Stuttgarter Zeitung: Die dunkle Seite des Jakobswegs

Allgemeine Diskussionen zur Pilgerei und ihrer Geschichte
ZZTop22
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Re: Stuttgarter Zeitung: Die dunkle Seite des Jakobswegs

Beitrag von ZZTop22 »

Ich möchte gar nicht zu tief in dieses Thema eintauchen, ich bin der Meinung man sollte respektvoll und friedlich miteinander umgehen egal an was er glaubt!
LG Tom
Fred
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Re: Stuttgarter Zeitung: Die dunkle Seite des Jakobswegs

Beitrag von Fred »

Lieber Tom,

ich teile Deine Meinung voll und ganz. Es ist nur so, dass in diesem Thread um etwas ganz anderes geht; Peter Schulze alias calixtinusII nennt es in seinem Eröffnungs-Post 'Die Geschichte des Jakobsweges'. Dazu bezieht er sich auf einen Artikel aus der Stuttgarter Zeitung, in dem von einem Pfarrer die Rede ist, der das spaltende Jakobsweg-Narrativ in Bezug auf die Rolle des Islam und der sogenannten Reconquista kritisiert.

Im Folgenden geht es dann um Information und Desinformation.

Grüße und Neujahrswünsche!

Mario
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chrisbee
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Re: Stuttgarter Zeitung: Die dunkle Seite des Jakobswegs

Beitrag von chrisbee »

Das erste Mal hörte ich vom Camino nach Santiago vor sehr vielen Jahren auf einer Tagung, auf der eine spanische Touristikerin über Pläne zur Entwicklung der Hinterlandes referierte. Der Europarat hatte den Camino zur ersten europäischen Kulturroute ausgerufen, dann die Unesco den Titel Welterbe vergeben und es gab Geld aus den Europäischen Fonds zum Aufbau der Infrastruktur und zur Werbung. Und ich fand das alles wunderbar, weil es auch eines der Projekte eines „sanften“ , also „nachhaltigen“und umweltfreundlichen Tourismus war. Regionen, die schwer von Abwanderung und Arbeitslosigkeit betroffen waren, hatten dank dieses Projektes eine Zukunftsperspektive.
Als ich mich viele Jahre später endlich frei machen und selbst nach Santiago gehen konnte, war ich auch aus anderen Gründen begeistert. Da wanderten Menschen aus aller Welt und aus allenmöglichen Gründen, auch viele Esoteriker aus Übersee, die Paulo Coelho und Shirley McLaine angelockt hatten. Ich erlebte keinerlei Glaubenskämpfe, aber viel gute Laune. Für mich bedeutet das Freiheit! Und ich empfinde dies als ein sehr wertvolles Gut! Etwas, das man nicht kaufen, sondern nur machen kann. Deshalb befremden mich auch neuerdings Versuche, alte Konflikte zwischen Christen und Moslems wieder hochzukochen oder igendetwas aus der Vergangenheit herauszudeuteln bzw. hineinzuprojezieren.
Natürlich ist klar, dass im Zuge von starker Migration aus islamischen Ländern auch uralte Ressentiments neu aufleben und ebenso auch viele Ansprüchlichkeiten von Moslems, wenn sie sich als (von Christen) Vertriebene hinstellen und neuerdings nicht angemessen behandelt fühlen. Aber noch mehr befremden mich Menschen, die sich plötzlich als Islamfreunde verstehen und vom tollen, historischen Islam schwärmen und Al Andaluz hochjubeln. Oder sich etwa für den „Maurentöter“ schämen. Oder – wie der genannte Herr Förschler, schlicht nicht verstehen können, wie sich angesichts der „dunklen Seite des Camino“ überhaupt noch Menschen dorthin begeben. Ich bin nicht etwa befremdet, weil ich eine „Wahrheit“ zu verteidigen hätte, sondern weil ich mich – um auch einmal die großen Worte zu bemühen – gleichwohl um moderne und demokratische Freiheiten sorge. Oder auch einfach nur um die Glaubensfreiheiten auf dem Camino. Oder die gute Stimmung unter Menschen aus aller Welt. Eigentlich kann es gar nicht genug Leute geben, die zu Fuß nach Santiago gehen.
Grüße von chrisbee
WoM
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Re: Stuttgarter Zeitung: Die dunkle Seite des Jakobswegs

Beitrag von WoM »

@chrisbee

Vielen Dank! Du sprichst mir aus dem Herzen!!!

