Steckengebliebene Pilger

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Shabanna
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Steckengebliebene Pilger

Beitrag von Shabanna »

Die Geschichte von Simsims in Frankreich gestrandeten Pilger kennt ihr.

Aber es gibt noch mehr von ihnen. Die meisten sind - Gott sei Dank - gesund und ganz gut drauf ...

Z. B. hier, im Pfarrhaus von Fuenterroble auf der Via de la Plata .

Der Priester Blas Rodríguez lebt seit Beginn des Alarmzustands am 14. März mit 16 Menschen zusammen. Die Beschränkung durch den Alarmzustand hat einige überrascht, seit sie am 14. März in Kraft getreten ist. Viele Pilger befanden sich auf dem Jakobsweg, und die spanische Vereinigung der Freundeverbände des Jakobswegs rief die „individuelle Verantwortung“ jedes Pilgers an, und viele schafften es, in ihre Häuser zurückzukehren, als die Herbergen geschlossen waren.

Aber einige hatten nicht so viel Glück und fanden keinen Weg, an ihre Herkunftsorte zurückzukehren. Dies ist der Fall bei mehreren Pilgern aus Italien, Großbritannien, Deutschland, Holland und Amerika, die den Camino de la Plata auf ihrem Weg durch Fuenterroble de Salvatierra bereisten.

Blas Rodríguez bestätigt, dass sich das Zusammenleben trotz der Schwierigkeiten, die die Vielfalt der Sprachen mit sich bringen kann, als "sehr reich" erweist. "Dies ist ein kleines Pfingsten, das in verschiedenen Sprachen spricht. Wir alle verstehen uns, denn was zählt, ist der gute Wille und der Wunsch, dass jeder sein Bestes gibt, was er zu jeder Zeit hat."


Oder der Journalist und Reisebuchautor Jürgen Gerrmann und seine Frau. Die beiden waren auf der Magna Via Francigena auf Sizilien unterwegs, als das Virus sie stoppte.

Wir sind gestrandet. Unerwartet. Unverhofft. Und erst recht unerhofft. Auf Sizilien. Es gibt Schlimmeres im Leben.

Ziemlich exakt in der Mitte der Magna Via Francigena (einem wunderschönen Pilgerweg von Palermo nach Agrigent) wurden wir gestoppt. Kurz nachdem wir den Platani (einem im Sommer fast ausgetrockneten Fluss) in einer (für mich) ziemlich waghalsigen Aktion überschritten hatten.

Nirgendwo auf der Strecke gab es ein Quartier mehr für uns.

Nun sind wir auf dem Campingplatz El Bahira bei San Vito Lo Capo gelandet. Wie gesagt: Es gibt Schlimmeres.

Vor gut zwei Wochen haben wir noch herzlich gelacht. In der Gelateria Al Kassaro in der Via Vittorio Emanuele in Palermo haben wir die neueste Kreation probiert: Corona Virus. Hauptgeschmack: gebrannte Erdnüsse. Es hat einfach herrlich geschmeckt. „Toller Marketing-Gag“, hab ich mir noch gedacht. Mittlerweile ist vielen auf der Insel und in ganz Italien, ja ganz Europa und der ganzen Welt das Lachen vergangen.

Jetzt sitze ich unter den wild-romantischen Kletterfelsen am Campingplatz. Still ruht der See unter mir. Beziehungsweise das Meer. Ich sehe nur ein einziges kleines Fischerboot ganz in der Ferne. Sogar hier ist also der Verkehr zum Erliegen gekommen. Ich denke mir: Wenn uns schon ein einziges neues Virus so ins Schleudern bringt, daß alles stillsteht, dann ist die Globalisierung, die ich lange Zeit verteidigt habe, ein Irrweg. Wir müssen zurück zur Regionalität. Und zur menschlichen Nähe. Wie die uns fehlt, merken wir gerade jetzt, da sie so offensichtlich nicht mehr da ist. Das wird uns nun ganz exemplarisch vor Augen geführt.


