Compostela - Informationen, Text, Geschichte, Wissenswertes ...

Allgemeine Diskussionen zur Pilgerei und ihrer Geschichte
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ilfuchur
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Compostela - Informationen, Text, Geschichte, Wissenswertes ...

Beitrag von ilfuchur »

Im Diskussionsfaden gehen mir die Informationen über die Compostela zu sehr unter, darum versuche ich sie hier einmal herauszufischen und zusammenzufassen, damit man sie auf einen Blick findet, ohne ganz viele Seiten wälzen zu müssen.

Oje, hoffentlich kriegt ihr jetzt nicht die Krise, weil ihr so viele ihr-wurdet-zitiert-Meldungen bekommt!

Text
Die Übersetzung des Textes der alten Compostela findet man hier:
http://www.jakobusgemeinschaft.de/conte ... cb122c504/

Vor einigen Jahren hat sich aber nicht nur die bildliche Gestaltung der Compostela geändert, sondern auch der Text.
Berthold hat geschrieben: 2. Feb 2021, 11:36
ilfuchur hat geschrieben: 2. Feb 2021, 10:44
CyrusField hat geschrieben: 2. Feb 2021, 10:20
"[...] sive pedibus sive equitano post postrema centum milia metrorum, birota vero post ducenta, pietatis causa, devote visitasse [...]"
Oh! Und das ist anders als vorher (ich kann gerade bei mir nicht gucken und vergleichen) und heißt... für kleine Nichtlateiner?

Ich gestehe, ich habe oben angefangen und nicht unten aufgehört. Wer eine falsche Information in die Welt setzt, muss auch den Hintern in der Hose haben, sich dafür zu entschuldigen: Tut mir leid.

Wenn jemand so nett wäre, das zu übersetzen - das wäre klasse!
Voila

...es wird bescheinigt , den hochheiligen Tempel nach absolviertem Weg " entweder zu Fuß oder hoch zu Ross nach 100 Kilometern oder mit dem Fahrrad nach 200 Kilometern in fommer , treu ergebener Gesinnung besucht zu haben".

In der Tat unterscheidet sich diese neue Forumierung von der alten Compostela, in der lediglich der Besuch des hochheiligen Tempels in frommer, treu ergebener Gesinnung bescheinigt wird : " .... hoc sacritissimum Templum pietatis causa devote visitasse "

Edit:
unerwähnt bleiben bisher alternative Fortbewegungsmittel wie Esel ( asinus) , E-bike ( birota electrica) Rollstuhl ( sella rotalis) etc
Via2010 hat geschrieben: 5. Feb 2021, 10:52

Die Ausstellung der Compostela durch das Pilgerbüro ist kostenlos. Nur wer eine Transportrolle aus Karton kauft, zahlt hierfür 1 €. Und das zusätzliche "Certificado di Distancia", das man durchaus als sportlichen Leistungsnachweis begreifen kann, kosten den, der das braucht 3 €
(das Thema hatten wir auch schon mal in einem anderen Thread dieses Forums).
Das "Certificado di Distancia", auf die Alexandra sich hier bezieht, ist eine Urkunde, die man sich zusätzlich zur Compostela ausstellen lassen kann und auf der die Entfernungskilometer aufgeführt werden.

Ebenfalls zum Text, aber auch zum geschichtlichen Hintergrund der Compostela:
Christoph Kühn hat geschrieben: 11. Feb 2021, 00:18 Die für die Benennungsfrage entscheidende Formulierung erscheint im Text beider Urkunden nach den von Berthold zitierten Sätzen: "In quorum fides praesentes litteras...". D. h., die Dokumente bezeichnen sich selber nicht als "Compostela", sondern als "littera", was nichts anderes als "amtliches Schreiben", "Urkunde" oder "Dokument" bedeutet. Und das will dieses Papier sein, ein Dokument und eine Urkunde, ein amtliches Schreiben eben, und nicht weniger. Wer damit dokumentieren möchte, der möge dokumentieren, wer etwas zu beurkunden hat, der möge beurkunden.