Grüßle Wolfgang
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Fred
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Re: Stuttgarter Zeitung: Die dunkle Seite des Jakobswegs

Beitrag von Fred »

Der Jakobsweg ist eine wunderbare Sache für Menschen, die das zu schätzen wissen. Das bestreitet doch niemand.

Leider ist halt die sakrale Erzählung vom Jakobusgrab keine friedvolle Überlieferung. Warum kann das Jakobus-Narrativ nicht einfach säkularisiert werden und als ehrliche Legende tradiert werden? Dann ist das Wandern auf diesem Weg doch noch genauso schön. Ohne dass man Zweck-Esoteriker werden muss...

Es ist noch keine hundert Jahre her, dass der spanische Faschismus zusammen mit Jakobus eine Art Kreuzzug im eigenen Land unternommen hat. Ist das das richtige Christentum?

:-)

Mario
WoM
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Re: Stuttgarter Zeitung: Die dunkle Seite des Jakobswegs

Beitrag von WoM »

Ach Mario,

warum? Nur extrem überzeugte Katholiken gehen da mit. Ganz ausschließen kann man es auch nicht, selbst wenn es sehr, sehr unwahrscheinlich ist. Aber warum willst du ihnen das vermiesen, das tut dir doch nicht weh. Glaube kaum, dass jemand als islamophob aus der Kathedrale rausgeht, wenn er es vorher nicht schon war.
Nimm es mir nicht übel, aber man kann es auch überinterpretieren.

Grüßle Wolfgang
Nach dem Camino ist vor dem Camino 8-)
Fred
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Re: Stuttgarter Zeitung: Die dunkle Seite des Jakobswegs

Beitrag von Fred »

Hi Wolfgang,

mir geht es auschließlich um die Ausgangsfrage "Muss wegen des zitierten Artikels in der Stuttgarter Zeitung die Geschichte des Jakobsweges umgeschrieben werden?" So hat es Peter Schulze in seinem Start-Posting formuliert. Und, um uns die schwere Bürde des Überlegens netterweise zu ersparen, hat er gleich seine eigene Interpretation mitgeliefert. Und die beinhaltet reine Desinformation.

Für mich ein Ansporn, mich mit dem Thema zu beschäftigen und mir mehrere Bücher über die »Christen und Muslime auf der Iberischen halbinsel 711 - 1492« zu besorgen und zu lesen. Zur Erläuterung meiner Motivation zitiere ich hier mal den Klappentext von »DIE RECONQUISTA«, ein aktuelles Büchlein (2019) von Nikolas Jaspert, Professor für Mittelalterliche Geschichte an der Universität Heidelberg:

»Reconquista ist ein Propagandabegriff, der die Gefahren vieler Missverständnisse birgt und bis in unsere Tage häufig missbraucht wurde. Er bezeichnet eine Epoche wechselvoller Beziehungen zwischen Muslimen und Christen vom 8. bis zum 15. Jahrhundert, die durch Austausch und Pragmatismus kaum weniger geprägt wurde als durch Kämpfe und Eroberungen.« Quelle s.o.

Diejenigen, die den französischen Jakobsweg-Film »SAINT JACQUES...LA MECQUE« (Pilgern am Französisch) kennen und lieben, verstehen vielleicht was ich meine. Die verbindenden Handlungsweisen der Zeit der muslimischen Anwesenheit auf der Iberischen Halbinsel bewusst zu machen, um gegen orthodoxe Hetzerei ein Klima des Verstehens zu fördern, das könnte die NEUE GESCHICHTE und Berechtigung dieses ersten Europäischen Kulturweges werden. Wenn daran überhaupt Interesse bestünde...

