Zwei Mamas auf dem Jakobsweg (Corona-Sommer 2020)

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Raimund Joos
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Zwei Mamas auf dem Jakobsweg (Corona-Sommer 2020)

Beitrag von Raimund Joos »

Hier ein netter Bericht von zwei Müttern die 2020 mit ihren Kleinkindern auf dem Jakobsweg ab Porto (Portugal) unterwegs waren

https://www.platzhirsch.at/#page/108-109

(runterscrollen zu "Aktuelle Ausgabe online blättern" und dann den Text mit der Lupe etwas vergrößern)

BC

Raimund
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CyrusField
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Re: Zwei Mamas auf dem Jakobsweg (Corona-Sommer 2020)

Beitrag von CyrusField »

Ich bin da immer zwiegespalten, wenn ich von Pilgern (oder auch Langstreckenwanderern) lese, die mit Babys oder kleinen Kindern unterwegs sind.

Einereits denke ich: Toll, dass sie sich in dieses Abenteuer gestürzt und des geschafft haben.
Andererseits: Was haben die Kinder davon? Im dem Fall "[...] wenn einmal gar nichts mehr ging, durfte er auf seinem Kinder-Tablet Musikvideos schauen".

:?
Camino Francés 2018
Mosel-Camino 2019
Via Mosana 2019 - ... (das wird noch :lol:)
Caminho Portugês Central 2020
Camino Inglés 2022
...und auch sonst viel zu Fuß unterwegs: https://stefansspuren.com 8-)
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Raimund Joos
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Re: Zwei Mamas auf dem Jakobsweg (Corona-Sommer 2020)

Beitrag von Raimund Joos »

CyrusField hat geschrieben: 9. Dez 2020, 18:49 Ich bin da immer zwiegespalten, wenn ich von Pilgern (oder auch Langstreckenwanderern) lese, die mit Babys oder kleinen Kindern unterwegs sind.

Einereits denke ich: Toll, dass sie sich in dieses Abenteuer gestürzt und des geschafft haben.
Andererseits: Was haben die Kinder davon? Im dem Fall "[...] wenn einmal gar nichts mehr ging, durfte er auf seinem Kinder-Tablet Musikvideos schauen".

:?
Bei Kleinkindern, die noch nicht im Pfadfinderalter sind und die Pilgerleidenschaft von den Eltern aufgenötigt bekommen habe ich da eher bedenken. Aber wenn die getragen oder gefahren werden macht das denen erfahrungsgemäß weniger Probleme.

Von der Zeit der Jäger und Sammler bis zur Industrialisierung war es üblich, dass Mütter die Kinder mit sich herumgetragen habe ... da gab es weder Kinderbetten noch einen Kindergarten.

BC

Raimund
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Harmonizer
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Re: Zwei Mamas auf dem Jakobsweg (Corona-Sommer 2020)

Beitrag von Harmonizer »

Beim Thema Kleinkinder bin ich definitiv bei euch.

Alles was sich - wie Raimund es trefflich schreibt - im Pfadfinderalter abspielt, bleibt eine individuelle Betrachtung, so individuell wie jedes einzelne Kind selbst ist. 2017 bin ich mit meinem damals 10 jährigen Sohn Teile des Camino Francés gegangen (ab Burgos ein paar Tage zum Eingrooven in flacheren Gefilden, dann von Astorga nach Ponferrada und die letzten 100 km ab Sarria nach Santiago). Es war sein Wunsch (nachdem er 2014 meine erste Pilgerreise auf dem CF intensiv verfolgt hatte und dies nun selbst einmal ausprobieren wollte). Wir hatten uns 14 Tage Zeit genommen und ehrlicherweise dachte ich, dass er nach 4 oder spätestens 5 Tagen die Lust verlieren würde und wir unseren Urlaub irgendwo an einem Strand fortführen würden. Aber dem war nicht so. Je mehr er ging, desto mehr hatte er den Wunsch nach Santiago zu laufen. Es war eine wunderschöne Erfahrung mit ihm den Weg ein Stück zu gehen. Wir gingen sein Tempo, ohne Druck - mal waren es 10 km, dann aber auch mal 22 km oder einmal sogar fast 30 km (nachdem wir uns Routen-technisch ein wenig verrechnet hatten :-D). Am Ende des Tages, wenn er im Bett war, schrieb ich das erlebte auf und was für ihn an den jeweiligen Tagen wichtiges am Herzen lag. Später, vielleicht wenn er mal 18 wird oder mal heiratet, möchte ich ihm das kleine Tagebuch von 2017 aushändigen.

