Raimund Joos hat geschrieben: ↑2. Sep 2019, 21:28
Ne - Ich meine die spinnen nicht sondern sind einfach nur konsequent geschäftstüchtig.
Was ist geschäftstüchtig? Ich freue mich auch als Pilger, wenn ich eine Bar finde, in der ich meinen café con leche schlabbern kann, und abends ein Bett habe. Ich bin dankbar für die Geschäftstüchtigkeit, die mir das ermöglicht.
Ich sehe schon, worauf du hinaus möchtest (denke ich jedenfalls): Es geht darum, dass Caminos und ihre Pilger zu kommerziellen Zwecken ausgenutzt werden. Aber mal ehrlich: Ich habe auf meinen Caminos Bedürfnisse und bin froh, wenn sie von den Menschen gedeckt werden. Und ich freue mich über das eine oder andere Angebot. Wenn ich es annehme, ist das doch MEINE Entscheidung. Ob ich mich als Pilger als Mittel zum kommerziellen Zweck sehe oder gar zu ihm mache, ist MEINE Entscheidung. Ich kann die Angebote annehmen oder lasse es bleiben, ich kann mit Ultraleichtrucksack und -utensilien in Wanderschuhen meinen Weg gehen, ein Buch in der Bauchtasche, das mir den Weg erklärt, und das eine oder andere Angebot dankbar annehmen, oder ich gehe barfuß und nur mit einem Stock und einer Kalebasse dran, in die ich mir ausschließlich Brunnenwasser fülle - das ist MEINE Entscheidung, für die ICH ganz alleine verantwortlich bin, nicht die Geschäftstüchtigkeit anderer.
Raimund Joos hat geschrieben: ↑2. Sep 2019, 21:28
Wobei das heilige Jahr ja eigentlich garnichts mit dem Jakobsweg zu tun hat, sondern nur mit der heiligen Pforte der Kathedrale.
Mit einem fragenden Blick zu Christoph Kühne behaupte ich jetzt mal das, was ich weiß:
Papst Calixt II. räumte Santiago 1122 das Privileg ein, einen vollständigen Ablass gewähren zu dürfen, und trieb Rom damit die Neidesgrüne ins Gesicht, denn dort durfte man das nicht. Freilich machten sich dann alle, die daran glaubten, dass diese Reise ihnen die Vergebung aller Sünden beschere, auf den Weg nach Santiago. Das Heilige Compostelanische Jahr wurde allerdings erst 1300 von Bonifatius VIII. eingeführt - also lange, nachdem Santiago bereits das Privileg erhalten hatte. Belegt ist die Öffnung der Gnadenpforte allerdings erst noch später, nämlich im 15. Jh.
So weit, so gut, aaaaber ich weiß ja nicht, wie es euch geht, aber ich laufe nach Santiago hin, um die Kathedrale, Grablege des Jakobus, zu besuchen, und an dieser Kathedrale gibt es eine besondere Pforte, nicht groß und pompös, sondern ganz klein und eng. 2016 war sie auch geöffnet und ich fand es schon ein bisschen ... halsknödelig, durch sie hindurch zu gehen. Aber ich denke, das ist einfach eine Sache, die ganz persönlich ist. Ich bin da eh ein bisschen ... bauchlastisch.
Raimund Joos hat geschrieben: ↑2. Sep 2019, 21:28
Ob man da vorher 100 km zur Buße gelaufen ist oder vorher vor der Kathedrale 1.000 Liegestütze gemacht hat tut auch absolut nichts zur Sache was den Ablass des heiligen Jahres angeht.
Das mit den 100 km zu Fuß (200 km mit dem Rad oder Pferd) (wie das mit E-Bikes gehandhabt wird ....) bezieht sich auf die Compostela und die ist KEIN Ablassbrief.
Raimund Joos hat geschrieben: ↑2. Sep 2019, 21:28
Abgesehen davon wirkt der ganze tolle Ablass nur dann, wenn man in der Kathedrale angekommen auch die Sakramente der Beichte und der Kommunion erhalten hat - und das dürfen nach den Köpfen des Opus-Dei-lastigen Domkapittels ohnehin nur Katholiken. (Mann sollte also auch hier auf "das Kleingedruckte" des Kirchenrechts achten)
Ich fände es angemessen, wenn du Kirchenmänner, die du nicht magst, nicht gleich dem Opus Dei zuordnen würdest (dem ehemaligen Pfarrer von Boente hast du das leider auch unterstellt). Ich finde, das hat ein bisschen mit Respekt zu tun, den man auch dann haben sollte, wenn man anderer Meinung ist.
Raimund Joos hat geschrieben: ↑2. Sep 2019, 21:28
Strengenommen kann man sich dann auch die heilige Pforte sparen, denn bei der Beichte werden wenn mans wirklich glaubt ohnehin die Sünden vergeben (.... Der Unterschied der verschiedenen Qualitäten der Sündenvergebung ist zumindest nur für einige Theologen verstehbar die noch dran glauben.)
Streng genommen kann man sich das ganze Gepilgere sparen ... Ich tu es aber nicht, weil Pilgern für mich etwas ganz anderes ist. Das mit dem Ablass für meine Sünden ... kommt bei mir nicht vor. Ich denke, ich habe mein Leben bisher auch ohne Mord und Totschlag ganz gut bewältigt, und den Rest ... Schau mer mal.
Raimund Joos hat geschrieben: ↑2. Sep 2019, 21:28
Man könnte die ganze Veranstaltung m.E. somit auch ein
SCHEIN-HEILIGES JAHR bezeichnen, da sich dann Galicien und Santiago wieder auf gesteigerte Einnahmen im Tausch zu einem (evtl. trügerischen?) Gefühl der Unschuld bei den (Gut-) Gläubigen freuen kann. Im Mittelalter nannte man so eine Täuschung noch schlicht "Ablasshandel". Heute muss man das ganze zeitgemäß und ein wenig subtiler einfädeln um es erflogreich zu verkaufen...
Ich wage es nicht, darüber zu urteilen, was heilig und was scheinheilig ist. Ich finde, es steht mir nicht zu.
Sicherlich hast du damit recht, dass Santiago sehr gut von den Menschen lebt, die zum Grab des Apostels strömen. Ja. Sicherlich weiß die Stadt das Heilige Jahr zu nutzen. Ja. Sicherlich kann man das gut oder schlecht finden. Ja. Jeder darf darüber denken, wie er möchte.
Aber: Geht es denn wirklich um den Ablass? Glauben all die Menschen, die nach Santiago kommen, wirklich an den Ablass und besuchen darum die Kathedrale? - Dann gehöre ich zur absoluten Minderheit derer, die Kirchen wie italienische Opern erleben: Man muss nicht jedes Wort verstehen, man muss sie fühlen und wenn man hinterher keine sauberen Taschentücher mehr hat, war sie gut.