Der Name "Compostela" war im Dokument selber nie enthalten und scheint als Bezeichung der Urkunde umgangssprachlicher Natur zu sein. Er hat sich zwar seit etwa 1970 eingebürgert, täuscht aber offenbar über den Sinn dieses Schreibens hinweg. Es handelt sich gerade nicht um ein Souvenir.

Wer von Euch noch das Glück gehabt hat, in Stade die wunderbare Ausstellung "Wege in den Himmel" über das Pilger- und Wallfahrtswesen in Norddeutschland zu sehen, konnte dort die älteste überhaupt erhaltene Pilgerurkunde aus Santiago de Compostela betrachten, einen schmalen unscheinbaren Zettel aus dem 14. Jh., der für einen Jakobspilger aus Norddeutschland ausgestellt worden war. In dem von Hartmut Kühne zusammengestellten Ausstellungskatalog "Pilgerspuren - Orte - Wege - Zeichen" ist diese erste bekannte Littera aus Santiago abgebildet und eingehend beschrieben.

Die Ausstellung "Wege in den Himmel" in Stade hätte offiziell noch bis zum 14. Februar laufen sollen, wurde aber wegen des Corona-Lockdowns schon am 2. November geschlossen. Sie war damit noch nicht einmal einen Monat geöffnet. Nach der vorzeitigen Schließung hat das Museum als Ersatz eine 360-Grad-Panoramatour ins Netz gestellt:

https://pilgerspuren.de/panorama/

Viele Grüße

Christoph
Marieta hat geschrieben: 11. Feb 2021, 15:33

Danke Christoph,

für Deinen Beitrag zu diesem Dokument.

Wie Du schreibst, war der Name "Compostela" im Dokument selbst nie enthalten und wird wohl umgangssprachlicher Natur sein.
Wäre es möglich, dass die "Namensgeber" dieser "littera" ein Alleinstellungsmerkmal beifügen wollten, um diese in Santiago de Compostela ausgestellte Urkunde von anderen "litteras" abzuheben?
Ich bin leider nicht informiert, ob an anderen bedeutenden Pilgerstätten ebenfalls Urkunden ausgestellt werden.

Überdies habe ich versucht etwas darüber herauszufinden, was "Compostela" bedeutet. Leider erfolglos.

Weißt Du, oder weiß jemand hier im Forum darüber etwas mehr?

Gruß
Marieta
Camineiro hat geschrieben: 11. Feb 2021, 16:16 Hallo Marieta,

in diesem Wikipedia-Artikel über die Stadt Santiago de Compostela gibt es im Abschnitt Namensherkunft ein paar Erklärungsversuche.

Ich übersetze es für mich immer als Heiliger Jakob vom Sternenfeld.

Ultreia
Uwe

Pater Norbert hat geschrieben: 11. Feb 2021, 17:07 Aus meiner Sammlung habe ich noch die Urkunden aus

Finisterre
https://www.bilder-upload.eu/bild-34e6b ... 1.jpg.html
Hier wird sie als Bestätigung bezeichnet

Muxia
https://www.bilder-upload.eu/bild-8706c ... 0.jpg.html
Hier wird es als Pilgerbrief bezeichnet

und Sahagun
https://www.bilder-upload.eu/bild-7a270 ... 0.jpg.html
Auch hier ist der Begriff des Pilgerbriefs
Matt Merchant hat geschrieben: 11. Feb 2021, 17:23 Danke, lieber Pater Norbert!

