El Correo Gallego: Auch Santiago in 2021 im Visier von ISIS

Allgemeine Diskussionen zur Pilgerei und ihrer Geschichte
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Matt Merchant
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Re: El Correo Gallego: Auch Santiago in 2021 im Visier von ISIS

Beitrag von Matt Merchant »

Gleichwohl: Bitte erlaubt mir in unserer Diskussion die Fußnote, dass einer der schrecklichsten Terroranschläge der vergangenen Jahre nicht islamistisch war, sondern 2019 in Christchurch gegen zwei Moscheen gerichtet war:
https://de.wikipedia.org/wiki/Terrorans ... ristchurch

Terrorismus ist leider ein kulturübergreifendes Phänomen, das uns nicht dazu anstiften darf, generell anti-islamischen Ressentiments das Wort zu reden.
Gerade unsere PilgerInnen-Kultur sollte, wie ich persönlich finde, da ein hoffnungs- und friedvolles Vorbild sein...

Alles Liebe,
Matthias
"Das Unscharfe um das Display herum, das ist der Camino.“ (frei nach M. M. Profitlich) :geek:
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Anhalter
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Re: El Correo Gallego: Auch Santiago in 2021 im Visier von ISIS

Beitrag von Anhalter »

Zu meinen Lebzeiten, nun knapp 40 Jahre, sind in Spanien 226 Menschen durch islamistischen Terror gestorben. (Wenn man der Wikipedia glauben schenkt)

Jeder einzelne davon ist einer zu viel.

Ich verstehe aber beim besten Willen nicht, wie man im Vergleich zu allen anderen Risiken des Lebens, diesen Verrückten eine solche Angst entgegenbringt. Wenn man hier manches so liest, könnte man meinen, alle 30 Minuten sprengt sich irgendwo einer in die Luft.
Das ist nicht der Fall.
Genaugenommen ist die Chance, Opfer eines islamistischen (oder sonstigen) Anschlags zu werden geradezu lächerlich gering.
Ich fände es schön, wenn man diesen Idioten nicht mehr Bühne gibt als unbedingt notwendig. Denn wie Matt (mit besseren Worten als ich) oben sehr schön geschrieben hat, genau diese ungerechtfertigte und unbestimmte Angst zu erzeugen ist das Ziel dieser Leute.
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chrisbee
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Re: El Correo Gallego: Auch Santiago in 2021 im Visier von ISIS

Beitrag von chrisbee »

Ja. Und deswegen spricht man ja auch darüber. Sich zu informieren und (zivilisiert) darüber zu sprechen, ist meiner Überzeugung nach eine der besten „Therapien“ gegenüber Verunsicherungen und Ängsten.

chrisbee
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Gerhard2020
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Re: El Correo Gallego: Auch Santiago in 2021 im Visier von ISIS

Beitrag von Gerhard2020 »

Der Artikel am Beginn hat für mich interessant Kommentare ausgelöst und mich zu nachfolgenden Gedanken angeregt:

Alle Kulturen produzieren seit Anbeginn zeitgemäße Kunst und Literatur. Wir sind immer wieder erstaunt was die Archäologen so finden und zu welchen handwerklichen und geistigen Leistungen unsere Vorfahren in der Lage waren. Oft wird es für immer ein Rätsel bleiben, welchen Sinn diese Kulturleistungen hatten bzw. wozu sie gedient haben. Nur ein Bruchteil der Informationen ist jemals für uns greifbar. Jeder Verlust einer Kulturleistung schmerzt. Dieser Verlust ist manchmal geringer, aber manchmal doch sehr schwerwiegend. Wie wichtig Kunst und Literatur ist, erfahren wir zurzeit während der Pandemie. Unsere Gesellschaft entscheidet in einem nicht immer verständlichen Verfahren und Beurteilung, welche Leistungen archiviert werden sollen und somit der Nachwelt erhalten bleiben dürfen. Zerstörung von Kunst ist bis heute ein Akt von Barbarei an der Menschheit. Jeder von uns hat irgendein Werk, welches ihm nicht gefällt. Würde dann jedes dieser Werke zerstört werden, dann würde es auf diesem Planeten keine Artefakte mehr geben (wir sind meines Wissens so um die sechs Milliarden Individuen)! Wer hat die Deutungshoheit, solchen Frevel zu begehen? Wir haben in unser jüngsten Geschichte Bücherverbrennungen und die Vernichtung von angeblich entarteter Kunst erlebt. Die Geschichte zeigt aber auch, dass Besatzer durch Zerstörung von kulturellen Leistungen der Besiegten deren gesellschaftliche Identität und Strukturen aufgelöst werden soll bzw. wurde. Auch Terrorismus, egal unter welchem Deckmantel verfolgt die gleichen Ziele. Auch die Religionen sind kulturell Leistungen unserer Vorfahren. Es war ein langer Weg, weg vom Polytheismus hin zum Monotheismus.
Der bzw. die Pilgerwege sind von der Entstehung her im wesentlichen Handelswege, welche zum Beispiel auch schon die Römer nutzten oder auch bauten. Entlang des Weges wurden Siedlungen, Gehöfte und Kirchen gebaut, um vom oder mit dem Handel, später auch mit den Pilgern, Geld zu verdienen. Unsere abendländische Kultur wurde zunehmend in den letzten 2000 Jahren vom Katholizismus geprägt wobei sich bereits durch die Säkularisation in der Gesellschaft Änderungen ergeben. Die katholische und evangelische Kirche steht heute aus den verschiedensten Gründen in der Kritik. Ich vergesse dabei nicht, das die Priester ein Abbild unserer Gesellschaft sind. Alle Fehler, welche wir den Priestern vorhalten, sind auch in unserer Gesellschaft mannigfach vorzufinden. Wir haben uns also im gleichen Maße selbst zu ändern! Die aus dem kirchlichen und christlichen Wirken entstandenen gesellschaftlichen Leistungen (z.B. Krankenhäuser, Kindergarten Altersheime und Feiertage ) müssen wir dann auch zur Disposition stellen. Ohne die Kirche und den Glauben wird der Pilgerweg m.E. zum Wanderweg! Jeder kann die Wirkung selbst ausprobieren, einfach beim Treffen mit Anderen zu erwähnen, dass man nur wandert! Ich bin überzeugt, dass die Gespräche einen anderen und kürzeren Verlauf nehmen. Pilgern ist eine positive, spirituelle Kraft, welche ich nicht mehr missen möchte. Niederreißen und Zerstören ist keine kulturelle Leistung. Eine Kirche bauen schon!

