Sex and the Camino - ein Thema mit Licht und Schatten

Allgemeine Diskussionen zur Pilgerei und ihrer Geschichte
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Kruemel
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Re: Sex and the Camino - ein Thema mit Licht und Schatten

Beitrag von Kruemel »

Hier hab ich doch auch zwei Geschichten beizutragen :) und ich finde das Thema toll und auch die sehr unterschiedliche Art und Weise wie hier berichtet wird. Danke dafür.

Ich bin ja glücklich verheiratet und merke immer erst sehr spät, garn nicht oder durch Dritte von diesen Avancen auf mich bezogen :lol:

Auf dem CF bin ich an einem Sonntag in Huarte eingetroffen. Ich hatte die ersten glücklichen 3 Tage hinter mir und war irgendwie gefühlsmäßig total im Caminorausch. Auf dem Kirchplatz war ein Fest und ich hab mich schön unter die Menschen gemischt. Das war super - es gab sowas von leckeres Essen und eine irre tolle Stimmung. Eine (in meiner Erinnerung natürlich super attraktive) ;) junge Spanierin mit einem vielleicht 5 Jahre alten Jungen, fing mit mir an zu plaudern. Das fand ich total schön, war es doch mein erster intensiver Kontakt mit Einheimischen. Wir haben uns prima unterhalten, wie es denn so mit rudimentärem Spanisch, Englisch und viel Mimik und Gestik denn Möglich ist. Das ging den ganzen Nachmittag und Abend so - einfach super. Irgendwann holte ich dann mein Handy raus und zeigte ihr Bilder meiner Frau und meiner Töchter - danach war absolute Sendepause und sie ließ mich allein sitzen :lol:

Auf gleichem Weg lernte ich eine sehr sympatische, attraktive, verheirate Deutsche kennen und schätzen, mit welcher ich 7 Jahre nach Spanien gemeinsam ein Monat in Nepal unterwegs war. Wir teilten uns jede nacht ein gemeinsames Zimmer, manchmal auch ein nicht sehr großes Ehebett. Nie kam es auch nur zu einem Hauch eines "Übergriffes". :)
Zuletzt geändert von Kruemel am 4. Mär 2021, 10:55, insgesamt 1-mal geändert.
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donjohannes
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Re: Sex and the Camino - ein Thema mit Licht und Schatten

Beitrag von donjohannes »

Hmmm. Würde mich jemand fragen, was "Sex and the Camino (and anderswo)" angeht und mir 5 Minuten 21 Sekunden gewähren, dann würde ich es so versuchen zu erklären:
https://www.youtube.com/watch?v=VtrncF2 ... t&index=50
Dann noch die 4:15 der nächsten Folge und dann hat man eine Ahnung, wie ich das einordnen würde: Doppelzimmer für Eheleute sind gut und recht. Allen anderen würde ich ins Gewissen reden. Ich weiß, absolut exotisch, aber ich dachte, ich sag's mal, weil der Camino ja ursprünglich als katholischer Pilgerweg entstand. Nennt es eine "historische Perspektive", wenn ihr wollt. Es ging den meisten Pilgern früher ja mal um religiöse Werte (Buße, Erbauung, Opfer am Weg zum Grab eines Apostels), nicht um das Verführen von Nonnen, "Spass" ohne Ernsthaftigkeit und Konsequenz oder die Ausbeutung emotionaler Schwächen eines anderen zur eigenen Triebbefriedigung ohne Absicht von Liebe in Treue. Sünde und Schwachheit - in diesem Fall ein freier, willentlicher Verstoß gegen das 6. der 10 Gebote (ich weiß, nicht 1% der Jakobspilger könnten diese Gebote auflisten) - hat es zwar immer gegeben, aber die Schamlosigkeit mit der diese "zelebriert" werden, ist wohl über die letzten 25 Jahre auch für den Camino neu. Der Weg hat sich verändert und nachdem wir schon in einem Thread gesehen haben, dass "Pilger" heute für jeden etwas anderes meint, ist Sex-Tourismus vermutlich nur eine andere Form des "Pilgerns"...
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Via2010
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Re: Sex and the Camino - ein Thema mit Licht und Schatten

Beitrag von Via2010 »

Hallo Johannes,

ich gebe Dir vollkommen Recht, was "Sex-Tourismus" auf dem Camino anbelangt. Wer sich gezielt auf den Camino begibt, um sexuelle Abenteuer zu erleben, wäre am Ballermann oder anderen Party-Locations besser aufgehoben. Eben gerade auch weil hier viele sehr verletzliche Menschen in einer Umbruchphase ihres Lebens unterwegs sind und man mit den Gefühlen seiner Mitmenschen nicht spielen sollte.