Gerne komplettiere ich die Sammlung - denn ich habe mir 2012 todesmutig und testweise mal die 'Atheisten-Compostela' ausstellen lassen [*Harr harr* :twisted: ]. Für 'Art-Brut'-Fans sicher einen Blick wert:
https://www.bilder-upload.eu/bild-38592 ... 7.jpg.html

Spiritueller, als christlicher Begleit-Brief im besten Sinne, geriert sich der Pilgerausweis der Jakobus-Pilgergemeinschaft Augsburg, den man auch noch heute dort bekommt - und welcher, entgegen anderslautender Unkenrufe, mir in Santiago bislang immer anstandlos akzeptiert wurde.
Ein unterstützenswerter Geheimtip in meinen Augen:
https://www.bilder-upload.eu/bild-af78c ... 3.jpg.html
Berthold hat geschrieben: 11. Feb 2021, 19:39
Marieta hat geschrieben: 11. Feb 2021, 15:33 ?
...Ich bin leider nicht informiert, ob an anderen bedeutenden Pilgerstätten ebenfalls Urkunden ausgestellt werden.
Nun, in meiner unvollständigen Sammlung befinden sich:

1.) "Testimonium peregrinationis peractae ad liminia petri" für die Pilgerreise nach Rom
2.) "Pilgerurkunde" als Jerusalem-Pilger
3.) "Testimonium peregrinationis peractae ad limina Sancti Olavi" aus Nidaros/Trondheim, genannt Olavsbrief ( der in schönstem Latein ähnlich gestaltet ist wie die Compostela)

Somit stellen neben Santiago auch die anderen historisch bezeugten bedeutenden Pilgerziele der Christenheit Urkunden aus.

Daneben gibt es natürlich auch noch weitere Pilgerziele die Urkunden ausstellen, so zum Beispiel die
4.) Pilgerurkunde anlässlich des "Ano santo lebanigeo 2017-2018" aus Santo Torribio

In Trier gibt es neuerdings ebenfalls eine Urkunde über den Besuch des einzigen Apostelgrabes nördlich der Alpen, nämlich des Apostels Matthias.
Gerhard2020 hat geschrieben: 11. Feb 2021, 19:57 Das Pilgerbüro in Trier stellte auch eine Urkunde für den Lahn- und Mosel Camino aus.
Ultreia
Gerhard
Camineiro hat geschrieben: 11. Feb 2021, 20:11
Gerhard2020 hat geschrieben: 11. Feb 2021, 19:57 Das Pilgerbüro in Trier stellte auch eine Urkunde für den Lahn- und Mosel Camino aus.
Ultreia
Gerhard

Und auch für jeden anderen Pilgerweg, der nach Trier führt, zB Eifelcamino.

Moselcamino
Camineiro hat geschrieben: 11. Feb 2021, 20:20
Berthold hat geschrieben: 11. Feb 2021, 19:39
Marieta hat geschrieben: 11. Feb 2021, 15:33 ?
...Ich bin leider nicht informiert, ob an anderen bedeutenden Pilgerstätten ebenfalls Urkunden ausgestellt werden.

3.) "Testimonium peregrinationis peractae ad limina Sancti Olavi" aus Nidaros/Trondheim, genannt Olavsbrief ( der in schönstem Latein ähnlich gestaltet ist wie die Compostela)

Olavsbrief


Pilgerurkunde der Franziskaner in Santiago de Compostela aus Anlaß des vermeintlichen 800-jährigen Jubiläums der Pilgerschaft des Heiligen Franziskus


Leistungszertifikat“ (Distanzurkunde Santiago)
Camineiro hat geschrieben: 11. Feb 2021, 20:24
Matt Merchant hat geschrieben: 11. Feb 2021, 17:23 Danke, lieber Pater Norbert!

Gerne komplettiere ich die Sammlung - denn ich habe mir 2012 todesmutig und testweise mal die 'Atheisten-Compostela' ausstellen lassen [*Harr harr* :twisted: ]. Für 'Art-Brut'-Fans sicher einen Blick wert:
https://www.bilder-upload.eu/bild-38592 ... 7.jpg.html

So sieht die „Atheisten-Compostela“ seit 2013(?)/2014 aus.

Mir ist sie als Compostela-simplex bekannt.
_____

Verwässerungsmodus ein:

Oh, habe ich gerade gefunden (tschuldigung, dass ich es überlesen hatte)
Marieta hat geschrieben: 12. Feb 2021, 13:27
Martina hat geschrieben: 12. Feb 2021, 11:45 Habe ich etwas verpasst?
Sieht nicht so aus. :roll:
Vielleicht doch? :)

Christoph Kühn hat sich dankenswerterweise fachlich kompetent zur Compostela geäußert (er wurde von Mitgliedern dieses Forums darum gebeten), und in der Folge konnten wir etwas mehr erfahren, welche Pilgerdokumente ausgestellt werden.

