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Via Francigna Pavia - Rom 7.9.-6.10.19

Verfasst: 12. Okt 2019, 19:40
von Ronald
Gertrud und ilfuchur gaben mir in der Vorstellungs-Rubrik den Anstoß, etwas über meinen Pilgerweg auf der Via Francigena zum Besten zu geben. Nun gut, ich will‘s mal versuchen.

Ich hatte mal wieder Sehnsucht nach einem Pilgerweg. Einige Pilgerwege in Spanien kannte ich ja schon, und so sollte es diesmal die Via Francigena in Italien werden. Ich konnte mir 4 Wochen auf meiner Arbeit freischaufeln (großen Dank an meine lieben Kollegen), guckte, wie weit ich in etwa in dieser Zeit kommen könnte und welchen Startpunkt ich unkompliziert von zu Hause erreichen konnte (ich bin da etwas pragmatisch). So fiel die Wahl auf Pavia – mit dem Flieger nach Mailand, dann mit dem Vorortzug dort hin. Fertig.

Vorbereitung/Unterlagen/Hilfsmittel:

Eigentlich wollte ich mit dem roten Büchlein laufen. Der Verlag hatte eine Neuauflage für Juli 2019 angekündigt. Dieser Termin wurde leider auf Spätherbst verschoben, was zu spät für mich war. So habe ich mir das gelbe Büchlein (das neueste von 2018) gekauft. Meine Erfahrung: für die grobe Übersicht des Folgetages war’s o.k., für den aktuellen Weg eher nicht. Viele Angaben z.B. zu Unterkünften stimmten nicht mehr (es scheint einiges an Bewegung auf der Via Francigena zu sein). Vermutung: Wer mit einem nichtdeutschen Büchlein klar kommt, ist wahrscheinlich mit „La Via Francigena“ von Roberta Ferraris am besten beraten. Gibt’s in Italienisch (klar), Englisch und Französisch. Auch von Eurovia aus Wien habe ich mir die Unterkunftsliste bestellt (sowie den Credenziale), war aber auch eher so ... mittelgut. Für den Pilgerpass kopierte ich mir einige Seiten als Verlängerung, mir war klar, dass das Original für die Stempel nicht ausreicht.
Am meisten haben mir die Informationen von www.viefrancigene.org geholfen. Da gab’s eine recht aktuelle und umfangreiche Unterkunftsliste zum Download, und eine kostenfreie App fürs Smartphone. Diese App hat mir oft sehr geholfen, ich konnte mir zuvor die entsprechenden Karten downloaden und war damit offline gut unterwegs. Per GPS wurde mir mein Standort in der Karte angezeigt. App arbeitete recht stromsparend, was nicht selbstverständlich war.

Welche Etappen bin ich gegangen (zum Vergrößern draufklicken) :

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Wie empfand ich das Pilgern in Italien?

Eigentlich möchte ich keinen Vergleich zu Spanien ziehen, aber klar, ich tue es doch. Für mich war es in Italien schwieriger als in Spanien.

In der Lombardei und der Emilia Romagna war die Wegekennzeichnung mitunter unvollständig. Selbst mit der App habe ich mich öfter verlaufen, ohne die App wäre ich so ziemlich verratzt.
Auch fehlte mir oft die Gemeinschaft mit anderen Pilgern, meist war ich in den Herbergen ganz allein. Ich liebe es allein zu laufen, bin aber froh, wenn ich in der Herberge jemanden treffe, mit dem ich meine Erfahrungen teilen kann.

Unterkunft zu finden war mitunter … schwierig. O.k. – ich hatte die Liste, aber einfach da hinzugehen hat nicht funktioniert. Mir ist es passiert, dass ich vor einem Ostello stand, das eigentlich geöffnet sein sollte, es aber nicht war. Klingeln, anrufen, Leute fragen – kein Erfolg. Also half nur Weitergehen. Auch Informationsbüros (Punto Tappa / Touristeninfo) sollten eigentlich offen haben, waren aber mitunter verriegelt und verrammelt. Klopfen, Klingeln, Anrufen – nichts half. Leute befragt – die zuckten nur mit den Schultern. Ist mir mehrfach passiert. Schade.