Ich glaube aber dennoch, dass man das Thema auch außerhalb einer bestehenden Ehe/Partnerschaft nicht vollständig nicht vollständig ausklammern kann. Auf dem Weg sind viele Menschen unterwegs, auf engstem Raum untergebracht, losgelöst vom Alltag. Dabei ergeben sich auch mit vor kurzem noch Fremden tiefschürfende Gespräche, die vielleicht sogar das Gefühl aufkommen lassen, dort auf das Verständnis zu treffen, das man bei dem Partner daheim nicht findet. So können sich "verführerische Situationen/Gedanken" und Versuchungen ergeben.

Und manchmal führt der Weg bzw. das dort Erlebte ja auch Menschen auf Dauer zueinander. Im englischsprachigen Forum gibt es mehrere Threads, die von solchen Begegnungen berichten. Manche der Camino-Paare feierten mittlerweile bereits Silberhochzeit. Und das finde ich enorm, gemessen an der gesellschaftlichen "Halbwertzeit" heutiger Ehen.

BC
Alexandra
moviable
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Re: Sex and the Camino - ein Thema mit Licht und Schatten

Beitrag von moviable »

Ohhauahauaha!!!

Was soll man jetzt noch hier schreiben!?!

Der Camino wird nicht nur von Katholiken begangen, sondern ist ein sanftes Werben Jesu und Santiagos, sich durch die innere Suche beim Pilgern dem Glauben anzunähern. Die aus dem säkularen oder evangelischen Kommenden, die mit Zuammenziehen, Lebenspartnerschaften, Trennungen und Scheidungen erwachsen geworden sind, verstehen vielleicht erst unterwegs oder Jahre danach, dass es so sein kann. Jesus macht das schon mit der Zeit - wie mit der Frau am Jakobsbrunnen, der er erstmal eine Erfrischung angeboten hat.

Mach sie bitte nicht gleich tot mit der Moralkeule. Die katholische Kirche kann auch sehr schön sein, vor allem, wenn sie einen nicht a priori mit Urteilen empfängt. Dankeschön.

https://www.youtube.com/watch?v=_ScI3Zh5iT0
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Matt Merchant
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Re: Sex and the Camino - ein Thema mit Licht und Schatten

Beitrag von Matt Merchant »

Da fällt mir jene Anekdote über den berühmten klassischen Komponisten Francis Poulenc (1899-1963) ein:
Poulenc war, wie manche tief katholisch gläubige Künstler*innen, auch ein großer Erotiker.
Und es heißt, dass er, wenn er Affären und Romanzen hatte, zur Schwarzen Madonna nach Rocamadour pilgerte, um Gott dafür zu danken.

So verdanken ihm die schönste Marien-Litanei des 20. Jahrhunderts: Litanies à la Vierge Noire (1936):
https://www.youtube.com/watch?v=4Xu6PuqUJfw

Augenzwinkernd-vereinfacht ausgedrückt: Es ist doch erbaulich, zu wissen, dass sich dieses spirituelle Meisterwerk (auch) gutem Sex verdankt. ;-)
"Das Unscharfe um das Display herum, das ist der Camino.“ (frei nach M. M. Profitlich) :geek:
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Giselle de compostelle
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Re: Sex and the Camino - ein Thema mit Licht und Schatten

Beitrag von Giselle de compostelle »