Wie ich finde ist dies ein Thema, welches unter die Rubrik "Geschichte des Pilgerwesens" und somit in dieses Forum passt und was bisher hier doch (sicherlich unbeabsichtigt) etwas stiefmütterlich behandelt wurde.
Für mich auf jeden Fall interessanter als die Meldung und Diskussion über das Outing von 185 Schauspieler*Innen.
Na, das ist doch mal eine gute Idee!!!

Verwässerungsmodus aus

___________


Christoph Kühn hat geschrieben: 12. Feb 2021, 19:47
Marieta hat geschrieben: 11. Feb 2021, 15:33
Wäre es möglich, dass die "Namensgeber" dieser "littera" ein Alleinstellungsmerkmal beifügen wollten, um diese in Santiago de Compostela ausgestellte Urkunde von anderen "litteras" abzuheben?
Das kann ich mir nicht vorstellen. Wenn es eine bewusste Entscheidung des Metropolitankapitels gewesen wäre, sich begrifflich abzuheben, hätte das im Urkundentext sicherlich seinen Niederschlag gefunden.

Viele Grüße

Christoph
Christoph Kühn hat geschrieben: 15. Feb 2021, 23:38 ... kann ich mit einem zweiten Zettel dienen, der sich im Landesarchiv in Schleswig erhalten hat und im Lüneburger Teil der Doppelausstellung "Pilgerspuren" zu sehen war:

https://193114.forumromanum.com/member/ ... 0bb6ee.jpg

Es handelt sich um eine gedruckte Pilgerbescheinigung, die das Kathedralkapitel von Santiago um 1510 in Salamanca bei einem deutschen Wanderdrucker in Auftrag gegeben hat. Damals wurde schon ein ähnlicher Text wie heute verwendet; auch die Bezeichnung "littera" taucht abgekürzt in der ersten Zeile auf:

"Universis (o)rbi fidelib(usque) prese(n)tes li(tter)as inspecturis ..."

Viele Grüße

Christoph
Hierauf bezogen:
Via2010 hat geschrieben: 16. Feb 2021, 16:03 Danke Christoph,

für diese interessante und sachliche Info. Dann steht die Pilgerurkunde doch in einer gewissen historischen Tradition und ist keine Erfindung der Tourismusindustrie der Neuzeit.

Im englischsprachigen Forum haben sie vor einiger Zeit mal mittelalterliche Pilgerabzeichen vorgestellt.

https://www.caminodesantiago.me/communi ... %AE.60324/

Das Bedürfnis, seine Pilgerreise nach Außen zu dokumentieren, scheint also immer schon vorhanden gewesen zu sein.

Dabei startete allerdings der mittelalterliche Pilger notgedrungen vor seiner Haustür und wird sich das Vorhaben - wenn er freiwillig ging - gut überlegt haben bzw. wenn er gezwungenermaßen - anstelle einer Strafe oder als Stellvertreter seines Lehnsherrn - aufbrach, keine Alternativen gehabt haben.

Ich denke, erst mit der Einführung des Flugzeugs als Massenverkehrsmittel, ist die Pilgerreise nach Santiago als mögliche Urlaubsform in greifbare Nähe gerückt. Von daher kann ich nachvollziehen, dass das Pilgerbüro die Motivation hinterfragt und nach - objektivierbaren - Indizien für eine ernsthafte Gesinnung sucht. Da mögen sich Entfernungskriterien (100 km zu Fuß oder 200 km per Rad oder Pferd) anbieten, weil man dafür wenigstens ein freies Wochenende investieren muss.

BC
Alexandra
Christoph Kühn hat geschrieben: 16. Feb 2021, 23:08
Via2010 hat geschrieben: 16. Feb 2021, 16:03 Dann steht die Pilgerurkunde doch in einer gewissen historischen Tradition und ist keine Erfindung der Tourismusindustrie der Neuzeit.
Genauso ist es.

