rucksack, in die Tasche, unter die Jacke, egal - Hauptsache, nicht in der Hand halten oder schlimmer noch mit ausgestrecktem Arm ein Selfie machen.
tsetse hat geschrieben: 11. Apr 2020, 17:22 - "...in die Hocke gehen und die Beine möglichst dicht zusammenstellen"
:cry: Dann fall ich um... Außerdem, wenn es um mich blitzt und kracht und stürmt und schüttet, kann ich nicht einfach rumhocken, sondern muss flüchten, weiterlaufen und schauen, ob es hinter der nächsten Biegung einen passenden Unterstand gibt.
Solange zwischen Blitz und Donner mehr als zehn Sekunden liegen, ist man relativ save. Da kannst Du dann auf jeden Fall noch schauen, ob es hinter der nächsten Biegung einen Unterschlupf gibt.

Ansonsten ist das schon ganz richtig:
Ist kein sicherer Unterschlupf in in der Nähe, sollte man sich eine flache Stelle oder eine Mulde im Gelände suchen. Wichtig ist - so es denn irgendwie geht - dass man im näheren Umfeld nicht den höchsten Punkt darstellt. In der Senke sollte man in die Hocke gehen, die Füße eng nebeneinander stellen und die Arme um die Knie legen. Es behauptet ja niemand, dass es auf die Weise bequem ist. Aber vom Blitz getroffen zu werden ist entweder noch unbequemer oder danach für einen selbst egal...

Übrigens ist es im Wald dann tatsächlich ein wenig sicherer, als unter einem einzelnen Baum oder auf freiem Feld. Man sollte nur schauen, dass der Abstand zum nächsten Baum so groß wie nur möglich ist. Irgendwo habe ich mal etwas von 10m gelesen. Ungefährlich ist es deswegen aber nicht, gerade bei Gewitter und den dazu gehörenden Sturmböen kann man auch von herunterfallenden Ästen oder umstürzenden Bäumen erschlagen werden.

Aber egal, ob Pilger oder Wanderer:
Wetterbericht schauen hilft auf jeden Fall. Ich kenne persönlich Leute von der Bergwacht, die es ziemlich leid sind, unachtsame Menschen während oder nach einem Gewitter vom Berg einzusammeln. Weil "heute Morgen war doch noch schönes Wetter" :roll:
Dass man doch einmal von einem Gewitter überrascht werden kann, klar. Dann siehe oben.

So weit hergeholt ist das mit dem Hüpfen übrigens auch nicht - es dient dazu, den Bodenkontakt so weit wie möglich zu verringern. Ob und wie das praktikabel ist, lasse ich mal offen :lol:

Grüße
Stefan
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Pater Norbert
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Re: Blitz und Donner - Der Gewitter-Thread

Beitrag von Pater Norbert »

@ Stefan,

auf einer Tour kam die Diskussion auf, wie das mit den Alustöcken ist.

Sind die leitfähig und daher auch blitzanziehend? Oder ist es eine Mär?
Wer pilgert, wird von einem Virus infiziert, das nicht vergeht.
Gemerkt im März 2022. Avatar stammt aus Juni 2023.
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Camineiro
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Re: Blitz und Donner - Der Gewitter-Thread

Beitrag von Camineiro »

Pater Norbert hat geschrieben: 11. Apr 2020, 18:49 @ Stefan,

auf einer Tour kam die Diskussion auf, wie das mit den Alustöcken ist.

Sind die leitfähig und daher auch blitzanziehend? Oder ist es eine Mär?

Ja, Aluminium leitet Strom.
Nicht ganz so gut wie Kupfer. Aber es leitet.
Hochspannungsleitungen sind häufig aus Alu.
Kupfer wäre zu schwer und zu teuer.
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CyrusField
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Re: Blitz und Donner - Der Gewitter-Thread

Beitrag von CyrusField »

Pater Norbert hat geschrieben: 11. Apr 2020, 18:49 @ Stefan,

auf einer Tour kam die Diskussion auf, wie das mit den Alustöcken ist.