So musste ich dazu übergehen, jeden Tag telefonisch ein Quartier für den Folgetag zu organisieren. Mir schien, in Italien würde alles über die Sprache laufen: email, SMS – interessierte offenbar niemanden. Hab nie Antwort bekommen. Es half nur Anrufen, Sprechen. Auf Italienisch, klar. Englisch ging gar nicht. Ich spreche kein Italienisch. Also schnell die nötigsten Brocken angeeignet, um nach einem Bett zu fragen. Wenn als Antwort Si/No kam und einfache, langsam gesprochene Wortgruppen, kam ich klar. Meist aber kam ein schneller, gewaltiger Wortschwall – und da war ich raus.

Dieses Übernachtungsorganisieren passt eigentlich nicht dazu, wie ich unterwegs sein möchte. Ich weiß vorher gar nicht, wie weit ich komme. Das hängt von vielen Faktoren ab – wie meine Tagesform ist, ob ich irgendwo verweilen möchte, ob es mal so gut läuft, dass ich noch weitergehen mag. Ich muss eben immer mal meine Füße und Knie fragen. Da musste ich mich irgendwie reinfinden.

Der Weg führte stückweise direkt an/auf ziemlich befahrenen Straßen entlang. Das gibt’s in Spanien auch, aber nach meiner Erfahrung weichen die Fahrer aus, werden langsamer, grüßen mitunter. Die Italiener nicht. Die brettern zentimeternah vorbei. Ich hatte in solchen Fällen die Hoffnung, dass mein Schutzengel immer schnell genug sein möge, dass mich im Fall des Falles ein beherzter Satz in den Straßengraben vor dem vorzeitigen Pilgertod bewahren möge. Mal unter uns: wenn ein Fahrer einen Pilger umfährt, kommt er direkt in die Hölle. Die Spanier wissen das :-) , die Italiener offensichtlich nicht :-( .

Die Landschaft war schön, manchmal zum Niederknien. Aber nicht immer. Es gibt auch dort genug Dreckecken, und welcher Müll da an den Straßenrändern liegt … echt nicht lecker.

Essen: Die Italiener sind ja überzeugt, dass sie die beste Küche der Welt haben. Wer Italiener ist, kann per Definition supergut kochen, und das Essen ist stets unschlagbar. Najaaaa, ich hab auch mal richtig gut gegessen, öfter aber so mittelmäßig und manchmal richtig … nicht gut. Und – Lebensmittel sowie Essen sind deutlich teurer als in Spanien.

Ist es das, was mir der Pilgerweg bedeutete?

Nein.

Pilgern ist für mich etwas sehr, sehr Persönliches. Ich brauche lange, um so richtig auf dem Weg anzukommen. 10 … 12 … 14 Tage. Bis morgens die Füße nicht mehr weh tun, der Rucksack fest zu mir gehört und die Beine einfach nur laufen, laufen, laufen wollen (laufen ohne Rucksack ist komisch, da falle ich vorne rüber – kennt Ihr das auch?). Dann … entwickelt der Kopf ein Eigenleben. Es kommen Erinnerungen hoch, von denen ich gar nicht wusste, dass ich die noch weiß. Ich reflektiere mein Leben: wo stehe ich, wo geht es hin? Ich bin glücklich – warum mache ich mir das nicht öfter bewusst? Und solche Sachen. Das ist für mich wie … Meditation. Ich bin dann ganz bei mir. Und – fühle mich Gott ganz nah. Und das berührt mich jedes Mal wieder zutiefst. Im Alltag wird vieles davon wieder verdrängt, da hilft mir ein Pilgerweg immer mal wieder auf die Sprünge.