BC
Gerhard
Trier - Le Puy 2019
Lahn - Camino Juli 2020
Mosel - Camino Okt 2020
Lutherweg 1521 - Sept.2021/Sept.2022
Le Puy - Cajarc April 2022
Cajarc - Zumaia (Camino Norte) April /Mai 2023
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Pooh_der_baer
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Re: El Correo Gallego: Auch Santiago in 2021 im Visier von ISIS

Beitrag von Pooh_der_baer »

Irgendwie läuft die Diskussion für mich am Thema vorbei der Zeitung vorbei.
Menschen mit obskuren Ansichten rufen zu Anschlägen auf u.a. gerade vor kurzem
mal wieder gegen Kirchen und deren Besucher.
Der Maurentöter war für viele wohl ein Ärgernis, hat bis vor wenigen Jahren nie stark gestört,
dass zu Anschlägen aufgerufen wurde.
Menschen, die ihre Religion missbrauchen, um bestimmte politische Ziele und/oder
persönliche Machtgelüste zu befriedigen, gab es schon immer. Aber nicht in dem Ausmaß wie
Taliban und IS. Beide bekämpfen ja selbst die andere Glaubensrichtung (Schiiten) der gleichen Religion.
Wir müssen uns wohl damit abfinden, dass wir an keinem Ort der Welt von terroristischen
Überfällen, sei es von einer Gruppe oder von Einzelpersonen, gefeit sind. Deren Beispiele gibt es leider zu viele.

Eine Diskussion ob jemand in die Kathedrale geht oder nicht, ob sich jemand die Compostela abholt oder nicht, hat mit der terroristischen Bedrohung, wie im Thema angegeben, wenig bis nichts zu tun. Es sollte dann einfach ein neues Thema freudvoll dazu eröffnet werden, z.B. Sinn oder Unsinn des Kathedralenbesuchs bzw. Was habe ich von der Compostela. Auch sollten Abneigungen gegen die
Kirche in Spanien und deren starke Gliederungen nicht in irgend ein Thema hineingeschmuggelt werden.
Wer sich nicht erinnert, den bestraft die Zukunft.
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Pilgerbär
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Re: El Correo Gallego: Auch Santiago in 2021 im Visier von ISIS

Beitrag von Pilgerbär »

Ich jedenfalls habe hier nur meinen Senf dazu gegeben weil ein Zusammenhang zwischen nicht entfernten "Kunstgegenständen" und Terroranschlägen gezogen wurde, nach dem Motto "selber Schuld wenn"...Ich persönlich gehe auch noch auf Weihnachtsmärkte (sofern diese stattfinden) obwohl hier schon LKW`s reingerauscht sind, bin mal gespannt zu hören wo da die Provokation lag...

Ich werde auch weiterhin möglichst viele Gelegenheiten nutzen um in möglichst vielen Kirchen verschiedener Größenordnungen mein Gebet zu verrichten. Und gleich morgen stelle ich in der meiner Gemeinde eine Kerze auf, gibt genug wofür ich dankbar bin und genug für das ich bitten möchte. Frieden und Toleranz dürften schon mal ein Anfang sein...
Ultreya, euer Pilgerbär
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Frau Holle
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Re: El Correo Gallego: Auch Santiago in 2021 im Visier von ISIS

Beitrag von Frau Holle »

Hallo,

leider bin ich eben erst über diese Diskussion gestolpert und auch wenn das Thema nicht mehr diskutiert wird möchte ich es nicht so stehenlassen mit dem Gefühl, man könne die Compostela hier als Wisch bezeichnen.

