Orientierungsfragen Jakobsweg

Allgemeine Diskussionen zur Pilgerei und ihrer Geschichte
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Icecube84
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Re: Orientierungsfragen Jakobsweg

Beitrag von Icecube84 »

Oder am Cruz de Ferro. Da kann man auch gut was ablegen ;)
Buen Camino,
Jani

Camino francés / Pilgerweg McPomm / Camino portugués / Jakobusweg Lüneburger Heide / Via Scandinavica
Eifel-Camino
Nici
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Re: Orientierungsfragen Jakobsweg

Beitrag von Nici »

Hallo zusammen,

wie versprochen wollte ich mich hier nochmal melden und kurz berichten:

Aufgrund der Spontanität hatte ich mich für den Camino Frances entschieden, weil der vermutlich am besten erschlossen ist. Ich hatte wie geschrieben 3 Wochen Zeit, bin nach Madrid geflogen, von dort mit dem Bus nach Burgos und dann los gelaufen. Ich hab dann schnell gemerkt, dass es für mich nicht darum geht nach Santiago zu laufen, sondern dass ich einfach nur allgemein laufen will, Ziel egal. Wass für mich das beste auf dem Camino war: Ich hab unglaublich freundliche und interessante Leute auf dem Weg getroffen und einige Freundschaften geschlossen, die mir auch bei der Verarbeitung der Trennung geholfen haben. Es ging dann durch die Mesata, ich war dort viel mit Freunden unterwegs, hatte aber trotzdem Zeit über alles nachzudenken. Vor Leon habe ich dann die letzte Etappe per Bus übersprungen, nach Leon dann nochmal 2 Etappen übersprungen, ab dann bin ich wieder gelaufen. Ich war dann mehr allein, was mir recht war, so konnt ich mich besser mit mir selbst beschäftigen. Um besser mit bestimmten Gedanken abzuschließen, hatte ein Heft dabei, das ich für Notizen genutzt habe. Corona-Maßnahmen gab es nur sehr wenige (Sinn/Unsinn will ich jetzt nicht bewerten), aber im Wesentlichen konnte ich uneingeschränkt reisen. Von Astorga bin ich bis nach Sarria gelaufen, ab da wurde es mir zu voll und ich hatte auf einmal das Bedürfnis noch ans Meer zu fahren. Also habe ich noch mal den Bus nach Arzua genommen, von dort gings dann nach Santiago. Das Ankommen hat mir wenig gegeben, was ich für mich mitgenommen hab, kam vom Laufen, vom Weg, vom Denken und Schreiben und vor allem von den Menschen unterwegs. Die Stadt war voll, hab mich dort nicht wohl gefühlt, lag glaub am Wochenende vom Kolumbus-Tag, ich bin von dort so schnell wie möglich in den Bus nach Fisterra, wo ich 2 Tage am Meer verbracht hab, was nochmal ein richtig guter Abschluss war, dann gings leider schon zurück nach Santiago und dann Heimflug nach Frankfurt.

Der Camino war eine tolle Erfahrung, ich konnte natürlich nicht alles verarbeiten in 3 Wochen aber es ging mir viel, viel besser als ich dann daheim angekommen bin. Leider hat meine Ex-Freundin dann angefangen mir in Whatsapp zu schreiben, obwohl ich nie antworte und ich genau weiß, dass sie kein Interesse mehr hat, was mein Heilungsprozess leider wieder zurückgeworfen hat, aber das ist eine andere Geschichte.

Nochmal vielen Dank an alle für die Hilfe, ich kann mir gut vorstellen, dass bei nächster Gelegenheit einen der anderen vorgeschlagenen Wege laufen werde. Alles Gute :)
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Matt Merchant
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Re: Orientierungsfragen Jakobsweg

Beitrag von Matt Merchant »

Lieber Nici,

ich rate Dir dringend, diese Frau auf WhatsApp zu blockieren; sonst hast Du nie Ruhe und Platz für Neues.

Davon abgesehen ist es sehr schön, zu hören, dass Du Deine eigene Camino-Route gefunden hast und mit Gewinn zurückgekehrt bist.
Mir persönlich wäre Deine Variante mitsamt ihrer Sprünge wahrscheinlich etwas zu kurzatmig ausgefallen, denn ich schalte gerade in den vermeintlich unattraktiven Etappen (z.B. der Einflugschneise nach Léon) überhaupt erst in meinen Reflektionsmodus...
Aber da sind ja alle Pilger*innen sehr unterschiedlich gewickelt- und genau für diese Unterschiede ist dieses Forum ja da. ;-)

Nun - Pilger bleibt Pilger; und Du bist jetzt einer. Also wünsche ich Dir, dass Du die Schatten der Vergangenheit mit einer heiteren Pilger-Mentalität verarbeitest: im Bewusstsein, dass wir auf Erden eine unstete Wander*innen-Existenz führen, dabei sehr oft Abschied nehmen müssen auf dem Weg zu unserem eigentlichen Ziel.