Mario
WoM
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Re: Stuttgarter Zeitung: Die dunkle Seite des Jakobswegs

Beitrag von WoM »

Vielen Dank Mario für die ausgiebige Erläuterung!!!

Gut, den Film kenne ich nicht, aber auf dem Camino habe ich viele Menschen getroffen, denen die Hintergründe jetzt schon egal waren - auch eine Muslima. Deswegen meine Überlegung, ob man mit dieser Diskussion erst ein Fass aufmacht, das vorher uninteressant war.
In dem Fall kämen dann die Extremen, die man nicht rufen wollte.

Grüßle Wolfgang
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Fred
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Re: Stuttgarter Zeitung: Die dunkle Seite des Jakobswegs

Beitrag von Fred »

Ciao Wolfgang,

der Film ist absolut sehenswert.

Klar sind viele völlig uninteressiert. Das ist nicht nur beim Camino Francés so, sondern auch in der Politik. Aber das ist deren Problem...

Eigentlich bin ich kein Buchpilger, sondern eher ein an spirituellen Orten interessierter GPS-Weitwanderer. Dieses Jahr ist es halt u.a. der Mozarabische Pilgerweg und da liegt es auf der Hand, mich über al-Andalus kundig zu machen. Das ist total aufschlussreich, es ist unsere Geschichte, unsere Herkunft. Und die Herkunft der Verbreitung von Desinformation. Und das reizt mich natürlich zum Widerspruch. Dubito Ergo Sum...

:-)

Mario
Fred
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Re: Stuttgarter Zeitung: Die dunkle Seite des Jakobswegs

Beitrag von Fred »

Musik verbindet Kulturen - Kultur verbindet Menschen

1. Klassische Musik aus al-Andalus:

https://www.youtube.com/watch?v=sfTh8UkETsk

Bild
Quelle: Screenshot s.o.

Zitat (Quelle s.o.): »Die klassische andalusische Musik wurde im 9. Jahrhundert im Kalifat von Cordoba geboren. Der 857 verstorbene irakische Musiker Ziryab, ein Hofmusiker Abd al-Rahmans II. In Córdoba, gilt historisch als sein Schöpfer. Im elften Jahrhundert gab der Dichter, Komponist und Philosoph Ibn Bajjah aus Zaragoza dem Ziryab-Stil einen neuen Impuls, indem er Elemente der mittelalterlichen spanischen Musik aufnahm, um einen völlig neuen Stil zu kreieren, der sich auf der gesamten Iberischen Halbinsel und in Nordafrika ausbreitete.
Im 11. Jahrhundert waren Spanien und das maurische Portugal zu einem Zentrum der Instrumentenherstellung geworden. Diese Produkte wurden nach und nach in Frankreich eingeführt, beeinflussten die Troubadours und erreichten das restliche Europa. Die Wörter Laute, Rabel, Gitarre und Orgel stammen aus dem Arabischen.«

Bei den Mauren muss man zwischen den eher derben Berbern aus Nordafrika und der Sahara und den gebildeten Arabern aus dem 'Morgenland' unterscheiden.

2. Musik der Sepharden (Das sind die iberischen Juden)

https://www.youtube.com/watch?v=f6uWmoFw_M0


Bild
Quelle: Screenshot s.o.

3. Musik der Visigoten (Westgoten)


https://www.youtube.com/watch?v=THWPUC19V9A


Bild
Quelle: Screenshot s.o.

Mario
WoM
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Re: Stuttgarter Zeitung: Die dunkle Seite des Jakobswegs

Beitrag von WoM »

Mario d'Abruzzo hat geschrieben: 5. Jan 2020, 22:38 Ciao Wolfgang,

der Film ist absolut sehenswert.

Klar sind viele völlig uninteressiert. Das ist nicht nur beim Camino Francés so, sondern auch in der Politik. Aber das ist deren Problem...

Eigentlich bin ich kein Buchpilger, sondern eher ein an spirituellen Orten interessierter GPS-Weitwanderer. Dieses Jahr ist es halt u.a. der Mozarabische Pilgerweg und da liegt es auf der Hand, mich über al-Andalus kundig zu machen. Das ist total aufschlussreich, es ist unsere Geschichte, unsere Herkunft. Und die Herkunft der Verbreitung von Desinformation. Und das reizt mich natürlich zum Widerspruch. Dubito Ergo Sum...

