Jaron hat geschrieben: ↑17. Okt 2019, 00:05
Was ist denn die katholische Kirche heute?
Die katholische Kirche kann man wohl mit dem Beispiel der blinden Gelehrten und dem Elefant erklären.
Jeder mag sie auf seine Weise wahrnehmen und kann eine Geschichte erzählen, wie man selbst die Begegnung
mit einem oder vielen (Mit-)gliedern wahrgenommen hat. Trotzdem ist das immer nur eine Geschichte von einem
Glied von ganz vielen und beschreibt ein paar Zellen des Leibes Christi. Und dann hat sie noch darüber hinaus ihre
tiefe Eingründung im Schöpfer des Universums, der schon gar nicht erfassbar ist. Ihre Ausdehnung in der geistigen
Welt ist weder durch Raum noch Zeit begrenzt. Karl Rahner sagt: Glauben ist, die Unbegreiflichkeit Gottes ein
ganzes Leben lang aushalten.
Die katholische Kirche ist ca. 2000 Jahre alt und hat ungefähr so viele Mitglieder wie es Chinesen gibt, nur dass sie auf
allen Kontinenten und in allen Kulturen vertreten ist. Die Chinesen haben z.B. den Wackelpudding Internet an die Wand
genagelt (Begriff: Bill Clinton), doch so kann und will die katholische Kirche nicht handeln. Ihren eigenen Versuch in
dieser Hinsicht hat sie schon im Mittelalter aufgegeben.
Sie ist leise in der Eucharistischen Anbetung und laut im Orgelchoral und wenn über 100.000 Menschen
dasselbe Lied singen, sie ist einsam in der Klosterzelle und besser besucht als jedes Fußballstadion zu ihren Hochfesten
an den großen Wallfahrtsorten, sie ist tief in Brot und Wein, in Thomas von Aquin, Caterina von Siena, Theresa von Ávila,
Meister Eckart, Edith von Stein usw. und flach bei einigen, denen ihr Glaube nicht wichtig ist und die trotzdem dazugehören.
Die einen sagen, wir brauchen Geld, um den Betrieb hier am Laufen zu halten, die anderen sagen, "Nehmt kein Geld und
vertraut doch auf Gott!" und spenden nix. Sie feiert und sie fastet, beichtet, büßt. Sie betet in vielen Orden in der Welt
rund um die Uhr. Keiner weiß, wie unsere Welt aussehen würde, wenn wir diese stete Gebetsleistung nicht hätten.
Und was ist mit uns selbst? Letztes Wochenende hab ich mal als gemeinsame Bußübung 1000 Ave Marias hintereinander
gebetet, da hatte ich hinterher Apfelmus im Kopf.
Wie Theresa von Ávila sagte: Wenn fasten dann fasten, wenn Rebhuhn dann Rebhuhn.
Das Wort Humilité, Demut, fand ich dieses Jahr an der Rückwand einer kleinen katholischen Kapelle am Jakobsweg.
Im Dach war ein großes Loch, die Kirchenbänke bestanden aus aufgestapelten Steinen und links hinten in der Ecke
wuchs ein Feigenbaum. Wenn etwas so viel größer ist als wir, wer sind dann wir schon? Und welchen Wert hat unser
subjektives Urteil?
Beispiel: Wenn ich bedenke, dass Frauen vor weniger als 100 Jahren hier noch nicht allein eine Wohnung hätten anmieten können,
vor 100 Jahren erst wählen durften, so ist es klar, dass das Geschehen für manche von ihnen in der katholischen Kirche noch
suboptimal ist. Aber inzwischen habe ich auch viele Frauen kennengelernt, die keine Frauen als Priesterinnen haben wollen
und sehr zufrieden mit dem sind, wie es ist. Hier in Deutschland. Hier ist eine Scheidung auch kein Ding, aber in anderen
Kulturen fällt eine Geschiedene umgehend im freien Fall bis an den Unterboden der Gesellschaft durch.
Und im Moment? Nach dem erschütternden Missbrauchsskandal bin ich angetan von dem inzwischen entwickelten
Schutzkonzept. Die aktuelle Amazonassynode, die konkret den indigenen Völkern und anderen Bewohnern von Amazonien
über Umweltschutz und ihre Bedürfnisse zuhört und mit ihnen redet und gute Lösungen finden will; und dass der Papst
seine Umweltenzyklika "Laudato Sí" (kostenlos bei Audible) schon 2015 - lange vor Greta - veröffentlicht hat,
finde ich ausgesprochen erfreulich.