Sicherlich haben nicht nur Straf- und Sühnepilger die Bescheinigung erhalten. Der Personenkreis der Empfänger war weiter gefasst, wie das verlinkte Exemplar aus Schleswig zeigt.

Der Empfänger war ein junger Mann, der mit seiner Mutter nach Santiago gepilgert ist. Die Mutter ist in einer zweiten Urkunde genannt, die am selben Tag ausgestellt wurde und sich ebenfalls im Landesarchiv in Schleswig befindet. Darin wird ihr die Aufnahme in die Bruderschaft des Hospital Real in Santiago de Compostela bescheinigt, jene Bruderschaft, die 1991 als Archicofradía Universal del Apóstol Santiago wiederbelebt worden ist.

Mutter und Sohn haben also bewusst den Kontakt zu den offiziellen Einrichtungen in Santiago e Compostela gesucht und sogar Geld zur Unterstützung des Hospital Real gespendet, wie aus der Urkunde der Mutter hervorgeht. Das waren nicht irgendwelche Pilger und für die Ausstellung der beiden Urkunden müssen bestimmte Gründe vorgelegen haben, die wir heute nicht mehr kennen.

Aus dem Vorgang lässt sich nicht ableiten, dass jeder, der nach Santiago kam, eine Bescheinigung einfach so als "Souvenir" mitnehmen konnte.

Weitere prosopographische Forschungen zur historischen Gruppe der Zertifikatsempfänger werden nötig sein, um die Muster zu erkennen, die der Urkundenvergabe damals zugrunde gelegen haben.

Viele Grüße

Christoph
Christoph Kühn hat geschrieben: 18. Feb 2021, 03:47
Raimund Joos hat geschrieben: 17. Feb 2021, 20:57 Es läßt sich aber noch weniger ableiten dass jeder nachweisen mußte eine bestimmte Strecke gelaufen zu sein um dann bestätigt zu bekommen in der Kathedrale gebetet zu haben ....
Christoph Kühn hat geschrieben: 16. Feb 2021, 23:08 Weitere prosopographische Forschungen zur historischen Gruppe der Zertifikatsempfänger werden nötig sein, um die Muster zu erkennen, die der Urkundenvergabe damals zugrunde gelegen haben.
Wie ich schon geschrieben habe, sind die Muster, die der Urkundenvergabe zugrunde gelegen haben, nicht mehr ohne weiteres erkennbar.

Sicherlich nicht grundlos wurde in dem Littera-Druck des frühen 16. Jahrhunderts (in der 5. und 6. Zeile) auf das Vorbild des Apostels, der zu Fuß unterwegs war, hingewiesen:

"ecclesie p(e)diti ap(osto)li limina visitasse"

https://193114.forumromanum.com/member/ ... 0bb6ee.jpg

Darin wird deutlich, dass das Gehen auch damals als körperlich zum Ausdruck gebrachte apostolische Nachfolge galt.

Viele Grüße

Christoph
Christoph Kühn hat geschrieben: 16. Feb 2021, 23:27

Hallo Gerhard,

diese neuen Erkenntnisse sind dem Berliner Kirchenhistoriker Dr. Hartmut Kühne zu verdanken, der seit vielen Jahren als freier Ausstellungskurator tätig ist und eine unglaubliche Hand dafür hat, bislang unbekanntes Quellenmaterial in den Archiven aufzustöbern. Hartmut Kühne gehört auch dem wissenschaftlichen Beirat der Deutschen St. Jakobus-Gesellschaft an, die mit ihren jährlichen Fachtagungen und ihrer Buchreihe "Jakobus-Studien" derartige Forschungen fördert.

Möglichkeiten, diese Arbeiten zu unterstützen, sind eine Mitgliedschaft in der Deutschen St. Jakobus-Gesellschaft, eine Teilnahme an den Tagungen und ein Erwerb von Bänden der "Jakobus-Studien".