Seit Palmsonntag ist er wieder daheim. Sein Blog "Corona-Gedanken" erzählt nicht nur von den unsicheren Tagen auf dem Campingplatz, in den neueren Einträgen gibt es auch wunderschöne Geschichten rückblickend von den Etappen auf der Magna Via Francigena.

Und dann sind da noch die beiden Abenteurer Maren und Ralf. Vielleicht keine typischen Pilger. Oder vielleicht eben doch. Sie stecken mit ihrem "Opa Theo" mehr oder weniger freiwillig in Marokko fest. Nerven wie Drahtseile haben die beiden.

Corona - oder plötzlich ist alles anders

Es ist der fünfzehnte März, Marokko hat den Flug- und Fährverkehr eingestellt. Ich checke fast stündlich alle Kanäle, um irgendwie an Antworten zu kommen. Auswärtiges Amt, Deutsche Botschaft Rabat, der ADAC und MarokkoNews sind jetzt meine Favoriten. Die Aussagen der Fluglinien und offizielle Meldungen unterscheiden sich eklatant. (...)

Es herrscht unter den Campern eine gewisse „Unruhe“, die nicht von der Krise herrührt, als eher der schlechten Kommunikation seitens der Deutschen Botschaft. Hatt ich vor ein paar Tagen noch erwähnt, was für eine tolle Arbeit das Team in Rabat macht, glänzen sie inzwischen mit absolutem Schweigen.


Gibt es noch mehr solcher Pilger-Geschichten? Ich hoffe, sie gehen allesamt gut aus.

LG,
Andrea
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Simsim
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Re: Steckengebliebene Pilger

Beitrag von Simsim »

Das mit Fuenteroble ist witzig...ich war ganz kurz vor der Ausgangssperre dort, am 12. März. Da waren fast alle, die auf dem Foto zu sehen sind, außer den jungen und älteren Flüchtlingen, schon als Dauergäste und Hospitaleros dort, und meines Erachtens ist niemand auf dem Foto hängengebliebener Pilger.
Don Blas ist eine sehr außergewöhnliche Persönlichkeit. Er ist der Priester in Fuenteroble und Umgebung und beherbergt, ganz ähnlich wie Frère Pierre in Sarrance auf dem Weg zum Col de Somport, immer alle möglichen Leute, die aus den verschiedensten Gründen bei ihm stranden.
Möglicherweise dient ihm die Erklärung, es seien alles Pilger die nicht mehr weiterkamen, als Legitimation gegenüber der Dorfgemeinschaft und der Polizei.
Normalerweise gehen viele Leute aus dem Dorf bei ihm ein und aus und bringen Lebensmittel, kochen, helfen, sind beeinander. Ein unglaubliches Haus.
Don Blas fackelt nicht lange, wenn es um Hilfsbedürftige geht, auch um Leute, die nirgends unterkommen. Auch absolut nicht gerade pflegeleichte Typen finden bei ihm Gastfreundschaft.
Nicht immer einfach für "normale" Pilger, sich dort mit den Brüdern und Schwestern von der Straße wohlzufühlen. Aber eine wertvolle Erfahrung allemal.
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Shabanna
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Re: Steckengebliebene Pilger

Beitrag von Shabanna »

Alexander und Svenja sind von Stuttgart bis Istanbul gewandert, durch Österreich, die Slowakei, Ungarn, Serbien und Bulgarien, über 3000 km.

Zeitreisen

Dann haben sie in Georgien überwintert und wollten inzwischen eigentlich schon ganz woanders sein. In Armenien sind sie nun steckengeblieben.

Später kam uns zu Ohren, dass nun auch die Grenze zu Georgien dicht gemacht wurde. Vor Wochen schon wurde die Grenze zum Iran geschlossen. Wir sitzen jetzt also in einem kleines Land fest, dass nur über zwei Landwege ins Ausland verfügt und beide sind geschlossen.

