"Euer" Weg vs. der Weg von anderen

Allgemeine Diskussionen zur Pilgerei und ihrer Geschichte
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CyrusField
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"Euer" Weg vs. der Weg von anderen

Beitrag von CyrusField »

Guten Morgen allerseits,

ich weiß nicht, wie ich das Thema besser ausdrücken soll - es geht mir nicht um den Weg als solchen, sondern um die Impressionen, die man unterwegs sammelt.

Ab und an lese ich bzw. schaue in verschiedene Blogs, Bildergalerien oder auch Bücher. Mangels Quellen hauptsächlich über den Camino Francés und den Caminho Português. Wenn ich dort Bilder von Stellen (egal ob Landschaft oder Gebäude) sehe, weiß ich ganz genau, dass ich dort auch vorbeigekommen sein MUSS. Aber die Bilder sehen so anders aus! Teilweise irgendwie komplett unbekannt. Die "Schlüsselstellen" Mal außen vor gelassen.

Da beginne ich mich unvermittelt zu fragen, wo ich an dieser Stelle mit meinen eigenen Gedanken war. Denn einen Grund muss es ja haben, dass ich diesen Ort nicht - oder vielleicht auch ganz anders - wahrgenommen habe. Sicherlich spielen Jahreszeit und Wetter eine Rolle. Oder wenn ich mich unterwegs Mal wieder mit jemandem verquatscht habe.

Auf der einen Seite rede ich mir ein, dass ich die o.g. Wege ja nun schon gepilgert bin und in Zukunft dann lieber woanders pilgere. Etwas Neues sehen will.
Auf der anderen Seite merke ich aber immer wieder, dass ich die gegangenen Wege dennoch nicht wirklich kenne und möchte dort unbedingt noch einmal hin.

Das kann mir doch nicht als einzigem so gehen?!

Oder? ODER?

Buen Camino
Stefan
Camino Francés 2018
Mosel-Camino 2019
Via Mosana 2019 - ... (das wird noch :lol:)
Caminho Portugês Central 2020
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...und auch sonst viel zu Fuß unterwegs: https://stefansspuren.com 8-)
Matten
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Re: "Euer" Weg vs. der Weg von anderen

Beitrag von Matten »

Der Pilger, der ja auch nur ein Mensch ist, kann nicht alles aufnehmen und sich auch nicht alles merken was er gesehen hat. Das gibt die menschliche Festplatte einfach nicht her. Neulich habe ich einen Artikel über ein Forschungsprojekt dazu gelesen. Danach merkt der Mensch sich Erfahrungen und eher nicht Details. Kann man trainieren, aber die grundsätzliche Möglichkeit bleibt.

Meine Erfahrung auf dem Camino: meine Frau hat sich gemerkt was wir wo gegessen haben => ich nur selten
Ich habe mir gemerkt wo wir waren und wen wir dort getroffen haben.

2016 habe ich mit einem Engländer geplaudert. Das war sein 3. CF und er hat bewusst jedesmal an einem anderen Ort übernachtet. Es war jetzt nicht Thema, ob er sich alle Orte gut eingeprägt hat, aber er wollte den CF möglichst gut kennen, bevor er GB von Süd nach Nord durchwandert.

Wie ich einen Ort wahrnehme, hängt auch mit der Stimmung zusammen in der man sich befindet. Bei schönem Wetter ist jeder Ort schöner als beim Pilgern im kalten Nieselregen.

Vor ca. 15 Jahren hat uns eine Psycholgin auf einer Fortbildung ein Beispiel für Wahrnehmung genannt:
Als sie in der Vergangenheit mal heftig verliebt war, fand sie so gar die Hamburger S-Bahn schön 😻 😂
Die Wagons der S-Bahn waren damals eine Zumutung!!!

Mein Fazit: wenn Wetter, Stimmung, Gesellschaft usw. passen, nimmt jemand einen Ort am Weg positiver wahr als jemand, der mit/in einer ungünstigeren Konstellation unterwegs ist.

BC in optimaler Pilgerstimmung🥾🎒😃
Martin
Niemand weiß was in ihm steckt, bevor er nicht versucht hat es herauszuholen.
Ernest Hemingway
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Pooh_der_baer
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Re: "Euer" Weg vs. der Weg von anderen

Beitrag von Pooh_der_baer »

Hallo,

2010 war ich im August von der Via Podiensis kommend auf dem Frances unterwegs.
2014 war es in Juni.

Es war für mich ein nahezu völlig anderer Weg.
Ein Teil der Landschaft kam mir irgendwie bekannt vor. Meistens war mir die Landschaft "fremd".
Es blühte überall.
Es waren mehr Kirchen und Kapellen geöffnet.

Die Bilder der Bilderrätsel kommen mir bekannt vor. Es schwirren zu viele Bilder im Kopf herum, da bleibt
das Wo auf der Strecke.