Sind die leitfähig und daher auch blitzanziehend? Oder ist es eine Mär?
Camineiro hat das ja schon ganz richtig erklärt. Aluminium ist hinter Silber, Kupfer und Gold (in der Reihenfolge) das Material mit der besten Leitfähigkeit. Grob vereinfacht kann man sagen, dass im Grunde alle Metalle leitfähig sind.

"Blitzanziehend" ist ein wenig irreführend, denn die Metallstäbe ziehen ja nicht aktiv. Aber Strom geht halt den Weg des geringsten Widerstands und da haben die Stöcke bedeutend weniger zu bieten, als die Luft. Stichwort: Blitzableiter. Selbes Prinzip.
Aber auch Holz (Bäume) oder der menschliche Körper leiten besser als Luft - genau daher soll man sich halt so klein wie möglich machen und so tief wie möglich in eine Mulde verkriechen.

Wenn die Stöcke neben einem flach auf dem Boden liegen, geht aber keine zusätzliche Gefahr davon aus.
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Gargantula
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Re: Blitz und Donner - Der Gewitter-Thread

Beitrag von Gargantula »

Hallo,
viel wurde schon gesagt. Ich finde es, wie in allen Stresssituationen, wicjtig ruhig zu bleiben.
Nahezu erschöpfend wurde das Thema hier https://www.outdoorseiten.net/forum/sho ... t=Gewitter diskutiert.

Bleibt so gesund wie möglich!
Gargantula
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Matt Merchant
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Re: Blitz und Donner - Der Gewitter-Thread

Beitrag von Matt Merchant »

Liebe MitpilgerInnen,

zunächst wünsche ich Euch ein frohes und gesegnetes Osterfest in der Hoffnung, dass Ihr es trotz, vielleicht sogar gerade aufgrund der gegebenen Beschränkungen in seiner Besinnlichkeit genießen könnt.

Habt vielen herzlichen Dank für die ersten Tipps, Berichte und Links zum Gewitter-Thema, das ich aufgrund meiner Pilgerwege der letzten Jahre nicht (mehr) unterschätzen möchte.
Meine persönliche Erfahrung war bislang, dass im Falle eines unerwarteten Gewitters das eigene rationale Denken zugunsten eines reinen Affekthandelns in den Hintergrund trat: So ist mir beispielsweise die Sicherheits-Hock-Stellung bekannt, doch habe ich sie dann niemals angewendet, da sie im Praxisfall plötzlich wie ein Akt der Defensive und der Kapitulation wirkt; der menschliche Fluchtreflex verleitet da doch eher zur irrationalen Alternative des Weiterlaufens oder unter-einen-Baum-Stellens.
Daher halte ich individuelle Erfahrungsberichte an dieser Stelle für wertvoll, da man in der Praxis gewiss immer anders reagiert als in den theoretischen Leitfäden geboten.

Wie gesagt, hatte ich das Pech, unter den bisherigen Gewittersituationen zwei zu erwischen, die ich rückblickend als kritisch wahrnehme:
Die eine war auf der im Grunde kurzen Weinberg-Passage zwischen Beaune und Meursault, die man in weniger als einer Stunde durchläuft, jedoch ohne irgendeinen Schutz. Da hatte ich 2017 wirklich leichtsinnig die Wolkenlage unterschätzt, denn nach etwa zwei Dritteln der Strecke hatte ich eben Blitz und Donner am Hals. Bin dann einfach durch den donnernden Regenguß weitergelaufen, stur den Kirchturm von Meursault als Zielpunkt vor der Nase, glaube aber rückblickend, dass das wahnwitzig war. Wäre ich mal besser in die Hocke gegangen...(?)
- Episode zwei war ein Erlebnis, das ich in meinen Pilger-Memoiren als "das Gewitter von Marmont-Pachas" verbuche. 2018, da meinte ich, aus den Erfahrungen von Meursault gelernt zu haben und notbiwakierte - auf der Rocamadour-Nebenroute der Via Podiensis - rechtzeitig auf dem malerischen Dorffriedhof der o.g. Streusiedlung als sich ein Gewitter ankündigte. Problem war nur: das Gewitter wurde zum Sturm und fetzte mir erst mein Zelt um die Ohren, verteilte die Heringe quasi in hohem Bogen auf dem Friedhofsgelände und setzte das gesamte Areal knöcheltief unter Wasser. Ein ziemlich unwirkliches Szenario, zudem nach Einbruch der Dunkelheit. Innerhalb einer halben Stunde war mein Equipment fragmentiert, durchnässt und zwischen den Grabsteinen verteilt. Auch da hatte ich rückblickend falsche Entscheidungen getroffen: denn dieser Friedhof liegt abgelegen auf einem Hügel, geschützt nur durch ein paar hohe, knochige Bäume, die anfangs Schutz verhießen, mir aber leicht hätten aufs Zelt fallen können (Abrunden könnte man die Geschichte mit der unschönen Rand-Episode, dass ich dann nachts ziemlich zerstört und frierend um ein trockenes Plätzchen am nächstgelegehen Gehöft klopfte und brüskiert abgewiesen wurde. "Non, j'ai des petits enfants!"; aber auf diesen trüben Teilaspekt kommt es dahingehend nicht an, dass ich ansonsten die französische Hilfsbereitschaft und Gastfreundschaft ausnahmslos als grandios und zuvorkommend erlebt habe).

