Was definiert einen Pilger?

Allgemeine Diskussionen zur Pilgerei und ihrer Geschichte
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Ronald
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Re: Was definiert einen Pilger?

Beitrag von Ronald »

Liebe Nicoletta,
lieben Dank für diesen guten Gedankenaustausch.
Auch ich finde mich in vielen der vorangegangenen Beiträge wieder.
Und ja, auch ich habe meine ganz persönliche Sicht auf die Dinge.
Ich liebe es beim Pilgern allein zu gehen. Nach einer Zeit der Eingewöhnung auf dem Weg ( so ca. 10-14 Tage) läuft es sich wie von allein und der Kopf entwickelt ein Eigenleben. Für mich wie ... Meditation. Grandios. Ich bin dann ganz bei mir ... und fühle mich Gott ganz nah (verrückt, oder?).
Aber wichtig ist für mich auch der Austausch mit anderen Pilgern. Auf dem ök. Pilgerweg war ich tagelang auch abends ganz allein, und das war mit dann zu einsam. Ich genieße es, mit anderen Pilgern Gespräche führen zu können - oft kurz, aber sehr offen und mit großer Tiefe.
Macht das einen "echten" Pilger aus? Ich weiß es nicht. Jeder geht eben seinen eigenen Weg.
Aber wenn ich pilgere, bin ich nicht als Tourist unterwegs. Ich gehe nicht in Museen, lasse Sehenswürdigkeiten am Rande liegen. In Kirchen gehe ich zur Einkehr oder wenn ich mal eine Messe besuchen kann.
Und bei der Ankunft ... auf dem Platz vor der Kathedrale ... bin ich jedesmal zutiefst berührt. Unbeschreiblich.

Wie es schon richtig hieß - ich kanns nicht beschreiben. Man wird es selbst erleben müssen.

Buen Camino
Ronald
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Pilgerbär
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Re: Was definiert einen Pilger?

Beitrag von Pilgerbär »

Hmmmm, vielleicht sollte man nicht fragen " Was definiert einen Pilger?" sondern eher "Was heißt für dich pilgern?" So könnte jeder seine Ansicht teilen ohne die Frage nach richtigen oder falschen Pilgern zu berühren. Für MICH unterscheidet sich ein Wanderausflug vom Pilgern durch seine religiöse Prägung. So intensive Gespräche wie auf einem Pilgerweg finde ich beim wandern nicht, wenn ich auf dem Pilgerweg vor einem Wegkreuz im Gebet vertieft bin wird es da niemanden verwundern oder gar Anstoß nehmen, ich kann ganz ich sein und bin deswegen viel offener für das Gebet mit Gott als ich anderswo unterwegs sein kann. Und wenn jemand neben mir geht und dies respektiert ohne dasselbe zu empfinden dann pilgert er/sie dennoch mit mir und wandert nicht einfach neben mir her...schwer auszudrücken aber ich denke ihr wisst was ich meine.
Ultreya, euer Pilgerbär
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Pooh_der_baer
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Re: Was definiert einen Pilger?

Beitrag von Pooh_der_baer »

Hallo zusammen,

meine Meinung zu diesem Thema ist:
ich bestimme für mich ob ich ein Pilger, ein Wanderer, ein Wallfahrer bin, wenn ich alleine unterwegs bin
ich kann an einer Pilgerfahrt in einer Gruppe teilnehmen
ich kann an einer Wallfahrt in einer Gruppe teilnehmen
ich kann mit einer Wandergruppe unterwegs sein

Habe mir auf meinen 4 Wegen jede Kirche, Kapelle angesehen, die am Wegesrand stand, auch wenn ich nur darum herumgegangen bin, wenn geschlossen. Wenn offen, dann eine kurze Bedenkpause eingelegt. Bin über Tage mit Menschen gegangen, die mich diesbezüglich nicht verstanden haben, sich aber als Pilger fühlten.
2010 gab es auf dem CF kaum Gepäcktransport, man sah nahezu niemanden ohne Rucksack.
2014 zählte ich in Herbergen bis zu 8 Firmen, die Rucksäcke transportierten und vielen Menschen nur mit "Handtaschen", sie bezeichneten sich als Pilger.
Wer bin ich, dass ich diesen Menschen absprechen könnte, daß sie keine Pilger seien ?
Wer sich nicht erinnert, den bestraft die Zukunft.
Oh Zebrero

Re: Was definiert einen Pilger?