Ich erinnere mich, als ich im Mai 2011 in Leon ankam und im riesige Kloster unterkam. Der Ton dort erinnerte mich an eine Kaserne.
Gleich zu Beginn wurde selektiert: Männer, Frauen, Ehepaare.
Ich kam im 100 Bettensaal der Damen unter.
Am nächsten Tag hörte ich, dass es wohl im Saal der Ehepaare zu einer "Konfrontation" mit einer Nonne (die einen Kontrollgang machte) und einem Ehemann kam. Letzterer hatte es wohl gewagt, mit nackigem Oberkörper auf seinem Bett zu sitzen. Die Nonne schimpfte mit ihm, was denn dieses ungebührliche Verhalten soll... Der Mann habe dann nur gelassen geantwortet, dass die Damen, die in diesem Saal nächtigten, wohl schon öfters einen (halb) nackerten Mann gesehen hätten und nicht davon Schaden tragen würden. :lol: :lol: :lol:
Die Nonne zog empört von dannen :lol: :lol: :lol: :lol: :lol:
Camino de Santiago es como respirar el alma ...
CF 07.05.11-05.06.11
Camino Finisterre-Muxia 16.06.13-26.06.13
VdP Sevilla-SdC 22.08.15-03.10.15
CdN Bilbao-SdC 01.09.17-30.09.17
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Fred
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Re: Sex and the Camino - ein Thema mit Licht und Schatten

Beitrag von Fred »

Lieber Johannes,

ich bin ein großer Fan von Dir. Wirklich ein sehr großer. :-)

Nur, diese "4:15 der nächsten Folge" sind an Weltfremdheit wirklich nicht zu überbieten. Vor allem sollte "die Kirche" dieses Thema Was lehrt die kirchliche Sexualmoral zuerst auf ihren eigenen Klerus anwenden. Es geht doch letztlich nur um Macht; um Macht über Abhängige. Alles andere erscheint mir ziemlich scheinheilig.
donjohannes hat geschrieben: 4. Mär 2021, 09:36 Dann noch die 4:15 der nächsten Folge [...]
Warum schenkt denn diese Amtskirche nicht endlich den Frauen die gleichen Möglichkeiten wie den Männern? Wo christliche Liebe doch ein Geschenk darstellt? "Die Kirche", das sind nicht nur die 'oben', sondern alle. Oder denke ich da falsch?

Natürlich muss ich mich für diese kritische Bemerkung ein bisschen entschuldigen, aber ich bin halt auch ein sehr, sehr großer Fan von Karlheinz Deschner und seine zehn Bände "Kriminalgeschichte des Christentums" schauen mich ständig aus meinem Bücherregal heraus an und scheinen zu tönen "Ach, zieh mich raus, zieh mich raus, sonst verbrenn ich: ich bin schon längst ausgebacken".

»Zeigen will er [Karheinz Deschner] aber, dass die Verfechter einer ersten Moralinstanz ihr Ideal nicht nur partiell, sondern ständig verfehlten.«
Quelle: Wikipedia über Deschners 'Kriminalgeschichte des Christentums'

Sorry :-)

Mario
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Berthold
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Re: Sex and the Camino - ein Thema mit Licht und Schatten

Beitrag von Berthold »

M@rio d'Abruzzo hat geschrieben: 11. Apr 2021, 10:37 Lieber Johannes,

ich bin ein großer Fan von Dir. Wirklich ein sehr großer. :-)

Nur, diese "4:15 der nächsten Folge" sind an Weltfremdheit wirklich nicht zu überbieten. ....
Ich habe mir nun auch die Youtube-Filmchen von donjohannes angeschaut. Seine Erklärung von „ was ist Sex“ beleuchtet im Hinblick auf den Geschlechtsakt eine sehr schöne Seite von menschlicher Sexualität, nämlich das Schenken - aber halt nur eine Seite. Dass es jenseits des Schenkens auch einen Geschlechtstrieb gibt, war hingegen schon vor S. Freud auch dem Apostel Paulus bekannt. Unter anderem in 1.Korinther 7, 2 spricht er diesen Umstand geradezu drastisch aus: „Wegen der Gefahr der Unzucht soll aber jeder seine Frau haben und jede soll ihren Mann haben“( Einheitsübersetzung 2016). Da ist vom Geschlechtsakt als Geschenk nicht die Rede, hier geht es nur um Triebbefriedigung.

Wie schön, dass m.E. beide Seiten ihre (gottgewollte) Berechtigung haben.
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donjohannes
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Re: Sex and the Camino - ein Thema mit Licht und Schatten

Beitrag von donjohannes »

@Mario @Berthold

im Forum werden wir das nicht klären. Auch denke ich nicht, dass der Thread dafür eröffnet wurde. Denn da ging's manchen ja mehr um pikante Geschichten. Ich habe mit meinem Beitrag nur einen Denkanstoß aus katholischer Ecke geben wollen. Wer damit etwas anfangen kann... Wer nicht... Alles recht.