Ich traf auch ganz liebe, offene, hilfsbereite und herzliche Menschen (ja, ab der Toskana nach dem Cisa-Pass waren auch mehr Pilger anzutreffen). O.k. – die Mehrzahl war eher aus … touristischen Beweggründen unterwegs (z.B. mal eine Woche von Lucca nach Siena mit Pausentagen zum Sightseeing). Tja, jeder geht eben seinen eigenen Weg. Ich glaube, dass es auf einem Pilgerweg einen ganz besonderen Geist gibt. Dass ein Pilgerweg auf seine Pilger wirkt. Und zwar auch auf jeden, der ein wenig offen ist, so meine Hoffnung. Wenn ich pilgere, bin ich kein Wanderer und kein Tourist. Ich gehe nicht in Museen, mache keine Besichtigungs-Pausentage. Ich möchte einfach nur laufen, jeden Tag. Ja, ich gehe auch in Kirchen, wenn die offen sind. Für eine Zeit der Stille, ein Gebet, das Anzünden einer Kerze. Das ist mir wichtig auf meinem Weg. Und wenn ich die Gelegenheit habe, setze ich mich in eine Messe (ich als alter Evangele). Ich verstehe zwar kaum ein Wort, fühle mich aber geborgen.

Wichtig waren mir auch die Begegnungen mit den anderen Pilgern (Pilgergespräche – nach 10 Minuten hatte man sein ganzes Leben ausgetauscht). Auch diese gab es für mich auf diesem Weg. Und – wenn ich es brauchte, waren immer Wege-Engel für mich da. Zum Beispiel der Deutsch-Italiener Ricardo, der einige Tage Quartier für uns besorgte (und schon er als italienischer Muttersprachler hatte seine Schwierigkeiten damit). Und Ralf – welch gute, tiefgründige und bedeutsame Gespräche hatten wir! Und die beiden Paare aus dem Piemont – welchen Spaß hatten wir beim Kochen! Das alles gehört für mich zum Camino, ist wichtig für mich.
Meine Erfahrung hat sich wieder bestätigt:

Der Camino gibt mir nicht, was ich will. Oh nein. Aber er gibt mir, was ich brauche.

Der Weg sorgt für seine Pilger.

Die Ankunft in Rom war … bewegend. Auch, wenn ich Pilgerlein allein und einsam von Touristengruppen umringt auf dem Petersplatz saß.
Ich hatte das Glück, bei einer Generalaudienz des Papstes dabei sein zu dürfen, und zwar mit einer besonderen Pilgerkarte an der Seite des Papstes ca. 20m entfernt zu sitzen. War zwar kein adäquater Ersatz der Pilgermesse in Santiago, aber auch sehr gut.

Zu den letzten Tagen in Rom kam meine liebe Frau angereist, und wir hatten noch eine gute Zeit zusammen. Ohne großes Besichtigungsprogramm, einfach nur da sein, auf dem Petersplatz sitzen, auf den deutschen Friedhof und in die dortige Kirche gehen, morgens um 7 Uhr in den Petersdom gehen und dort eine Messe besuchen… bevor die Touristenschwärme kommen und aus der Kirche ein Museum wird.

Erkenntnisse:

Ich bin nun eine Woche wieder arbeiten gegangen. Und so schwer, wie mir das Reinfinden in den Arbeitsalltag fällt, muss der Weg besser gewesen sein, als ich dachte.

Aber: sollte ich die Gnade erfahren, wieder einen Camino gehen zu können, würde ich wahrscheinlich wieder Spanien den Vorzug geben.

Ronald

Re: Via Francigna Pavia - Rom 7.9.-6.10.19

Verfasst: 12. Okt 2019, 23:31
von Gertrud
Danke für deinen Bericht, einfach nur danke.
Gertrud

Re: Via Francigna Pavia - Rom 7.9.-6.10.19

Verfasst: 13. Okt 2019, 08:55
von tsetse
Sehr schöner Bericht, Ronald, vielen Dank dafür.

Vieles habe ich genauso erlebt (ich bin allerdings erst in Massa/Carrara und brauch noch zwei oder drei Jahre nach Rom). Die 50 km Straße zwischen Piacenza und Fidenza sind echt kein Vergnügen.