Sie arbeiten nun in Armenien als Freiwillge und kümmern sich unter anderem um die armenischen Wanderwege:

Das Ausgehverbot schränkt zwar unsere Arbeit etwas ein, weil wir des öfteren zu viert zu Wanderungen aufgebrochen sind, um die Wanderwege instand zu halten. Aber man organisiert sich auch so. Wir begehen Wege, vermessen sie mittels meines Garmins (GPS), Erstellen die Beschriftungen für Wanderhinweisschilder, legen Wege komplett neu an uvm. (...)

Wir entschieden uns GEGEN eine Rückkehr nach Deutschland und blieben in unserem gemütlichen Garten-Haus in Kapan. Uns ist bewusst, dass in Kürze die Flüge ganz eingestellt werden sollen.

Im letzten Logbucheintrag noch ein Appell an uns alle:

In diesem Sinne: Haltet durch und meidet Kontakt. Wir wollen das Ganze schließlich schnell hinter uns haben und weiterreisen können. 😉

Vielen Dank für eure Geschichten!

LG,
Andrea
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Icecube84
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Re: Steckengebliebene Pilger

Beitrag von Icecube84 »

Hola

Eine Pilgerfreundin vom CP letztes Jahr, Céline, ist auch gestrandet.
In Malaga.
Aber sie hat dieses Jahr eh nen Sabbatical und is mega entspannt. Sie hat sich ne Wohnung gemietet und wartet ab und entspannt, kocht und meditiert.
Da sie ihre Wohnung hier in Berlin untervermietet hat, hätte sie hier eh kein Dach übern Kopf.
Buen Camino,
Jani

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Via Comitis
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Steckengebliebene Pilger

Beitrag von Via Comitis »

Shabanna hat geschrieben: 20. Apr 2020, 18:45 Alexander und Svenja sind von Stuttgart bis Istanbul gewandert, ...
@Shabanna

danke Andrea für diesen Beitrag!

 "Wir erreichten die türkische Grenze am 1. September 2019,..."

Die beiden haben am selben Tag wie ich die Grenze zur Türkei überschritten, allerdings an einem anderen Grenzübergang.

Gruss

Stefan :)
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Shabanna
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Re: Steckengebliebene Pilger

Beitrag von Shabanna »

Was passiert, wenn du seit fast drei Jahren auf einer 8.700-Meilen-Wanderung bist, dein Zuhause aufgegeben hast, kein Geld mehr hast - und dann das Coronavirus die Welt anhält?

Lockdown auf einer unbewohnten Insel

https://m.facebook.com/chriswalksuk/

Lewis aus Swansea in Südwales startete im Sommer 2017 mit nur 12 Dollar in der Tasche. Unterwegs nahm er einen Begleiter - einen Hund namens Jet - mit und kam im März auf den abgelegenen schottischen Shetlandinseln an, als Großbritannien unter Beschränkungen geriet. (...)

"Es ist einfach super. Ich könnte nicht an einem besseren Ort für eine Sperre sein", erzählt Lewis CNN von der Insel Hildasay. "Hier gibt es nichts als ein paar Schafe und eine Reihe Vögel." (...)

"Ich wusste, dass die Sperre kommen würde", erklärt er. "Ich musste eine echte Entscheidung treffen. Ich kann nicht nach Hause gehen, weil ich kein Zuhause habe, in das ich gehen kann.


LG,
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Shabanna
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Re: Steckengebliebene Pilger

Beitrag von Shabanna »

David in San Justo de la Vega hat wohl auch ein paar gestrandete "Pilger" aufgenommen:

https://www.abc.es/viajar/noticias/ab ... ticia.html

Im September 2019 kehrte David zurück. Und er war gestern noch dort, in Begleitung von fünf Pilgern ("Menschen in der Nähe der Freiheit", wie er sie definiert), die während der Sperre in dieser Ecke der Provinz León ausharren. Dort lebt er mit einem Engländer, einem Portugiesen (Holzschnitzer), einem Marokkaner, einem Abenteurer aus Castellón, der mit dem Fahrrad angereist ist, und einer bulgarischen Frau, die ihren Job gekündigt hat, bevor sie nach Spanien gekommen ist. Sie sind seit Beginn der Sperre nacheinander angekommen, begleitet von Polizisten, die sie gefunden hatten, ohne zu wissen, was zu tun ist und wohin sie gehen sollen. Irgendwann waren es acht, aber das Zusammenleben so vieler Fremder in dieser Situation ist laut David "nicht einfach". Zwei gingen nach einem gewalttätigen Zwischenfall. (...)