Mit meinem Sohn hat es also wunderbar geklappt den Weg zu gehen. Kann mir aber auch vorstellen, dass es Kids gibt, die sich nicht so viel daraus machen.
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Matt Merchant
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Re: Zwei Mamas auf dem Jakobsweg (Corona-Sommer 2020)

Beitrag von Matt Merchant »

Es war sein Wunsch [...]
Diese kurze Wendung scheint mir dabei entscheidend zu sein: Man kann öfter beobachten, wie der Weg Eltern und Kinder enger zusammenbringen kann, sofern es dem Wunsch gerade auch der Kinder entspricht, über den Pilgeralltag, in dem man sich nicht sozial verstellen kann, ihren Vater/ihr Mutter besser und authentischer kennenzulernen.

Demgegenüber haben wir wohl alle auch Negativbeispiele erlebt - und mit Schaudern erinnere ich mich an eine meiner gruseligsten Camino-Anekdoten: jenen Vater - Typ 'soldatisch drahtiger Endvierziger' - mit deutlich jüngerer Partnerin am Arm - auf der vorletzte Etappe der Via Podiensis hinter Aroue, der einen derartig schnellen Laufschritt vorlegte, dass seine rund 12-jährige Tochter 200 Meter verzögert hinter ihnen herschnaupfte und -humpelte. Was mich dann allerdings wirklich entsetzte, war, dass der Mann die junge Tochter alle paar Minuten mit schrillen Pfiffen, wie sie allerhöchstes einem Hund beim Gassigehen zugeworfen werden, zum Aufholen und weiterhetzen nötigte. In meinen Augen lag da eine Form von Misshandlung vor. Nach einer guten Dreiviertelstunde, in der ich diese Tortur anschaute (ich lief stets dahinter her, denn der Daddy war wirklich schnell), holte ich dann doch bewusst auf und ranzte: "Excusez-moi, vôtre fille n'est pas un chien! Vous marchéz trop vite pour elle!"
Damit hätte ich mir fast meine erste Camino-Maulschelle eingefangen. Gleichwohl machte 'Doom-Daddy', wie ich ihn im Tagebuch nannte, dann eine Pause und die Tochter konnte ausschnaufen...
"Das Unscharfe um das Display herum, das ist der Camino.“ (frei nach M. M. Profitlich) :geek:
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chrisbee
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Re: Zwei Mamas auf dem Jakobsweg (Corona-Sommer 2020)

Beitrag von chrisbee »

Mit Neugeborenen auf dem Jakobsweg? Wenn‘s dem Wohl der Mütter dient...
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Raimund Joos
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Re: Zwei Mamas auf dem Jakobsweg (Corona-Sommer 2020)

Beitrag von Raimund Joos »

chrisbee hat geschrieben: 10. Dez 2020, 10:38 Mit Neugeborenen auf dem Jakobsweg? Wenn‘s dem Wohl der Mütter dient...
chrisbee
Frauen alleine auf dem Jakobsweg? Wenn‘s dem Wohl der zu Hause gebliebenen dieeeent .....

Ha ha ha - ich kann auch fies sein. :-D

Ich denke mal die (alleinstehenden? oder zumindest alleinlaufenden) Mütter haben es auf ihrem Weg nicht leicht und das öffentlich zu unterstellen dass es hier (nur) um Eigeninteressen geht, ohne die konkrete Situation zu kennen ist etwas unangemessen.
Jeder darf seinen Jakobsweg so machen wie er oder sie es möchte und man kann im allgemeinen darauf vertrauen dass Eltern auch im Sinne ihrer Kinder verantwortlich handeln. Sie tragen im warsten Sinne des Wortes die Last der Verantwortung... und das verdient grundsätzlich erst mal Wertschätung durch die Pilgerfreunde!

BC

Raimund
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Frau Holle
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Re: Zwei Mamas auf dem Jakobsweg (Corona-Sommer 2020)

Beitrag von Frau Holle »

chrisbee hat geschrieben: 10. Dez 2020, 10:38 Mit Neugeborenen auf dem Jakobsweg? Wenn‘s dem Wohl der Mütter dient...
chrisbee
Wenns dem Wohl der Mutter dient ist es ja wirklich eine gute Sache und absolut empfehlenswert - solange das Wohl des Kindes nicht gefährdet wird und es klingt nicht so, als wäre es irgendwann einmal der Fall gewesen.