Mario, verzeih, dass ich es nicht schaffe, in ein paar Minuten die katholische Sexualmoral so zu erklären, dass es für kulturell ganz anders geprägte Menschen von heute über jegliche "weltfremdheit" erhaben ist. Das bitte ich nachzusehen. Wobei meiner Meinung nach "weltfremd" ja ok ist, solange es "evangeliumsnah" ist - wenn man an die Worte Jesu im Johannesevangelium denkt, wonach seine Jünger zwar IN aber nicht VON der Welt sein sollen. Meine kurzen Clips sind ein Denkanstoß zum Kern einer Lehre, die in meinem - zugegeben - illustren Freundeskreis viele leben und noch mehr zu leben versuchen. Aber die Clips sind keine vollständige Apologetik. Dass der Geschlechtstrieb dabei paulinisch auf die Natur hin geordnet, statt Freud'sch (und eigentlich völlig veraltet) in alles hineingedeutet wird, scheint mir kein Mangel. Dass der sexuelle Akt in Anlehung an Paulus als remedium concupiscientiae verstanden werden kann, bedeutet nicht (und schon gar nicht im Zusammenhang von 1 Kor 7) eine Reduktion darauf. Im Gegenteil. In der Integration und Kultivierung des Geschlechtstriebs ist die liebende Hingabe an den anderen (den Partner - und - so Gott will an die Kinder, die als Frucht dieses Aktes entstehen) statt eine gegenseitige "Benutzung" wesentlich, weil man sonst abermals Gefahr läuft in Formen "paulinischer Unzucht" zu schlittern (von denen er auch an anderer Stelle spricht. Man sinne hier auch über das paulinische Ehebild /Christus-Kirche/ nach, welches eben nicht in der "Triebbefriedigung" sondern der Liebe und Hingabe des ganzen Lebens ihren Ursprung hat). Aber wie gesagt, bringt es wohl wenig, in diesem Format darüber zu diskutieren. Wer Interesse hat, lese dazu etwa 'Liebe und Verantwortung' von Karol Wojtyla. Ich finde es durchaus glücklich, wenn man über einen verrohten (und unechten) Augustinianismus hinausgekommen ist, wo man über den Leib des Partners zur Triebbefriedigung verfügt, und den Kontext der liebenden Hingabe ausklammern will.

Ich schaffe es auch nicht in wenigen Zeilen den linken, marxistische Kerngedanken vom ewigen Machtkampf zwischen Klassen/Geschlechtern/(oder aktuell den neuen Kategorien der Identitätspolitik und Wokeness), zu entkräften, den auch Deschner mit vielen anderen Kritikern als bestimmendes ideologisches Denkmuster teilt. (Zu Deschner ein Urteil, das ich erklärend finde: "er sucht in der Geschichte Engel, findet Menschen und macht sie zu Dämonen"). Geht es denn immer nur um Macht? Immer? In allem? In der Kirche? Menschen sind mehrdimensional. Macht ist nicht das einzige, was sie anleitet - auch Leute mit einer "Vollmacht" nicht. Guter Wille, ehrliche Überzeugung, heroische Tugend, Mangel an Kenntnis, unglücklicher Irrtum, erfahrendes Leid, überwundene Schwäche, unüberwundene Schwäche. Diese Dinge stehen - viel öfter als Macht - am Beginn von menschlichem Handeln - auch in der Kirche. Und doch geht es immer nur um Macht? "Ja", sagt der Marxist und seine Enkelkinder, die linken Alt-68er, die in dieser monokausalen Kategorie glauben, die Weltformel gefunden zu haben. Dann gut. Weil ich offensichtlich blind bin, dies zu sehen, möge man es mir erläutern. Nehmen wir mich. Ich bin Teil der kirchlichen Hierarchie (und damit wohl zwingend ein machtgeiler Pfaffe - umsomehr, weil ich den Zölibat verteidige und zwar Präsidentinnen, Kaiserinnen und Äbtissinnen völlig in Ordnung finde, aber das Priestertum https://www.youtube.com/watch?v=yrMmaCcdvdE nicht in der Kategorie der Leitungskompetenz, sondern sakramental Christus repräsentierend verstehe, das damit genauso wenig zur Disposition steht wie Wein oder Brot). Dann erkläre man mir mal meine konkrete Biographie und meine Lebensentscheidungen - oder jene meiner diözesanen Mitbrüder - unter der solitären Kategorie des Machtstrebens. Und wenn das zu schwer ist, wäre ich damit zufrieden, dass man es auf einige Punkt meines Lebens reduziert. Schon mich nicht. Wenn's denn gelingen sollte, kann ich in mich gehen und über meinen "Machtmissbrauch" nachdenken. Nur vorne weg, eines lasse ich nicht gelten: dass ich zufällig und völlig unausgesucht ein "weißer, heterosexueller Mann" bin. Das gilt heute für manche als "Macht", aber die autoritäre, linksfaschistische und rassistische Ideologie der Critical Race Theory nehme ich als monomanischen Weltentwurf nicht an. Daher möge man in den Dingen suchen, wo auch Willensfreiheit vorliegt und man damit folgenrichtig Willensmissbrauch finden kann.
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Matt Merchant
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Re: Sex and the Camino - ein Thema mit Licht und Schatten