Bon Camino,
Matthias
"Das Unscharfe um das Display herum, das ist der Camino.“ (frei nach M. M. Profitlich) :geek:
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Simsim
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Re: Orientierungsfragen Jakobsweg

Beitrag von Simsim »

Nun - Pilger bleibt Pilger; und Du bist jetzt einer. Also wünsche ich Dir, dass Du die Schatten der Vergangenheit mit einer heiteren Pilger-Mentalität verarbeitest: im Bewusstsein, dass wir auf Erden eine unstete Wander*innen-Existenz führen, dabei sehr oft Abschied nehmen müssen auf dem Weg zu unserem eigentlichen Ziel
Das hast Du jetzt aber schön gesagt, Matthias....

Und Dir, Nici, ganz vielen Dank für Deinen Bericht!
Irgendwie, warum auch immer, hab ich mich ganz besonders gefreut über Deine Beschreibung und wie Du für Dich den Weg erlebt hast. Wünsche Dir von Herzen alles Gute für die weitere Pilgerschaft :)

Simone
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Pilgerbär
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Re: Orientierungsfragen Jakobsweg

Beitrag von Pilgerbär »

"Das Ankommen hat mir wenig gegeben, was ich für mich mitgenommen hab, kam vom Laufen, vom Weg, vom Denken und Schreiben und vor allem von den Menschen unterwegs"

Ich finde du hast es sehr schön beschrieben. Der Ausdruck "der Weg ist das Ziel" hat auf dem Camino seine absolute Berechtigung. Ein Bekannter hat es mal etwa so ausgedrückt: Es ist wie nach einem Unfall, du wirst im Krankenhaus zusammengeflickt und bei deiner Entlassung (Ankommen) bist du zwar nicht gesund aber der Heilungsprozess ist eingeleitet...

Ich finde das man manchmal zu früh aus dem Krankenhaus entlassen wird, dann muss mal halt nochmal da hin...Danke für deinen Bericht, ich wünsche dir noch viele heilende und schöne Pilgerwege.
Ultreya, euer Pilgerbär
Matten
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Re: Orientierungsfragen Jakobsweg

Beitrag von Matten »

Pilgerbär hat geschrieben: 22. Okt 2021, 15:07 "Das Ankommen hat mir wenig gegeben, was ich für mich mitgenommen hab, kam vom Laufen, vom Weg, vom Denken und Schreiben und vor allem von den Menschen unterwegs"

Ich finde du hast es sehr schön beschrieben. Der Ausdruck "der Weg ist das Ziel" hat auf dem Camino seine absolute Berechtigung. Ein Bekannter hat es mal etwa so ausgedrückt: Es ist wie nach einem Unfall, du wirst im Krankenhaus zusammengeflickt und bei deiner Entlassung (Ankommen) bist du zwar nicht gesund aber der Heilungsprozess ist eingeleitet...

Ich finde das man manchmal zu früh aus dem Krankenhaus entlassen wird, dann muss mal halt nochmal da hin...Danke für deinen Bericht, ich wünsche dir noch viele heilende und schöne Pilgerwege.
Habe diese Tage ein Interview mit Hape Kerkeling gesehen. Thema war seine CD, aber er wurde auf den Jakobsweg angesprochen. Er sagte sinngemäß, dass der Weg ihn völlig umgekrempelt hat. Das hat er zwar in Santiago und die Tage danach so nicht bemerkt, aber wenn er zurück schaut, ist der Einfluss des Weges auf sein Leben groß. Wenn ich an sein Buch denke indem er sein berufliches Leben reflektiert und auch beschreibt, wie er z. B. auf dem Weg lernt Grenzen zu setzen (Mein Kampf und die Sache mit dem bellenden Hund) kann ich das nachvollziehen.

Dein Vergleich mit dem Krankenhausaufenthalt gefällt mir ebenfalls.

BC
Martin
Niemand weiß was in ihm steckt, bevor er nicht versucht hat es herauszuholen.
Ernest Hemingway
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