:-)

Mario
Hi Mario,

das ist gut!
"Dubito Ergo Sum" ist gut! Manchmal braucht es das Hinterfragen, um die Situation klarer darzustellen.

Ich für meinen Teil genieße den Camino und sehe für mich keinen Grund, ihn groß zu hinterfragen. Für mich ist er Erholung pur und meine spanische Hälfte stört sich an der deutschen Neigung, immer etwas negatives zu suchen und dies zu betonen.

Als überzeugter Evangele war die katholische Kirche früher der "Feind" schlechthin. Jetzt arbeite ich in unserer Gemeindeleitung sehr viel mit der katholischen Kirche zusammen und merke, dass es dort tolle Geschwister gibt. Es gibt Kirchen auf dem Camino, da werde ich ganz klar ausgeladen, aber andere Priester leben eine offene Herzlichkeit, die gut tut und einen weiterbringt.
Was tun? Suche ich nur das Schlechte, dann finde ich bei der katholischen Kirche mehr als genug. Weitergebracht haben mich die positiven Erfahrungen.

Eine andere interessante Geschichte: Bekannte von mir haben die Turmuhren für das größte Hotel in Mekka gebaut. Als überzeugte sehr konservative Christen durften sie das Ergebnis nur aus der Ferne betrachten. Weshalb haben sie den Auftrag bekommen? Weil sie christliche Werte und eine bestimmte Moral leben.
Bei uns gibt es ein katholisches Mädchengymnasium, da schicken Muslime zT ganz bewusst ihre Töchter hin, aufgrund der Werte, die vermittelt werden.

Viele Muslime wünschen sich Christen, die zu ihrem Glauben stehen, anstatt sich spätestens im zweiten Satz für die Kreuzzüge zu entschuldigen. Als die Familienministerin vor zwei Jahren nicht einmal mehr frohe Weihnachten gewünscht hat, waren einige Muslime empört.

Vermutlich wird kein Muslim auf dem Camino diskriminiert, das ist für mich schon genug. Klar würde er Korane verteilen, würde er gleich viel Ärger bekommen, wie wenn ich Luthers 95 Thesen anschlagen würde, aber das weiß man.

Geschichte finde ich sehr spannend und vieles schaue ich mir sehr interessiert an. Aber man kann differenzieren. Beim Kolosseum bewundere ich die Architektur, weiß, dass es dort unerträgliche menschenverachtende Spiele gab, mit dem Wissen, dass dies Geschichte ist.
So ähnlich gehe ich an den Camino ran. Klar, da ist die Geschichte eine andere ...

Genug geschrieben.
Grüßle Wolfgang
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Fred
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Re: Stuttgarter Zeitung: Die dunkle Seite des Jakobswegs

Beitrag von Fred »

Hi Wolfgang,

soll doch jeder seine Weitwanderwege laufen, so wie es für ihn wichtig ist. Und wer nach den Jakobswegen weitermacht, der entdeckt vielleicht, dass es wo anders auch funktioniert...

3.076 Klicks auf diesen Faden. Nicht schlecht...

Mir geht es darum, dass es Bestrebungen der Geschichtsklitterung gibt. Also Desinformationen, die einen bestimmten, die Menschen spaltenden, Zweck erfüllen sollen. Wer sich da passiv verhält, weil es so bequemer ist, unterstützt die Lüge. Und die aktuellen weltweiten politischen Ereignisse zeigen, dass Lügen nur oft genug wiederholt werden müssen, um von einer steigenden Masse geglaubt zu werden...

Aber ich habe eigentlich ein ganz neues Problem. Nur kurz. Es hat mit dieser sog. Reconquista, also der christlichen Eroberung der Iberischen Halbinsel zu tun. Aber noch mehr eigentlich mit meiner Wanderung auf dem Mozárabischen Pilgerweg im April/Mai diesen Jahres.