Beitrag von Oh Zebrero »

Vor November 2011
Santiago de Compostela?..... davon hatte ich schon mal gehört, da soll es ein Apostelgrab geben....

Hape Kerkeling?........ein deutscher Komiker, über dessen Späße ich nicht wirklich lachen konnte und der mich daher auch nicht sonderlich interessierte.......

"Ich bin dann mal weg"? ....... Ein Buch des v.g. Komikers, welches ich mir weder ausleihen, noch kaufen würde......

Pilger/Wallfahrer? ......... so ein seltsames Völkchen, welches, betend hinter einem Kreuz herlaufend, sich die Füße nach Trier oder Kevelaer wundläuft in der Hoffnung, in den Himmel zu kommen.

An einem nasskalten Novembertag 2011

Mir geht es körperlich gut. Ich sitze mit heißem Tee, ein gutes Buch in Händen, gemütlich in der Sofaecke....... aber!!! meine Gedanken gehen ins Leere...

Gestern hatte ich einen Anruf meiner besten Freundin bekommen die mir mitteilte, sie habe soeben die Diagnose "Krebs" erhalten.

Heute ruft mich eine ebenfalls sehr liebe Freundin an und teilt mir mit, dass ihre 4-jährige Enkeltochter an Leukämie erkrankt ist.

Aus der anderen Sofaecke vernehme ich die Stimme meines Mannes, der mich fragt: "Was ist los?"

Meine Antwort: "Ich werde im kommenden Frühjahr nach Santiago de Compostela gehen".

Der Blick meines Mannes? Unbeschreiblich.
Seine Antwort: "Du meinst das ernst, Du bist verrückt!"
Meine Antwort:"Ich werde den Weg gehen und niemand wird mich von meinem Vorhaben abbringen".

Eine ganz spontane Eingebung/Entscheidung. Ein Vorhaben, über das ich noch nie nachgedacht habe.

Ich bin gegangen (nachdem ich zwischenzeitlich selbst lebensgefährlich erkrankt war) - alleine - .......in einer besonderen Meinung, in einer besonderen Haltung und für die, die nicht selbst gehen konnten. Und für mich selbst, denn ich hatte für so vieles zu danken.
Superfrauandrea
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Re: Was definiert einen Pilger?

Beitrag von Superfrauandrea »

ich danke euch für die vielen tollen Antworten - sie geben zum Denken.

ich meine nur ganz kurz: jeder geht SEINEN Weg, und ist soviel Pilger, wie er selber glaubt zu sein.

lg. Andrea
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Icecube84
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Re: Was definiert einen Pilger?

Beitrag von Icecube84 »

Ja, vielleicht sind wir beides.
Außen Wanderer und innen Pilger. Pilger sein is wahrscheinlich eh ne innere Einstellung, von außen nich auszumachen.
Ich bin ja nich gläubig im herkömmlichen Sinne. Trotzdem bezeichne ich mich als Pilger. Ich geh selten in die Kirchen am Weg und ich bete auch nich...
Wenn man mich fragt ob ich an Gott glaube, sage ich immer dasselbe: Ich weiß es nich. Aber ich glaube an den Weg und seine Menschen (am und auf dem Weg) und an mich.
Buen Camino,
Jani

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Matt Merchant
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Re: Was definiert einen Pilger?

Beitrag von Matt Merchant »

Habt Dank für diese schöne Fragestellung und die vielen anregenden Gedanken dazu.
Ich persönlich würde die Frage, was einen Pilger definiert, nicht nach dem Weg im Speziellen, sondern ganz grundsätzlich definieren:

Für mich ist der 'Pilger' eine menschliche, spirituelle Grundhaltung, die sich sowohl auf unseren Wegen als auch im Alltag ausdrückt.
Die drei zentralen Punkte sind Reduktion, Kommunikation und Heimatlosigkeit:
- Reduktion: Ein Pilger richtet seinen Alltag nach der Frage aus, was er im Leben wirklich braucht. Die tägliche Frage ist: Welche Dinge und Belange sind essentiell, welcher Luxus ist verzichtbar. Was brauche ich (wirklich)?
- Kommunikation: Ein Pilger öffnet sich den Menschen, Begegnungen und (vermeintlichen) Zufällen, die ihm begegnen, offen und neugierig.
- Heimatlosigkeit: Dieser Aspekt mag am ehesten in der Kirchengeschichte verankert sein: Denn Christentum und Judentum lehren uns, dass wir auf der Welt heimatlose Wanderer sind. Wir führen alle eine 'Zeltexistenz' wie die Erzväter bzw. Jesus mit seinen Jüngern, denn unsere wahre Heimat ist der Himmel. Daher sind alle unsere Ruhepunkte in Leben und Alltag nur Zwischenstationen, Pilgerherbergen...

Dass der 'Pilger' eine menschliche Grundhaltung ist, zeigt sich m.E. am schönsten an der Existenz dieses Forums, mit all seinen Stimmen von PilgerInnen, die jeden Tag innerlich auf dem Weg sind, auch, wenn sie gerade nicht laufen.

Liebe Grüße,
Matthias
"Das Unscharfe um das Display herum, das ist der Camino.“ (frei nach M. M. Profitlich) :geek:
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CyrusField
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Re: Was definiert einen Pilger?

Beitrag von CyrusField »

Matt Merchant hat geschrieben: 15. Feb 2021, 09:37 - Kommunikation: Ein Pilger öffnet sich den Menschen, Begegnungen und (vermeintlichen) Zufällen, die ihm begegnen, offen und neugierig.
Im Grunde stimme ich dir zu. Trotzdem ist das vielleicht doch noch zu einschränkend. Ja, zugegeben, das ist vielleicht ein wenig arg Klugsch****ei.

Mir sind schon mehrmals Pilger begegnet, die lieber für sich geblieben sind. Sie haben Kommunikation zwar nicht rundherum angelehnt, haben aber doch deutlich gemacht, dass sie lieber für sich wären. Damit will ich nicht sagen, dass diese Menschen Misanthropen wären - ich kann mir gut vorstellen, dass sie erst einmal für sich selbst einen Schicksalsschlag verarbeiten mussten (so geht es mir öfters, dann geht es ab ins Schneckenhaus) oder vielleicht auch einfach nur von ihrem Wesen her eher schüchtern waren. Ich kann mir aber genauso gut vorstellen, dass sie natürlich trotzdem "offen und neugierig" alles in sich aufnehmen, ohne das nach außen widerzuspiegeln. Pilger sind es aber so oder so.
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Icecube84
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Re: Was definiert einen Pilger?

Beitrag von Icecube84 »

Ich hab 2019 auch nich unbedingt den Zugang zu den Leuten gefunden. Ich hatte nette Seelen kennen gelernt auf der Küstenvariante. Aber wie das so is, jeder geht seinen eigenen Weg und irgendwann waren wir getrennt.
Dann kam ich in Tui an und die meisten kannten sich, wir Küstenläufer waren in der Minderheit und ich sah nur noch selten ein bekanntes Gesicht. Mich hat das sehr eingeschüchtert, mit Leuten umzugehen die sich seit dem Start kennen und die letzte Woche quasi gemeinsam gegangen war. (2015 hatte ich mit diesem Kopf-Problem nich zu kämpfen)
Aber ein kleines Grüppchen kam immer wieder zu mir. Sie setzten sich an meinen Tisch, obwohl ich mich extra nich zu ihnen setzte. Wenn sie sahen das ich Pause machte, dann kamen sie zu mir und machten auch Pause. Wir waren auch immer in den gleichen Herbergen und immer redeten sie mit mir, fragten ob ich mit ihnen kochen wolle, ect.
Ich weiß nich warum, aber ich dachte sie mögen mich nich. In meinem Kopf waren die Inlandspilger eine Gruppe und die Küstenpilger eine andere Grupp. Total dumm. Ich dachte ich gehöre nich zu den anderen.
Irgendwann hat es Klick gemacht. Ich machte mir klar, dass sie nich zu mir kommen würden, wenn sie mich nich leiden könnten. Am Ende sind wir gemeinsam in Santiago eingelaufen und alles fühlte sich richtig an. Mit einen von ihnen schreibe ich heut schon den ganzen Tag hin und her und wir sind für Juli in Hamburg verabredet. Er läuft den ersten Pilgertag mit uns gemeinsam aus Hamburg raus.