Berichte anderer Pilger:innen nehme ich einfach nur zur Kenntnis. Ich vergleiche meine Wahrnehmungen und
Erinnerungen nicht mit denen, die niedergeschrieben wurden.

So werde ich dann mal sehen, was die Zukunft auf den Wegen bringen wird.
Winfried
Wer sich nicht erinnert, den bestraft die Zukunft.
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CyrusField
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Re: "Euer" Weg vs. der Weg von anderen

Beitrag von CyrusField »

Pooh_der_baer hat geschrieben: 15. Mär 2021, 09:08 Berichte anderer Pilger:innen nehme ich einfach nur zur Kenntnis. Ich vergleiche meine Wahrnehmungen und
Erinnerungen nicht mit denen, die niedergeschrieben wurden.
Das halte ich allerdings auch so. Im konkreten Fall hier ging / geht es mir rein um die optischen Eindrücke :)
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Simsim
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Re: "Euer" Weg vs. der Weg von anderen

Beitrag von Simsim »

Den Camino Frances bin ich schon mehrmals zurück (fast) komplett gelaufen. Das ist, rein optisch schon, ein völlig anderer Weg. Sehr zu empfehlen, in jeder Hinsicht, aber nur in Zeiten, wo wenig los ist, sonst wird es anstrengend mit all den Entgegenkommenden, die wissen wollen, warum und wieso u.s.w.
Das heißt also, in Bezug auf Stefans Frage, dass ich meinen eigenen Weg nicht wiedererkenne :D tatsächlich....
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Frau Holle
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Re: "Euer" Weg vs. der Weg von anderen

Beitrag von Frau Holle »

Oh, ich weiß soo gut, was du meinst!

Meinen ersten Camino Frances bin ich 2012 gelaufen, ich hatte jeden Tag Blasen, es gab keinen Tag ohne Schmerzen und Leid. Trotzdem habe ich den Camino geliebt.

Zwei Jahre später kam ich von Deutschland aus, war natürlich eingelaufen, bin sogar über die Pyrenäen spaziert und fragte mich, wann es denn mal anstrengend wird (2012 lief ich die Alternative über Valcarlos, weil es Winter war) und ich habe den Camino sooooo anders wahrgenommen!

Ich konnte mich sehr oft sehr konkret an alles erinnern, wie "gleich biegen wir links ab und dann kommt rechts ein Brunnen/ eine Bank/ diesunddas". Teilweise wukderte ich mich selbst wir genau ich die Sachen erinnerte.

Aber es gab auch viele Abschnitte, die waren wie ausgelöscht aus meiner Erinnerung

Am beeindruckendsten war für mich, dass auf dem - in meinem Kopf - völlig einsamen Camino Duro, der ausschließlich durch die Natur führt, plötzlich ein Ort und eine Kirche kamen. Ich stand nur da und war verwirrt, habe zig mal im Wanderführer geblättert und überlegte erns, ob die alte Kirche kürzlich dort erbaut wurde.

Also auf den Abschnitten wo die Schmerzen besonders schlimm waren habe ich echt wenig von meiner Umwelt gespeichert. Und so erlebte ich einen ganz anderen Camino, weil ich ja 2014 ohne jegliche Probleme pilgern durfte
u l t r e i a
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ilfuchur
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Re: "Euer" Weg vs. der Weg von anderen

Beitrag von ilfuchur »

Irgendwann musste ich beim Bilder Angucken mal über mich selbst lachen: Auf meinem ersten CF habe ich bestimmt jeden einzelnen toten Baum fotografiert, auf dem ersten Teil meines zweiten CF Steine und auf dem zweiten Teil Gesichter. Jeder Psychologe hätte seine helle Freude an mir!

Wenn ich die Bilder im Bilderrätsel sehe, denke ich auch ganz oft, dass das so schön ist und ich das doch mindestens einmal auch gesehen haben muss. Hab ich vielleicht auch, aber nicht so, dass ich es mir gemerkt hätte. Hm. Blöd. Da ist mir echt was entgangen.... oder eben auch nicht, weil hätte ich mir das gemerkt, hätte ich vielleicht etwas anderes vergessen. Uuuund so kann man Wege auch öfters gehen, ohne dass es langweilig wird. Das ist doch schön!

Ich liebe Geschichten und Fotos von anderen! Vergleichen tu ich aber selbst meine eigenen Wege nicht, weil jeder Camino irgendwie anders ist. Beim ersten Mal hab ich mich 17 km über diese dämliche Meseta gegrummelt, beim zweiten Mal hätte sie gerne doppelt so lang sein dürfen!

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Pilger, die beim Gehen manchmal einfach nur Bauch und Füße sind - #Bauchfüßler eben.
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