Das möchte ich ausdrücklich als unerwünscht klarstellen und wenn es euch, gleich von wem, erneut begegnet, meldet es gern über den Mod-Alarm.

Jeder darf hier kundtun, ob er die Urkunde toll findet oder nicht, ob er sie schön oder sinnvoll findet, ob sie einem wichtig ist oder nicht.

Aber ich bitte dabei Formulierungen zu verwenden, die nicht verletzend oder beleidigend Anderen gegenüber sind, sondern neutral.

Ich weiß, dass das hier jeder kann und auch, dass fast jeder selbst erkennt, dass eine herablassende Bezeichnung keinen Frieden stiftet.

Wer sich nicht sicher ist wie er die Compostela gefahrlos bezeichnen soll, der kann sie ja einfach weiter Compostela nennen.

Danke
u l t r e i a
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Uti
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Re: El Correo Gallego: Auch Santiago in 2021 im Visier von ISIS

Beitrag von Uti »

Die Beiträge zum Sinn der Compostela, wie man sie nennen darf und was Zensur ist, habe ich in einen neuen Thread verschoben.
https://daspilgerforum.de/viewtopic.php?f=6&t=1224

Änderung: Link aktualisiert
Jedes Gehen auf unvertrauten Wegen ist eine Reise ins Vertrauen.
calixtinusII
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Re: El Correo Gallego: Auch Santiago in 2021 im Visier von ISIS

Beitrag von calixtinusII »

Vielen ist die Jakobus-Geschichte fremd geworden. Nur noch wenige glauben an die Echtheit der Knochen des Apostels. Spott breitet sich aus. Jedoch: So mancher Pilger realisiert nicht, dass es ohne das Grab, ohne den Schrein unterhalb des Hochaltars, keinen Camino de Santiago gäbe, keine Jakobswege in Deutschland, Frankreich, Italien, der Schweiz, Österreich, etc.; nur profane Wanderwege. Man setzt das Bestehen des Jakobswegs einfach voraus, schimpft über die katholische Kirche, die sich erdreistet, für die Erlangung der Compostela, feste Regeln aufzustellen.

Aus dem neuesten Buch von Paul Badde: Abendland – Die Geschichte einer Sehnsucht, 2020, Seite 342. Als das Grab des Apostels entdeckt wurde, begann das Ende der Reiterheere der Kalifen von Cordoba, unter denen die christliche Reiche davor hundert Jahre lang wie Kartenhäuser eingestürzt waren. Sie hatten den Sarazenen, den Mauren ob ihrer Übermacht nichts entgegenzusetzen gehabt; in Spanien nicht, in Süd-Italien nicht, in Nord-Afrika nicht, der Wiege des Christentums, et ecetera. Mir gefällt der Gedanke, den Badde zu Papier bringt: "Die Gebeine des Apostels waren in Sicherheit gebracht worden, von Jerusalem über Ägypten (Sinai), bis es nicht mehr weiterging, ans Ende der Welt, bei „Finis Terrae“, wie in Vollendung des letzten Missionsauftrages Jesu an seine Apostel. Vor zwölfhundert Jahren kehrte sich Geschichte um, Europa wandelte sich nach der Entdeckung der Gebeine des Jakobus. Santiago wurde zum Wendepunkt des Westens. Spanien, Hispania, hieß damals Jakobsland, eben wegen dieses Sarges, bis hinauf in den hohen Norden Europas."

Welchem Heiligen kann solche Wirkmächtigkeit schon zugeschrieben werden? Heute mokiert man sich über Jakobus, den Matamoros. Auch wenn viel Legende hinter der Schlacht von Clavijo stecken mag, Jakobus wurde fortan als Retter des christlichen Spaniens verehrt, gestern wie heute gleichermaßen. Ist den Kritikern bewußt, dass Europa nicht auch das gleiche Schicksal, wie es Nordafrika im 6. und 7. Jahrhundert erfuhr, ereilen kann? Auch diese Gebiete gehörten ja einmal, wenn man so will, zu Europa, so der von Paul Badde in 1991 befragte Professor der Patristik, Don Eugenio (Seite 345).
CalixtinusII
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Matt Merchant
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Re: El Correo Gallego: Auch Santiago in 2021 im Visier von ISIS

Beitrag von Matt Merchant »

Aber, verehrter Calixtinus, dass Nordafrika im 6. und 7. Jahrhundert muslimisch wurde, liegt doch vor allem darin begründet, dass sich die ChristInnen im Streit mit den Donatisten gegenseitig die Köpfe einschlugen und somit selbst dekonstruierten, anstatt ein solidarisches, buntes und vorbildliches Christentum zu verkörpern.
Daran erinnere ich mich heute immer, wenn ich sehe, wie sich auch in neuen Jahrtausend ChristInnen gegenseitig unchristlich behandeln...

Genug der hohen Theologie für heute - meine Pizza ruft.

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Matthias
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