Und ein Baby, das so viele Stunden am Tag an der frischen Luft ist und so viel Körperkontakt zur Mutter hat macht sehr intensive und positive Bindungserfahrungen, wird ein entspanntes Stresssystem haben, weil die Mama immer sofort zum Regulieren zur Stelle ist und hat bestimmt einfach eine tolle Zeit.
Und wie viele Kinder schlafen am Besten draußen in der Karre oder beim Autofahren? Also aus Babysicht ist das doch super.

Und dir Lösung mit dem Tablet für den 3-jährigen finde ich auch nicht schlecht. Dieser Junge hatte während der Reise sicherlich viel weniger Medienzeit als gleichaltrige Kinder und ganz sicher viele Stunden mehr am Tag frische Luft und Abenteuer als andere Kinder in seinem Alter.
Die Kinder wachsen heutzutage nunmal mit den modernen Medien auf und es ist ja auch nicht schlimm, sofern sie nicht den ganzen Tag am Tablet sitzen.

Ich habe die Reise der Beiden auch "live" über andsre Plattformen verfolgt und es sah immer nach einer echt tollen Reise aus. Und sie hatten Glück, dass sie coronamäßig keine Probleme hatten.
u l t r e i a
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Harmonizer
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Re: Zwei Mamas auf dem Jakobsweg (Corona-Sommer 2020)

Beitrag von Harmonizer »

Matt Merchant hat geschrieben: 10. Dez 2020, 09:04 Demgegenüber haben wir wohl alle auch Negativbeispiele erlebt - und mit Schaudern erinnere ich mich an eine meiner gruseligsten Camino-Anekdoten: jenen Vater - Typ 'soldatisch drahtiger Endvierziger' - mit deutlich jüngerer Partnerin am Arm - auf der vorletzte Etappe der Via Podiensis hinter Aroue, der einen derartig schnellen Laufschritt vorlegte, dass seine rund 12-jährige Tochter 200 Meter verzögert hinter ihnen herschnaupfte und -humpelte. Was mich dann allerdings wirklich entsetzte, war, dass der Mann die junge Tochter alle paar Minuten mit schrillen Pfiffen, wie sie allerhöchstes einem Hund beim Gassigehen zugeworfen werden, zum Aufholen und weiterhetzen nötigte. In meinen Augen lag da eine Form von Misshandlung vor.
Hut ab, dass Du ihn drauf angesprochen hast! So wie Du das geschildert hast, ist die Misshandlung nicht von der Hand zu weisen.

Meine Beobachtung bei meinem Sohn war, dass egal wie lang die Tagesetappe auch war, der letzte Kilometer immer der schlimmste war. :lol: Allerdings wendete ich dann andere Tricks an, als ihn blind über den Camino zu scheuchen. Ich fuhr entschieden besser mit der Belohnungsstrategie (extra großes Eis, ne zweite Coke zum Abendessen etc. ;-) )
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tsetse
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Re: Zwei Mamas auf dem Jakobsweg (Corona-Sommer 2020)

Beitrag von tsetse »

Meiner Erfahrung nach sind Kinder, egal welchen Alters, immer ein Highlight auf dem Jakobsweg. Gerade bei den vielbegangenen Wegen und kleinen Kindern weiss der "Caminofunk" im Umkreis von ein oder zwei Tagen vor und zurück immer bestens Bescheid, wo sie sich das Kind gerade befindet und in wessen Begleitung die Mutter/die Eltern derzeit sind. Und alle achten gemeinsam drauf, dass es dem Kind gut geht. Solche Erlebnisse wie Matt Merchant hatte ich zum Glück noch nicht.


Letztes Jahr habe ich auf dem Höhenrücken kurz vor Cee eine Gruppe (ich glaube, es waren drei Männer und zwei Frauen) mit einem Baby getroffen. Sie waren mit dem 4 Wochen alten Säugling in Paris gestartet und über den del Norte nach Santiago gepilgert.

Ich hatte natürlich tausend Fragen, aber sie waren leider nicht in der Stimmung zu reden. Kein Wunder, sie waren nun nach drei Monaten kurz vor dem Ziel der langen Reise und hatten wohl zuvor bereits ungezählten Neugierigen ihre Geschichte erzählt. Sie sagten mir aber, dass sie aus religiösen Gründen pilgern und dass Gott mit seiner schützenden und stützenden Hand immer bei ihnen sei.

Von dieser Gruppe ging eine besondere Schwingung und Kraft aus, die ich nicht in Worte fassen kann. Seelenruhe? Gottvertrauen?
Mein Eindruck war jedenfalls, dass das Baby während des gesamten Weges bestens betreut und geborgen war, als gleichberechtigter Teil der Gemeinschaft, in der jeder nach seinem Vermögen gab und seinen Bedürfnissen gemäß umsorgt wurde.
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