Beitrag von Matt Merchant »

Lieber Bruder Johannes,

als Threadsteller darf ich doch ein Detail klarstellen: Es geht selbst in solch einem 'frivolen' Themenbereich kaum um das Herauskitzeln von pikanten Geschichten um des erotischen Selbstzweckes willen. Aus dem Alter sind wohl alle Forianer*innen raus. Sinn und Zweck ist doch vielmehr, die Menschen und das Leben in all seinen Facetten, in seinen Höhen und Tiefen zu erfassen. Sexualität gehört - gerade auch auf dem Camino - zu diesen Facetten des Menschseins.

Unseren Kirchen rennen die Menschen davon - scharenweise. Das ist kein konfessionelles Symptom, sondern eine Krise des Christentums an sich: Die Menschen haben das Gefühl dass die Kirche ihre Sprache nicht mehr spricht, ja: in der Tat 'weltfremd' geworden ist und den profanen Alltag nicht sieht.
Das ist nicht die Schuld der Menschen, die diese Enttäuschung artikulieren. Es ist unsere Schuld, wenn wir zu dogmatisch, katechetisch und intellektualisiert am Leben der Menschen vorbeireden.

Mit geht es wie den Vorrednern: Ich finde Deine Videos und Beiträge brillant und lehrreich (ohne die Moral ihrer Inhalte zu teilen). Aber sie artikulieren oft einen 'Soll'-Zustand, der mit dem 'Ist'-Zustand 'Derer da draußen' garnicht übereinstimmt.

Lass' uns doch den Menschen begegnen, wo und wie sie sind. Und dazu gehört eben auch eine gelebte Sexualität, bei der sich der Hl. Augustinus im Grabe umdrehen würde.
Aber so ist das Leben hier draußen!

Liebe Grüße aus der anderen Ecke desselben Weinberges,
Matthias
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Pater Norbert
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Re: Sex and the Camino - ein Thema mit Licht und Schatten

Beitrag von Pater Norbert »

Hallo Matthias,

die Clips von Johannes sind bei kathmedia zu finden. Auf dieser Plattform können nur die offiziellen Lehren vertreten und erklärt werden.

Eine andere Darstellung oder auch ein Ansatz für eine Neuformulierung wird weder auf dieser Plattform noch hier im Forum möglich sein.
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Pater Norbert
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Re: Sex and the Camino - ein Thema mit Licht und Schatten

Beitrag von Pater Norbert »

Um es an einem Beispiel zu verdeutlichen:

Als Diakon hatte ich im Mai/Juni 1987 unter anderem manchmal die Aufgabe, in der damaligen Einrichtung den neuen Patienten die Hausordnung auszuhändigen und zu erklären. Die war gesetzt.