Diese Mozáraber, wer waren die eigentlich und sind die wirklich nach Santiago de Compostela gepilgert, hat die Bezeichnung dieser Wegführung überhaupt eine Berechtigung?

Mir ist aufgefallen, dass ich für den Camino Mozárabe keinerlei historische Quellen finden kann. Die Mozáraber waren Christen, die sich aber kulturell für die arabischen Lebensweise entschieden haben. Sie lebten nicht nur im muslimisch beherrschten Teil Spaniens, sondern auch im christlichen Nordspanien. Diese Christen waren einerseits aus der Vergangenheit römisch geprägt, zum großen Teil aber als Nachkommen der germanischen Westgoten Anhänger eines arianischen Christentums. Sie verfolgten also einen streng monotheistischen Ansatz; Jesus konnte für sie nicht ein zweiter Gott neben dem Gott aus vorchristlicher Zeit sein, nur ein besonders von Gott ausgezeichneter Mensch. Das verstieß natürlich gegen die Trinitätslehre der römisch-katholischen Kirche. Und jetzt kommt das daraus Resultierende: Heiligenverehrung war für die westgotischen Christen darum erst mal kein Thema.[1] Dann die Wirklichkeit in den 800 Jahren muslimischer Herrschaft in Spanien. Da war ständig Zoff. Vereinfacht: meist Krieg jeder gegen jeden. Also auch katholische Königreiche gegen andere katholischen Königreiche, muslimische Herrschaftsgebiete gegen andere muslimischen Herrschaftsgebiete und alle möglichen Kombinationen davon. In so einer Zeit 1.000 km quer durch Kriegsgebiete als arianischer Christ pilgern? Das erscheint mir unglaubwürdig.

Ist die Geschichte des mozárabischen Weges also eine reine Erfindung? Das wird meiner Freude an diesem Weg keinen Abbruch tun und zwei Tage davon werden wir ja auch mit den Eseln unterwegs sein.

[1] Quelle: http://jakobus-camino-emmerich.de/wp-content/uploads/2017/04/Heiligenverehrung-Galicien-2.4.2017.pdf Seite 6

:-)

Mario
Zuletzt geändert von Fred am 7. Jan 2020, 20:03, insgesamt 1-mal geändert.
WoM
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Re: Stuttgarter Zeitung: Die dunkle Seite des Jakobswegs

Beitrag von WoM »

Hi Mario,

spannendes Thema!
Zu dem Camino würden mich Informationen auch interessieren! Spannendes Thema! Also bitte auf dem laufenden halten.

Zur Geschichtsklitterung: da Geschichte meist von den Siegern geschrieben wird, stelle ich es mir schwierig vor, die Quellen nach über 1000 Jahren richtig zu deuten ...
Auch da dürfte es verschiedene Meinungen geben.

Grüßle Wolfgang
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Re: Stuttgarter Zeitung: Die dunkle Seite des Jakobswegs

Beitrag von Fred »

»Immer schreibt der Sieger die Geschichte der Besiegten.
Dem Erschlagenen entstellt der Schläger die Züge.
Aus der Welt geht der Schwächere und zurück bleibt die Lüge.«


Bertolt Brecht

Die Historiker lassen sich da schon einiges einfallen. Beispielsweise ging es um die Motivation der Kämpfer beider Seiten auf der Iberischen Halbinsel zur Zeit von al-Andalus. Dazu untersuchten Historiker nicht offizielle Dokumente, sondern die Testamente und Abschiedsbriefe der in den Kampf ziehenden. Und da kam ein interessanter Unterschied zwischen iberischen und aus Europa oder Nordafrika herbeigekommenen, mitkämpfenden Kriegern zu finden. Die eher Einheimischen waren auch stark an Verhandlungen und unblutigen Kompromissen interessiert, während die Auswärtigen mehrheitlich auf brutalstmögliche Auslöschung setzten. Auch die jeweiligen Könige oder Sultane waren eher an Tributzahlungen und Verhandlungen interessiert. Das änderte sich in Spanien erst durch eine neue, kompromisslose Berbergruppe aus Marrakesch und durch fanatische Christen aus Europa, die die Eroberung der Iberischen Halbinsel als Kreuzzug, versehen vom Papst mit den gleichen Heilsversprechen wie für Palästina, verstanden.