In Italien gibt es keine festen Öffnungszeiten für Ostellos, zu denen man dann einen Hospitalero antreffen kann. Und ich spreche auch kein italienisch. Daher habe ich einen anderen Weg, ein Bett für die Nacht zu finden: wenn ich nicht mehr weiterlaufen möchte, setze ich mich in eine Bar und bestelle zu meinem Getränk noch ein Bett dazu :-)
Der Wirt diskutiert dann mit den anderen Gästen, es wird hin- und hertelefoniert und wieder diskutiert, und spätestens, wenn ich ausgetrunken habe, gibt es eine Lösung.
Mal wird mir der Weg zum Ostello aufgezeichnet (bei dem ich dann schon erwartet werde), oder ich werde hingeführt, oder bekomme ein Zimmer in einem günstigen Hotel...
Bisher klappt das prima :D

Re: Via Francigna Pavia - Rom 7.9.-6.10.19

Verfasst: 13. Okt 2019, 09:09
von CyrusField
Ronald hat geschrieben: 12. Okt 2019, 19:40 Pilgern ist für mich etwas sehr, sehr Persönliches. Ich brauche lange, um so richtig auf dem Weg anzukommen. 10 … 12 … 14 Tage. Bis morgens die Füße nicht mehr weh tun, der Rucksack fest zu mir gehört und die Beine einfach nur laufen, laufen, laufen wollen [...] Dann … entwickelt der Kopf ein Eigenleben. Es kommen Erinnerungen hoch, von denen ich gar nicht wusste, dass ich die noch weiß. Ich reflektiere mein Leben: wo stehe ich, wo geht es hin? Ich bin glücklich – warum mache ich mir das nicht öfter bewusst? Und solche Sachen. Das ist für mich wie … Meditation. Ich bin dann ganz bei mir. [...]
Erstaunlich - das deckt sich zu 110% mit meinen Empfindungen beim Pilgern.

Vielen Dank für Deinen Bericht!

Re: Via Francigna Pavia - Rom 7.9.-6.10.19

Verfasst: 13. Okt 2019, 14:57
von Fred
Ciao Ronald,
Ronald hat geschrieben: 12. Okt 2019, 19:40 Unterkunft zu finden war mitunter … schwierig. O.k. – ich hatte die Liste, aber einfach da hinzugehen hat nicht funktioniert. Mir ist es passiert, dass ich vor einem Ostello stand, das eigentlich geöffnet sein sollte, es aber nicht war. Klingeln, anrufen, Leute fragen – kein Erfolg. Also half nur Weitergehen. Auch Informationsbüros (Punto Tappa / Touristeninfo) sollten eigentlich offen haben, waren aber mitunter verriegelt und verrammelt. Klopfen, Klingeln, Anrufen – nichts half. Leute befragt – die zuckten nur mit den Schultern. Ist mir mehrfach passiert. Schade.
ja, so kann's laufen. Ich denke mal, die Via Francigena bis Rom ist so ein Mittelding zwischen Camino Francés und Cammino di Francesco. Auf letzterem gelten dann ganz andere Regeln, als in Spanien. Es ist Bergwandern und es ist meist einsam. Viele Wege und Pfade, wenig Straßen. Und wenige Unterkünfte, oft gerade im Abstand einer Tagesetappe. Einige hier im Forum haben schon geschrieben, wie sie auch ohne Vorbuchung abends immer Bett, Teller und Glas fanden. Will man sich diese Anspannung ersparen, so kann man beispielsweise die 700 km auf dem Cammino di San Michele Arcangelo von Deutschland aus komplett mit booking.com vorbuchen. Gerade, wenn man wie wir beide, keinen großen Wert auf Besichtigungen legt. Laufen, laufen, laufen. Joachim-Ernst Behrendt schrieb 'Es gibt keinen Weg – nur gehen'.

Beispiel: Assisi - Abruzzen - Monte Sant'Angelo (700 km), 2016 komplett vorgebucht.