Wenn ich sie mit der Hausordnung 2021 vergleiche, sind manche Inhalte deutlich verändert und angepasst worden. Ich weiß nicht, wie viele Fassungen es in diesen 34 Jahren gab. Ich denke einige.
Damals gab es auch einen kleinen Kreis von Mitarbeiter*innen, die sich Gedanken zu einer Neuformulierung machen sollten. Die waren froh über Kommentare und Vorschläge aus unserem Kreis der "Kollegen". Dort gehörte es hin.
Mit den Patienten konnte ich zwar über das diskutieren, was sie störte, aber sie mussten die Hausordnung erst einmal respektieren.
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Berthold
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Re: Sex and the Camino - ein Thema mit Licht und Schatten

Beitrag von Berthold »

Pater Norbert hat geschrieben: 12. Apr 2021, 13:12 Um es an einem Beispiel zu verdeutlichen:

Als Diakon hatte ich im Mai/Juni 1987 unter anderem manchmal die Aufgabe, in der damaligen Einrichtung den neuen Patienten die Hausordnung auszuhändigen und zu erklären. Die war gesetzt.

Wenn ich sie mit der Hausordnung 2021 vergleiche, sind manche Inhalte deutlich verändert und angepasst worden. Ich weiß nicht, wie viele Fassungen es in diesen 34 Jahren gab. Ich denke einige.
Damals gab es auch einen kleinen Kreis von Mitarbeiter*innen, die sich Gedanken zu einer Neuformulierung machen sollten. Die waren froh über Kommentare und Vorschläge aus unserem Kreis der "Kollegen". Dort gehörte es hin.
Mit den Patienten konnte ich zwar über das diskutieren, was sie störte, aber sie mussten die Hausordnung erst einmal respektieren.
Lieber Pater Norbert,
wenn sich Dein Beispiel von der sich ändernden bzw. geändert werdenden Hausordnung auf das Thema der letzten Beiträge in diesem Thread übertragen ließe, wäre vieles leichter. Ich sehe es als Ermutigung, die innerkirchliche Diskussion - siehe synodaler Weg - geduldig und hoffnungsvoll weiterzuführen.
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Pater Norbert
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Re: Sex and the Camino - ein Thema mit Licht und Schatten

Beitrag von Pater Norbert »

Lieber Berthold,

in meiner Diplomarbeit habe ich mich auch mit Entwicklungen in den Katechismen beschäftigt.
Daher kann ich sicher sagen, dass sich im Lauf der vielen Jahre einiges geändert hat.

Es wird auch weiter so sein - ich bin Optimist.
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donjohannes
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Re: Sex and the Camino - ein Thema mit Licht und Schatten

Beitrag von donjohannes »

Lieber Pater Norbert
ich bin mir nicht sicher, was du meinst. Kathmedia ist ein Verein zur Förderung von Medienarbeit, keine Plattform (und betreibt auch keine Plattform). Kathmedia ist ein Verein, den ich mit zwei Mitbrüdern aus dem Erzbistum Vaduz gegründet habe und dem ich nach wie vor vorstehe, damit wir nach gesetzlichen Vorgaben (liechtensteinisches Vereinsrecht) korrekt Projekte und deren Finanzierung durchführen können.
Als katholischer Priester habe ich direkt vor meiner Weihe (und später als Professor und Amtsträger) einen Eid ablegen müssen, den Glauben der Kirche, wie ihn das kirchliche Lehramt (= Konzilien, Papst, Bischöfe in Einheit[!] mit dem Papst) lehrt - und nicht etwa die unerheblichen Meinungen dissensfreudiger deutscher Theologen - darzulegen, welche gemeinsam mit deutschen Bischöfen bei ihrem synodalen Weg (trotz mehrmaliger Mahnung von Papst Franziskus) weiterhin zügig an einem formellen Schisma oder einer gigantischen Frustaufstauung basteln. In diesem Sinn hast du natürlich recht, dass ich (kathmedia hin oder her) in Videos, die ich mache, nichts anderes veröffentlichen kann. Denn ansonsten würde ich ja eidbrüchig.
Der von mir geleistete Eid (der eigentlich von jedem katholischen Amtsträger zu leisten wäre) ist, in seiner aktuellen Form seit 1988, auf der Seite des Vatikans nachzulesen: http://www.vatican.va/roman_curia/congr ... ei_ge.html Könnte ich diesem Eid nicht nachkommen, würde ich die Konsequenzen ziehen. Ich kann nicht als katholischer Priester gegen das Lehramt arbeiten, sondern müsste die Kirche fairer Weise (für alle Parteien) aus Gewissensgründen verlassen.
Hausordnungen mögen sich ändern. Ich war Subregens in einem Priesterseminar wo dies nicht anders war. Aber der Vergleich hinkt im Hinblick auf das diskutierte Thema dann doch, wie du sicher zustimmen wirst.

