Camino-Sehnsucht und -Erfahrung

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Superfrauandrea
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Re: Camino-Sehnsucht und -Erfahrung

Beitrag von Superfrauandrea »

Shabanna hat geschrieben: 4. Dez 2020, 10:53
Harmonizer hat geschrieben: 4. Dez 2020, 08:07
Uti hat geschrieben: 3. Dez 2020, 19:15

.... und auch mir ging es beim Lesen nicht anders.
Danke fürs Teilen dieses Moments.
So ging es mir auch gerade. Danke fürs Teilen dieser Geschichte...
Bei mir kam auch noch Gänsehaut hinzu!

Danke.

LG,
Andrea

hui, mir gruselt es ganz arg den Rücken entlang. Eine tolle Geschichte.
Ich glaub jeder von uns hat so besondere Momente, die er niemals vergessen wird. Schön, wenn man sich immer wieder mal daran erinnern kann.
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Pater Norbert
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Re: Camino-Sehnsucht und -Erfahrung

Beitrag von Pater Norbert »

Am Tiefsten und am Nachhaltigsten

Camino Francés im Juni 2018 in einer Gruppe von 22 Mitpilger*innen. Während einer Messe unter freiem Himmel hört eine schwerkranke Spanierin zu. Wir sahen sie nicht und sie verstand uns nicht in der Sprache. Aber sie verstand uns im Herzen.
Sie bat ihren Mann, uns ein Kreuz zu geben, um es in ihrem Namen nach Santiago zu bringen.
Die Gruppenmitglieder haben es abwechselnd getragen und in allen weiteren Gottesdiensten war es unser Altarkreuz.

Im Mai 2019 setzten wir unseren Weg fort. Die Frau war zu dem Zeitpunkt schon gestorben. Wir erlebten es als Vermächtnis, den Wunsch der Frau zu erfüllen. Am letzten Tag ging ihr Ehemann mit. Am Abend stieß er im Hotel in San Paio zur Gruppe. Er zeigte Bilder seiner Frau und erzählte aus ihrem Leben. Er erzählte uns auch, warum wir gerade dieses Kreuz nach Santiago bringen sollten.
Das Kreuz zu tragen, war ihm emotional nicht möglich. Aber er ging mit uns. Ab der Porta do Camino trug ich an der Spitze der Gruppe das Kreuz, der Mann ging neben mir.
In der Pilgermesse durften wir das Kreuz übergeben. Ich habe in Deutsch und Spanisch den Menschen etwas zu diesem Kreuz gesagt. Der Witwer war nicht dabei – es wäre ihm zu dicht gewesen.
Der Zelebrant der Messe sagte in seiner Predigt: „Wir sollen einander zur Hand werden. Ihr habt, als Ihr das Kreuz einen langen Weg hierhergetragen habt, mehr getan. Ihr seid dem Mann zum Brot geworden. Ihr habt ein großes Zeichnen der Liebe gesetzt.“

Mit dem Mann stehe ich seitdem immer wieder in Kontakt. Im Lauf dieser Woche war der Todestag der Frau. Ich habe mit ihm lange telefoniert.
Eben das ist für mich nachhaltig.
Wer pilgert, wird von einem Virus infiziert, das nicht vergeht.
Gemerkt im März 2022. Avatar stammt aus Juni 2023.
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Pooh_der_baer
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Re: Camino-Sehnsucht und -Erfahrung

Beitrag von Pooh_der_baer »

1987 waren wir mit der Familie in LePuy und lasen an der Kathedrale etwas von einem Jakobsweg.
Die kurze Erklärung machte uns neugierig und wir beschlossen damals diesen Weg zu gehen, falls wir bei Renteneintritt noch in der Lage sind.
Über Jahre versuchten wir an Informationen zu kommen. Es gab nichts auf dem Markt.
Wir fingen schon an zu zwiefeln, ob es diesen Weg überhaupt gab.
So Mitte der 90iger Jahre gab es dann die ersten Informationen im Fernsehen und später auch Beschreibungen.
2010 war es dann soweit. Ich ging in die Ruhephase der Altersteilzeit.
So fuhren wir nach LePuy-en Velay, wie es damals "neu" hies.
In der Morgenmesse nach dem Pilgersegen bekam jede Person einen kleinen Anhänger und wurde gefragt, wie weit sie gehen wollte.
Wir gaben zur Antwort bis nach Santiago.
Meine Frau erhielt vomriester ein zusammengefaltetes Papier mit der Bitte dies zum Jakobus zu bringen. Es sei der Wunsch einer
älteren Dame.
Meine Frau musste den Weg aufgeben. So trug ich das Papier weiter.
Konnte es in der Kathedrale nicht loswerden, so war ich es dann in den Klingelbeutel.
Mir ist nicht bekannt, was in diesem Papier stand.

Eine lustige Begebenheit:
15.08. in Astorga.
Pontifikalamt, am Altar wimmelte es von Priestern. Bei der Wandlung zeigte die rechten Hände der Priester zum Altar.
Plötzlich erklang eine Melodie, mehrere Male. In der Stille der Wandlung.
Ein Priester griff unter das Gewand und stellte das nervige Klingeln ab.
Wer sich nicht erinnert, den bestraft die Zukunft.
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Camino-Kumpane
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Re: Camino-Sehnsucht und -Erfahrung

Beitrag von Camino-Kumpane »

Pater Norbert hat geschrieben: 5. Dez 2020, 14:10 .. hörte eine schwerkranke Spanierin zu. Wir sahen sie nicht und sie verstand uns nicht in der Sprache. Aber sie verstand uns im Herzen.
Sie bat ihren Mann, uns ein Kreuz zu geben, um es in ihrem Namen nach Santiago zu bringen.
Die Gruppenmitglieder haben es abwechselnd getragen und in allen weiteren Gottesdiensten war es unser Altarkreuz.
Ich denke, diese Frau hat erkannt, dass ihr die richtige Gruppe für Ihr Anliegen ward
Pater Norbert hat geschrieben: 5. Dez 2020, 14:10 Aber sie verstand uns im Herzen.
- sowas gibt man ganz sicher nicht irgendwem mit.

Ein großer Vertrauensvorschuss, den Ihr auch in ganz besonderer Weise eingelöst habt.

Beeindruckend.
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Harmonizer
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Re: Camino-Sehnsucht und -Erfahrung

Beitrag von Harmonizer »

Unfassbar schöne und inspirierende Geschichten. Danke nochmal allen fürs Teilen. :-*
* * * B u e n C a m i n o * * *
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