Während des ganzen Jahres, in der Zeit des Precoronavirus, versorgten Freunde und Nachbarn in nahe gelegenen Städten David mit Lebensmitteln, und im Sommer bezahlte er diese Produkte mit Spenden von Pilgern. So war es auch im letzten Winter, mit dem Unterschied, dass seit Wochen niemand mehr gekommen ist und diesmal scheint es, dass er seine Schulden nicht zurückzahlen kann. In diesen Tagen sind zumindest Geschenke (er zieht das Wort Geschenk der Spende vor) von Anhängern seiner Facebook-Seite bei ihm angekommen.

LG,
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Pilger Franz
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Re: Steckengebliebene Pilger

Beitrag von Pilger Franz »

Ich würde dem Pater Blas Rodríguez gerne online ein "Geschenk" zukommen lassen.
Weiß jemand seine Kontoverbindung?
BC
Franz
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Simsim
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Re: Steckengebliebene Pilger

Beitrag von Simsim »

Hey Franz, hier nur der Link zu seiner Webseite mit Kontaktdaten.

https://alberguedefuenterroble.wordpress.com/
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Pilger Franz
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Re: Steckengebliebene Pilger

Beitrag von Pilger Franz »

Hola Simsim,

danke für die Website, dort steht keine Kontoverbindung drin. Ich habe sie inzwischen per email bekommen.
Wenn jemand diese haben möchte, gebe ich sie per PM gerne weiter.
BC
Franz
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Shabanna
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Re: Steckengebliebene Pilger

Beitrag von Shabanna »

Ein kleines Update :)

Die Pilger in Fuenterroble sind kleine Stars geworden :) Jedenfalls war das spanische Fernsehen dort und hat ein Filmchen gedreht.

Jürgen Gerrmann ist ja längst wieder zuhause, schreibt tolle Artikel über die Zugspitz-Arena (der Jakobsweg dort ist übrigens ein Traum!) und macht Sehnsuchtsvideos über die Magna Via Francigena, auf der er jäh vom Virus gestoppt wurde.

Der letzte Eintrag von Maren und Ralf ist von Ende April:

Und trotzdem wollen viele inzwischen nach Hause – auch wir möchten zumindest wieder nach Europa einreisen. Keiner weiss, wie es sich hier in Afrika entwicklen wird.

Wo sie sich inzwischen herumtreiben? Ich bin mir sicher, den beiden (und Opa Theo) geht's gut.

Alexander und Svenja sind noch immer in Armenien:

Wir sitzen noch immer in Armenien fest. Am 14. Mai soll der Ausnahmezustand hier beendet werden und unser Visum für den Iran ist seit mehreren Wochen abgelaufen. Immerhin ist die iranische Botschaft bereit uns ein neues Visum kostenfrei auszustellen, was aber keine Garant dafür ist, dass die Grenzen bald wieder geöffnet werden.

Für den Fall, dass das Reisen – wie vor Covid-19 – überhaupt noch möglich ist, wollen wir weiter. Wenn nicht, müssen wir uns etwas anderes überlegen.


Über Chris Lewis, der nach 19.300 Kilometern zu Fuß auf den Shetlandinseln gestrandet war, wurde die Tage ein schöner Artikel veröffentlicht. Er ist wohl noch immer mit dem Hund Jet in seiner Hütte und sagt: Ich bin glücklicher denn je.

Auch David Vidal lebt noch mit sechs weiteren Menschen in diesen Wochen in einer Hütte ohne Wasser und Licht, auch ohne Türen oder Fenster. Ob es ihm gut geht? Mein Spanisch reicht dafür leider nicht aus .

:)

LG,
Andrea
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