Viele Grüße

Christoph
Christoph Kühn hat geschrieben: 18. Feb 2021, 03:47
Raimund Joos hat geschrieben: 17. Feb 2021, 20:57 Es läßt sich aber noch weniger ableiten dass jeder nachweisen mußte eine bestimmte Strecke gelaufen zu sein um dann bestätigt zu bekommen in der Kathedrale gebetet zu haben ....
Christoph Kühn hat geschrieben: 16. Feb 2021, 23:08 Weitere prosopographische Forschungen zur historischen Gruppe der Zertifikatsempfänger werden nötig sein, um die Muster zu erkennen, die der Urkundenvergabe damals zugrunde gelegen haben.
Wie ich schon geschrieben habe, sind die Muster, die der Urkundenvergabe zugrunde gelegen haben, nicht mehr ohne weiteres erkennbar.

Sicherlich nicht grundlos wurde in dem Littera-Druck des frühen 16. Jahrhunderts (in der 5. und 6. Zeile) auf das Vorbild des Apostels, der zu Fuß unterwegs war, hingewiesen:

"ecclesie p(e)diti ap(osto)li limina visitasse"

https://193114.forumromanum.com/member/ ... 0bb6ee.jpg

Darin wird deutlich, dass das Gehen auch damals als körperlich zum Ausdruck gebrachte apostolische Nachfolge galt.

Viele Grüße

Christoph
Christoph Kühn hat geschrieben: 19. Feb 2021, 20:50
Raimund Joos hat geschrieben: 19. Feb 2021, 16:37 Warum sollte die Anreisen mit einem Reisebus weniger mit "apostolische Nachfolge" zu tun haben als das Abstrampeln von 200 km auf den letzten Teilen des Weges mit einem Fahrrad mit dem das mit etwas Übung in ein bis zwei Tagen machbar ist?
Genau hier liegt der Denkfehler. Das Kathedralkapitel setzt nicht Buspilger oder motorisierte Pilger, die durchaus mit spirituellen Motiven nach Santiago unterwegs sind, hinten an, sondern würdigt die Leistung derer, die auf traditionelle Weise gekommen sind. Es ist die Würdigung einer Leistung, nicht die Überprüfung einer Leistung. Und es ist schon gar keine „Leistungsprüfung“.

Papst Benedikt XVI. hat dies sehr treffend 2010 in seiner Predigt auf der Plaza del Obradoiro zum Ausdruck gebracht:

"Das ist es, was viele Pilger, die nach Santiago de Compostela gehen, um den Apostel zu umarmen, im Innersten ihres Herzens erleben – deutlich bewusst oder in einem Spüren, ohne es in Worte fassen zu können. Die Beschwerlichkeit des Gehens, der Abwechslungsreichtum der Landschaft, die Begegnung mit Personen anderer Nationalität machen sie offen für das, was uns zutiefst und gemeinsam mit den Menschen verbindet: Wir sind Wesen, die auf der Suche sind, Wesen, die der Wahrheit und Schönheit bedürfen, der Erfahrung von Gnade, Liebe und Frieden, Vergebung und Erlösung. Und ganz tief verborgen in all diesen Menschen hallen Gottes Gegenwart und das Wirken des Heiligen Geistes wider."

Damit hat Papst Benedikt nicht alle anderen zurückgesetzt. Er würdigte vielmehr die besondere spirituelle Erfahrung derjenigen, die zu Fuß in Santiago angekommen sind. Nichts anderes tut das Kathedralkapitel in Santiago mit seiner Urkunde, und darin erblicke ich eine sehr große Freundlichkeit.

Ich halte es für unerträglich, wenn eine solche Freundlichkeit mit Äußerungen wie „erbärmlich“, „eine angeblich christliche Kirche“, „die im Grunde verarschten Pilger“, „die eher inzwischen in Teilen wieder mal heftig entartetet christliche Kirche“, die die eigene Mutter auf den Strich schickt, verhöhnt, herabgesetzt und verunglimpft wird:
Raimund Joos hat geschrieben: 19. Feb 2021, 16:37 Es ist einfach erbärmlich wenn eine angeblich christliche Kirche da offenbar nicht den Unterschied zwischen der Schwere einer körperlicher Tätigkeit und deren wesenlichen spirituellem Gehalt erkennt und in Folge dessen ein Qasi-Pilger-Zeugnis von einer körperlichen Leistungsprüfung abhängig macht.