Mario

Re: Via Francigna Pavia - Rom 7.9.-6.10.19

Verfasst: 13. Okt 2019, 15:48
von Shabanna
Hey Ronald,

was für ein Bericht! Und topaktuelle Infos, wow, vielen Dank dafür! Er bringt bei mir viele schöne Erinnerungen zurück.

Schön, nicht weil er einfach war, der Weg. Schön, weil er mich sehr geprägt hat. Ich konnte danach alles, was vorher war und was danach kam, irgendwie besser einordnen. Vielleicht ist es bei dir ähnlich. Deine letzten Zeilen lassen das für mich ein bisschen vermuten ...

Ehrlich gesagt - die Dinge, die du eher als Kritikpunkte angeführt hast, beruhigen mich ungemein :)

Ich bin (nachdem ich von daheim nach Santiago gegangen war), von daheim nach Rom gepilgert - und zurück Richtung Santiago. Für mich war es wichtig, dass unterwegs endlich wieder kleine "Abenteuer" lauerten. Ich war übersättigt vom Frances, von den vielen buen-camino-rufenden Pilgern, von der massengeschuldeten Oberflächlichkeit und der perfekten Infrastruktur und sehnte mich danach, wieder ein bisschen wild und frei zu laufen ..."mit den Haaren im Wind" ;)

Und, ja, Herbergen musste man "aufspüren", sie wurden einem nicht vor die Füße geworfen (tsetse, ach, herrlich! Gut zu wissen, dass das funktioniert! :)). Es gab keine "Umleitungen", wenn irgendwo Bäume über den Weg gefallen waren (und es gab auch keinen, der sie wegräumte!), die Beschilderung war chaotisch (zu der Zeit war sie noch EXTREM chaotisch, da überall noch die alten Markierungen zu sehen waren, die zu den schnellen Straßen führten). Die Pilgerführer, die auf den Markt kamen, waren zum Zeitpunkt ihres Erscheinens schon wieder veraltet, da die Via Francigena sich in einem großen Umbruch befand (und befindet). Früher waren ein paar Hardcore-Pilger nach Rom gegangen ... ich weiß noch, als ich zum ersten Mal Erkundigungen einholte, ob es möglich wäre, da sagte mir jemand: Nein, das kann man nicht machen, in der Po-Ebene, da läuft man halt auf den Schnellstraßen und der Rest ist viel zu rustikal.

Und dann ging alles so schnell, es wurden Gelder in die VF gepumpt, um die Infrastruktur zu stärken und den Weg sicherer zu machen (du hast die mit Sägespänen eingeworfenen und mit Holzgeländer abgetrennten Wege z. B. aus Lucca heraus gesehen?). Wer sich an das alte Forum erinnert, ich habe dort fast wöchentlich von neu eröffneten Ostellos und Herbergen und B&Bs berichet - und irgendwann war sie dann kein Geheimtipp mehr, die VF. Ich selbst habe mit Sorge gen Italien (oh jee, ich hoffe, die Forums-Sitten-Polizei lässt das so stehen :lol:) geblickt. Ich habe damals vorausgesagt, dass im Jahr 2020 die VF ähnlich zu gehen sein wird wie der Frances. Und hey, irgendwie tut es so gut zu lesen, dass es nicht so gekommen ist.

Vielleicht sollte die VF (bei aller Wertschätzung für die Arbeit, die all die Freiwilligen und Unfreiwilligen ;) in die Verbesserung des Weges stecken) immer das bleiben, was sie ist: Etwas chaotisch, etwas verrückt, etwas unbequem, ein bisschen anders, ein bisschen "unfertig". Tja.
Ronald hat geschrieben: 12. Okt 2019, 19:40 Auch von Eurovia aus Wien habe ich mir die Unterkunftsliste bestellt (sowie den Credenziale), war aber auch eher so ... mittelgut. Für den Pilgerpass kopierte ich mir einige Seiten als Verlängerung, mir war klar, dass das Original für die Stempel nicht ausreicht.
Das Credenziale und das Unterkunftsverzeichnis von Eurovia sind meiner Meinung nach überteuert. Mit dem Unterkunftsverzeichnis konnte ich zudem überhaupt nichts anzufangen, da ein Name und eine Telefonnummer ohne weitere Informationen mir einfach zu wenig waren. Geeignet vielleicht für den Nofall.