Manchmal is man nich bereit für andere. Manchmal im Kopf blockiert ohne es zu merken oder wahrzunehmen.
Buen Camino,
Jani

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Matt Merchant
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Re: Was definiert einen Pilger?

Beitrag von Matt Merchant »

Trotzdem ist das vielleicht doch noch zu einschränkend. [...] Mir sind schon mehrmals Pilger begegnet, die lieber für sich geblieben sind.
Danke für Deinen Einwand, Stefan!
Vielleicht muss ich das Stichwort 'Kommunikation' geschickter formulieren, denn im Grunde geht es mir darum, auch die von Dir beschriebene introvertierte Position (zu der ich mich übrigens auch zählen würde) einzubeziehen. Vielleicht sollte ich also besser schreiben:
"Ein Pilger sieht sich als Empfangender gegenüber den Menschen, Situationen und alltäglichen Geschenken, die ihm begegnen..."?
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CyrusField
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Re: Was definiert einen Pilger?

Beitrag von CyrusField »

Ich seh' schon, das wird hier noch ein populärwissenschaftlicher Beitrag zum Schlagwort "Pilger" in der Wikipedia. Aber hey, warum nicht? :lol:
Icecube84 hat geschrieben: 15. Feb 2021, 12:55 [...] wir Küstenläufer [...]
:lol: :lol: :lol:

Matthias, ich weiß genau, was Du ausdrücken willst. Mir fällt es selbst schwer, da eine vernünftige Formulierung zu finden. Letztlich werden keine Worte dieser Welt alle Schattierungen abbilden können. Von daher trifft es Deine Wahl schon sehr gut.
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Pater Norbert
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Re: Was definiert einen Pilger?

Beitrag von Pater Norbert »

Bei der Definition im umfassenden Sinne wird es meiner Ansicht nach schwierig, weil es immer auch ausgrenzend verstanden werden kann.

Wenn ich zum Beispiel sage:

"Ich bin ein Pilger auf dem Jakobsweg,
weil ich daran glaube,
dass er mir zu seiner Zeit
eine Erfahrung vermitteln wird,
die ich dankbar annehme"

ist das meine persönliche Interpretation, die ich untermauern kann aus meinen bisherigen Erleben.

Wen ich den Sprachstil ändere und sage: "Ein Pilger ist jemand, der daran glaubt.." beginnt das Problem der ausgrenzenden Interpretation:
* Also ist ein Agnostiker kein Pilger?
* Also ist jemand, der ohne besondere Erfahrung ankommt, kein Pilger?
* Wie ist das mit den Gendersternchen? Habe ich die an allen Worten verwendet?
* Wo könnte noch fü jemand ein Fettnäpchen sein?
Dann ist darin nichts über die Dauer gesagt, nichts über die Art der Fortbewegung, nichts über das Pro und Contra der Schlafplatzwahl...

Dann, Stefan, wird es tatsächlich der populärwisschenschaftliche Beitrag bei Wikipedia, den ich dann aber garnicht mehr lesen würde, weil er mir zu lang ist..
Wer pilgert, wird von einem Virus infiziert, das nicht vergeht.
Gemerkt im März 2022. Avatar stammt aus Juni 2023.
Beri t go
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Re: Was definiert einen Pilger?

Beitrag von Beri t go »

"Ja, vielleicht sind wir beides.
Außen Wanderer und innen Pilger. Pilger sein is wahrscheinlich eh ne innere Einstellung, von außen nich auszumachen.
Ich bin ja nich gläubig im herkömmlichen Sinne. Trotzdem bezeichne ich mich als Pilger. Ich geh selten in die Kirchen am Weg und ich bete auch nich...
Wenn man mich fragt ob ich an Gott glaube, sage ich immer dasselbe: Ich weiß es nich. Aber ich glaube an den Weg und seine Menschen (am und auf dem Weg) und an mich."