Ich bin auch weniger optimistisch, Berthold, was das Resultat der "innerkirchlichen Diskussion" betrifft.

Aber ich gebe Matthias recht, dass die Kirche an den Menschen vorbeiredet. Sie tut dies allerdings, meiner Einschätzung nach, weil sie - gerade in uns Amtsträgern - in unseren Breiten schon seit Jahrzehnten - an Gott(!) vorbeiredet, zu unbequemen Themen feige und zu lange schweigt, und den Menschen ein Leben nach dem Evangelium in seiner Radikalität nicht zutraut. Denn: uns laufen die Leute nicht in Scharen davon. Wir "hatten" diese Leute nie. Das wird dir als evangelischer Christ besonders deutlich sein, weil jede Forderung des katholischen synodalen Weges, in deiner Gemeinschaft schon ein altes, noch zwei weitere Mal umgeschmiedetes Eisen ist. Und doch schrumpft die evangelische Kirche bisweilen noch schneller als die katholische. Warum sich Katholiken nun ausgerechnet davon "gesellschaftliche Relevanz" oder gar eine "Trendumkehr" versprechen, ist für mich ein irrationaler "Glaubensakt". Vielmehr ist es so in meinen Augen: Die Leute, die wir nie hatten, "laufen davon", weil überholte Gießkannenpastoral flacher Floskeln und "Begleitung ohne Bekehrung" aus dem sakramentalen Geschenk in der Kindheit weder hüben noch drüben einen Christen formen und begleiten konnte, der firm und bedacht sein "Amen" zu Glauben und kirchlicher Lehre auch im Gegenwind eines atheistischen, scientistischen, esoterischen, nihlistischen, hedonistischen, schlicht gleichgültigen oder nichtchristlichen Umfeld (egal was davon, oder welche Kombination davon) sprechen kann. Und damit ist die Volkskirche auch fertig - erhalten sinnentlehrt noch eine Weile durch einen Kirchensteuerapparat und Protestbewegungen deren Mitglied-Durschnittsalter bei 73 Jahren liegt. Meine nüchterne, wenn auch keineswegs inspirierte Vermutung: in 100 Jahren wird man zurückblicken auf die Belanglosigkeit der aktuellen Strukturreformen und des synodalen Weges - eine Totgeburt angestrengt für alternde, noch etwas nostalgische Kirchenaffilierte die vielleicht sentimental dem Liedgut aus den 70ern anhangen, mit der man aber die Jungen nicht gewinnen konnte. Denn die Jungen suchen in der Regel etwas Gehaltvolleres oft auch etwas Radikaleres - ob beim Klima, bei Parties, bei Ideologien und eben auch in Glaubensdingen. Und das erklärt, warum den modernen Jesuiten keiner die Tür einrennt, während andere Klöster aus den Nähten platzen (bei allen Problemen, die auch diese "Popularität" zweifellos mit sich bringt). Das Zukunftsszenario für die Kirche in unseren Breiten, das mir vorschwebt, ist also nicht schön. In absehbarer Zukunft werden aus unseren Kirchen verwaiste Touristenziele, Veranstaltungssäle "mit besonderem Ambiente" oder wie in Holland Bordelle, Diskos und Einkaufszentren geworden sein. Aber das klingt pessimistischer als ich es sehe, auch wenn es sicher schmerzhaft ist. Denn es wird auch in 100 Jahren noch Christen geben. Eine kleine Herde vermutlich in unseren Landen. Auch Nordafrika war mal katholisch. Oder Kleinasien. Nichts hat Bestand auf der Welt, ausser den Worten Christi. Wenn wir den Menschen nicht das ungekürzte Evangelium verkünden, leisten wir unserem Nächsten in Wahrheit keinen Dienst. Dann sind wir Windhauch und es ist nur recht, dass wir vergehen.

Aber damit lass ich es gut sein. Das Thema hier ist ja ein anderes und ich will den Faden nicht für jene uninteressant gestalten, die hierher für Erotik zwischen riechenden Wandersocken und schweißberandeten Trekking-Shirts gekommen sind - das ist nicht ab-turnend gemeint, denn schließlich sind auch diese beiden Dinge das menschlichste auf der Welt und am Camino sowieso ;-)
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