Oder um es mal ironisch zu forumlieren "Selig die arm sind im Geiste" :D
(....und damit meine ich jetzt weniger die im Grunde verarschten Pilger die für sowas anstehen, sondern die eher inzwischen in Teilen wieder mal heftig entartetet christliche Kirche, die sich tatsächlich einbildet sie verkünde mit so etwas wirklich die frohe Botschaft Jesu die eigentlich was mit Gnade und Berfreiung zu tun hat)

... Mein Anliegen ist eben nur dass man da ehrlich bleibt und dann seine eigenen Mutter nicht auf den Strich schickt!




Und daneben gab es noch diese Gedanken
CyrusField hat geschrieben: 16. Feb 2021, 13:22
Raimund Joos hat geschrieben: 16. Feb 2021, 12:09 Die C. war in der Geschichte ein frommes Souvenier aus der Kathedrale von Santiago die jeder bekomme hatte egal wie er dorthin gelangt ist (Schiff und Kutsche oder gehend oder auf einem Bein hupfend)
Das wiederum habe ich vollkommen anders im Hinterkopf. Zur Hochzeit des Pilgertums war für viele eine Pilgerreise eine Bestrafung, die sie von ihrem Lehnsherrn, Abt, Bischof oder sonst wem aufs Auge gedrückt bekommen haben. Für diese war die Compostela dann beileibe kein Souvenier, sondern eine "Du kommst aus dem Gefängnis frei"-Karte bzw. die Möglichkeit, überhaupt wieder nach Hause zu dürfen.

Grundsätzlich dürfte "damals" die Pilgerreise kein Vergnügen gewesen sein, im Gegenteil, war die saugefährlich. Es gab ja nicht umsonst so viele Hospitäler am Weg. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich viele Menschen aus Jux und Dollerei auf diesen Weg begeben haben. Schiffe waren damals sehr, sehr unsicher (wir reden hier eher von kleinen Schaluppen, Nachen o.ä.). Kutschen gab es damals auch keine, die Komfort versprachen - das dürften vielfach bessere Ochsenkarren gewesen sein, mit denen man kaum schneller war, als zu Fuß. Abgesehen davon musste man dann nicht nur auf sich selbst, sondern auch auf die Tiere achten. Nicht unwahrscheinlich, dass man so zu einem lohnenswerten Ziel für die nicht gerade wenigen Räuber, Wegelagerer, etc. wurde.

Die Compostela war, ist und bleibt eine Urkunde. Dass man damit heutzutage wohl viel weniger beurkunden muss, gegenüber früher, ist denke ich unbestritten. Zu einem Souvenier für einige mag sie sich vielleicht seit dem 20 Jhd. gewandelt haben. Aber das gilt wohl kaum für alle Pilger.
... und sich hierauf beziehend
Raimund Joos hat geschrieben: 16. Feb 2021, 15:25
Die allermeisten Pilger waren freiwillig unterwegs und ob man das als Buße, geschäftlichen Gründen oder frommer Andacht machte stand m.E. im PILGERAUSWEIS drin und je nachem wurde man dann auch behandelt und untergebracht.

Zur ausweisen und zum überprüfen der Pilgerreise war immer der Pilgerausweis gedacht. Die C. bekundete nur den Besuch der Kathedrale und auch keine Abgeltung von Buße oder sowas .... Mag sein dass diese neben dem Pilgerausweis auch bei einigen Übeltätern unter den Pilgern diese Funktion ervüllte so wie sie heute noch den Bewergungsunterlagen beigelegt wird .... aber das war nicht die Regel und auch nicht der Sinn der C.
Pilger, die beim Gehen manchmal einfach nur Bauch und Füße sind - #Bauchfüßler eben.
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