Zitat Ende

genau das ist es für mich auch. Ich denke wie jeder Begriffe wie Glaube, Liebe, Einsamkeit, Glück etc. anders definiert, so hat auch jeder seine Vorstellungen von Pilger.
Ich bin nicht besonders gläubig sondern eher Typ ungläubiger Thomas, aber der Weg hat was mit mir gemacht. Es war zwar bisher nur ein deutscher Camino aber es war etwas anderes als wandern.
Und nun höre ich ihn seit einiger Zeit wieder, er ruft...
Ich glaube, es lässt sich nicht wirklich erklären.

Gruß Berit
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chrisbee
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Re: Was definiert einen Pilger?

Beitrag von chrisbee »

Mit einer Wandermarkierung im Wald fing es bei mir an: ein Andreaskreuz und darunter: E 3 Atlantik – Schwarzes Meer. Und es fiel mir sehr schwer, mich davon, besser: von dieser Idee zu lösen. Zu Fuß durch Europa, einfach so, ohne Auto, ohne Flugzeug, ohne Zug oder sonstwas. Einfach nur deshalb, weil es da einen Geh-Weg gibt.

Ich ging dann in Etappen, wann immer es mir mal möglich war, erst gen Osten bis zur Saale, dann nach Westen. Bei der Planung fiel mir auf, dass ab Le Puy der E 3 gemeinsam mit der Via Podiensis und in Spanien mit dem Camino Frances verläuft. Jahre später in Santiago holte ich mir eine Compostela, und zwar die für Nicht-Religiöse, und das nicht etwa, weil ich mich dort nicht als „Pilgerin“ gefühlt hätte, sondern weil ich nicht katholisch bin. Und ich wollte die Statistik nicht verfälschen.

Aber ich kenne auch diese Diskussionen, von denen Nicoletta berichtet. Ob man ein echter Pilger ist oder nicht. Mich erinnert das an das ewige Diskussionsthema von Reisenden und Touristen. Wer früher mit dem Rucksack unterwegs war, war ein Reisender, alle anderen waren Touristen. Und zu denen wollte kein Backpacker jemals gehören. Und ich persönlich finde Touristen auch nicht so prickelnd, auch nicht auf dem Camino, besonders dann, wenn sie anreisen, um Pilger zu gucken.

Die Frage, ob man ein echter Pilger ist, berührt wohl die Frage nach der Glaubwürdigkeit dessen, was man tut. Bei den meisten wohl vor allem sich selbst gegenüber. Schließlich ist es nicht einfach. Man orientiert sich an der Tradition, aber... Ständig muss/kann/darf man sich entscheiden, ob man den Flieger nimmt oder nicht oder das Hotel oder die Herberge bzw. einen Gepäcktransport usw. Also dauernd irgendwelche Kompromisse mit sich abschließen. Viele sind neugierig, wie die anderen das machen. Mein Eindruck ist, dass auf dem Camino alle, die von weit her kommen und zu Fuß gehen, bewundert werden.

Und das geht mir ähnlich, weil ich selbst Pilgern mit Gehen verbinde. Wer weite Strecken zu Fuß gegangen ist, weiß meistens, dass Gehen meditativ sein kann, dass sich die Endorphine melden, dass man sich dabei mental, körperlich, geistig wieder synchronisiert. Wanderer ergehen sich gern in der Landschaft. Pilger haben wohl immer ein Ziel, für das sie zumindest einen Weg brauchen. Gäbe es den Camino nicht, dann müsste man ihn erfinden.

Gruß chrisbee
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CyrusField
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Re: Was definiert einen Pilger?

Beitrag von CyrusField »

Pater Norbert hat geschrieben: 15. Feb 2021, 14:44 Dann, Stefan, wird es tatsächlich der populärwisschenschaftliche Beitrag bei Wikipedia, den ich dann aber garnicht mehr lesen würde, weil er mir zu lang ist..
Das war auch nicht ernst gemeint. Der Eintrag wäre dann in der Tat ellenlang und am Ende doch nicht vollständig, respektive korrekt... Abgesehen davon, was spricht dagegen, wenn jede/r das für sich selbst definiert? Denn aus den Beiträgen hier liest sich schon recht deutlich heraus, dass es ohnehin keine allgemeingültige Definition geben KANN.

Ein Pilger ist bestimmt auf irgendeine Art und Weise auch immer ein Stück weit Wanderer. Was einen Wanderer dann zum Pilger macht, ist dann die große Frage, die jeder für sich selbst beantworten muss.
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