Zu den Konsequenzen, die ich seither getroffen habe, gehört namentlich der Verzicht auf Etappenwanderungen nach 15 Uhr, da es sich bei solchen Unwettern meist um Nachmittags- oder Abendgewitter handelt. Das ist ein bisschen schade, da ich die meditative Ruhe von Spätetappen immer sehr geschätzt habe. Aber ein zweites Marmont-Pachas will ich nicht erleben.
Gleichsam haben so großartige Passagen wie beispielsweise die uns allen bekannte 20-Kilometer-Direttissima hinter Carrión de los Condes leider für mich etwas ihre Unschuld verloren. Da ich für 2020 endlich einmal die, gleichwohl eher ungeschützte, Vía de la Plata anvisiere - so wir dann alle wieder losziehen können und dürfen, ist es mir durchaus ein Anliegen, hier solche Gewittererfahrungen zur Diskussion zu stellen. Nicht etwa, um Angst oder Verunsicherung zu erzeugen, sondern damit sich o.g. Situationen bei niemandem ereignen müssen.

Aber Ostern ist ja das Fest des Lebens und der Zuverscht - in diesem Sinne schließe ich mit einem herzlichen und optimistischen Auferstehungs-Gruß. Mir geht es so wie gewiss vielen von Euch: gerne würde ich heute einfach wieder loswandern...
Matthias
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donjohannes
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Re: Blitz und Donner - Der Gewitter-Thread

Beitrag von donjohannes »

Ich habe noch einen wertvollen Tipp an alle: Immer nachsehen, wo ich gerade unterwegs bin und dann dieses Gebiet großräumig meiden. Denn wenn ich vor die Türe gehe, dann gibt's erstmal Regen und Gewitter: Am Weg nach Santiago die ersten 3 Tage. Am Weg nach Jerusalem die ersten 40 Tage. Auf der Via Alpina Sacra die ersten 50+ Tage. Gestern beim Spazierengehen nach 20 Minuten - und das nach 2 Monaten Trockenheit. :D Ihr braucht Regen? Dann schreibt mir. Ich bringe ihn samt Gewitter zu euch. P. Johannes Pluviofactor
Österreich -Santiago 1998
Liechtenstein - Jerusalem und zurück 2013-14 (http://www.4kmh.com/neo)
Triest - Cannes (Via Alpina Sacra) 2018 ( http://www.4kmh.com/vas )
Irland - Italien (Via Columbani) 2022
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Matt Merchant
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Re: Blitz und Donner - Der Gewitter-Thread

Beitrag von Matt Merchant »

Lieber Pater Johannes,

das könnte eine Nebenwirkung des Franziskanischen Sonnengesangs sein:
wenn man 'frate vento' ein wenig zu sehr 'per aere et nubilo et sereno et onne tempo' preist,
öffnet er womöglich alle Schleusen... ;-)
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