Mario
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Gertrudis
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Re: Stuttgarter Zeitung: Die dunkle Seite des Jakobswegs

Beitrag von Gertrudis »

Mario d'Abruzzo hat geschrieben: 7. Jan 2020, 12:56

Diese Mozáraber, wer waren die eigentlich und sind die wirklich nach Santiago de Compostela gepilgert, hat die Bezeichnung dieser Wegführung überhaupt eine Berechtigung?

Mir ist aufgefallen, dass ich für den Camino Mozárabe keinerlei historische Quellen finden kann. Die Mozáraber waren Christen, die sich aber kulturell für die arabischen Lebensweise entschieden haben. Sie lebten nicht nur im muslimisch beherrschten Teil Spaniens, sondern auch im christlichen Nordspanien. Diese Christen waren einerseits aus der Vergangenheit römisch geprägt, zum großen Teil aber als Nachkommen der germanischen Westgoten Anhänger eines arianischen Christentums. Sie verfolgten also einen streng monotheistischen Ansatz; Jesus konnte für sie nicht ein zweiter Gott neben dem Gott aus vorchristlicher Zeit sein, nur ein besonders von Gott ausgezeichneter Mensch. Das verstieß natürlich gegen die Trinitätslehre der römisch-katholischen Kirche. Und jetzt kommt das daraus Resultierende: Heiligenverehrung war für die westgotischen Christen darum erst mal kein Thema.[1] Dann die Wirklichkeit in den 800 Jahren muslimischer Herrschaft in Spanien. Da war ständig Zoff. Vereinfacht: meist Krieg jeder gegen jeden. Also auch katholische Königreiche gegen andere katholischen Königreiche, muslimische Herrschaftsgebiete gegen andere muslimischen Herrschaftsgebiete und alle möglichen Kombinationen davon. In so einer Zeit 1.000 km quer durch Kriegsgebiete als arianischer Christ pilgern? Das erscheint mir unglaubwürdig.

Ist die Geschichte des mozárabischen Weges also eine reine Erfindung?
Mundicamino schreibt dazu:

"Camino Mozárabe

Desde el siglo X, la devoción al Apóstol Santiago en el Sur de la Península se materializa en una ruta específica que, con el paso de los siglos, será conocida como Vía de La Plata. Precisamente por ser un territorio habitado por numerosa población mozárabe (cristianos que vivían en territorio musulmán) fue conocido popularmente como “Camino Mozárabe” o “Camino de los mozárabes”. Es tristemente célebre por haber sido el camino seguido por el temible caudillo musulmán Almanzor, tras el saqueo de Santiago de Compostela."

Also (wie ich das verstehe): seit dem 10. Jh. materialisierte sich die Verehrung für den Apostel Santiago im Süden der Halbinsel in einer speziellen Route, die im Lauf der Jahrhunderte als Via de la Plata bekannt wurde. Da es genau ein Gebiet war, in der eine zahlreiche mozarabische Bevölkerung lebte, wurde sie volkstümlich als "Camino Mozarabe" oder "Weg der Mozaraber" bekannt. Traurigerweise ist er dafür berühmt, dass es der Weg war, dem der schreckliche musulmanische Führer Almanzor während der Plünderung von Santiago de Compostela gefolgt ist."

Weiter heißt es dann einfach, dass heutzutage zwischen der Via de la Plata und dem Camino Mozarabe insofern genau unterschieden wird, dass letzterer ein ganz anderer Weg ist, der erst nach 380 km auf die Via de la Plata trifft.
"En la actualidad se distingue perfectamente entre la Vía de la Plata y el Camino Mozárabe. Éste es un camino completamente diferenciado del anterior, que discurre a lo largo de 380 Kms. por los bellísimos territorios de Córdoba, Granada, Jaén y Badajoz. ..."

Demnach wäre der Name "Camino Mozarabe" also einfach eine andere, angeblich volkstümliche Bezeichnung für Wege aus den mozarabisch besiedelten Gebieten nach Santiago...
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