Die Pilgerführer von Terre sind wohl für den italienischen Bereich der VF immer die aktuellsten. Wahrscheinlich hast du die gemeint? Ich würde heute trotz allem mit dem Outdoor gehen. Ich verfolge immer den Blog von Ingrid Retterath, da kann man immer sehen, dass sie den Weg wirklich gelaufen ist. Wo ich mir bei anderen da manchmal nicht so sicher bin ;)
Ronald hat geschrieben: 12. Okt 2019, 19:40 Am meisten haben mir die Informationen von www.viefrancigene.org geholfen. Da gab’s eine recht aktuelle und umfangreiche Unterkunftsliste zum Download, und eine kostenfreie App fürs Smartphone. Diese App hat mir oft sehr geholfen, ich konnte mir zuvor die entsprechenden Karten downloaden und war damit offline gut unterwegs. Per GPS wurde mir mein Standort in der Karte angezeigt. App arbeitete recht stromsparend, was nicht selbstverständlich war.
Viefrancigene find ich auch ganz gut. Die Seite hat viele tolle Features, damit kann man ganz gut planen, wenn man das möchte. Mich wundert nur immer wieder, dass bestimmte, oft sehr beliebte Unterkünfe in der Liste fehlen. Ich habe in der Zwischenzeit den Verdacht, dass die Vermieter einen nicht ganz unerheblichen Preis bezahlen, damit sie dort auftauchen. Und einigen scheint es das nicht wert zu sein.
Ronald hat geschrieben: 12. Okt 2019, 19:40 Der Camino gibt mir nicht, was ich will. Oh nein. Aber er gibt mir, was ich brauche.
Der Weg sorgt für seine Pilger.
Womit wir uns wieder total einig sind :)

Was mich interessieren würde: Wie bist du nach Rom hineingekommen? Ich ging damals noch hin und zurück teilweise der Via Trionfiale entlang, es gab den Weg durch den Parco Insugherata noch nicht. Mich würde sehr interessieren, ob der angenehm ist, wo er auf die Trionfiale trifft und ob er als Hauptweg ausgeschildert ist?

LG,
Andrea

P.S.: @tsetse: Zwischen Piacenza und Fidenza kann man ja auch durch die Felder gehen, ist der Weg nicht mehr so ausgeschildert? Ich bin ihn beim ersten Mal gegangen. Klar, auch der bietet keine landschaftlichen Höhepunkte und er ist auch länger, aber wenigstens ist er nicht gefährlich. Beim Rückweg bin ich größtenteils der Straße lang getippelt. Aber eigentlich hab ich das hinterher bereut.

Re: Via Francigna Pavia - Rom 7.9.-6.10.19

Verfasst: 13. Okt 2019, 19:35
von donjohannes
Danke Ronald für den hilfreichen Bericht!

Ich habe den Weg ein bisschen anders erfahren, aber das hängt sicher damit zusammen, dass ich Italienisch spreche (nicht gut, aber es reicht) und gerne mit jedem im Dorf quatsche bis ich das Quartier gefunden habe. Ausser Telefon kommt man Italien wahrscheinlich mit Fax immer noch weiter als mit email oder sms. :-) Ein Mysterium, weil man bei uns für ein Fax schon ins Technische Museum muss. Aber ich bekomme hier (in Italien) auch von offizellen Stellen oft keine Antwort auf meine emails - selbst wenn ich Gebühren zahlen(!) will.

Vielleicht ein Hinweis zu den Preisdifferenzen zwischen angeschriebenen Preisen und dem, was man bezahlt. In Italien zahlt man für das Gedeck (also, wenn man sich an einen Tisch setzt und nicht an der Bar im Halbstehen isst) extra. Das wird zu den Preisen aufgeschlagen. Ich weiß nicht, ob das im konkreten Fall so war, aber ich schreib es mal hier her, weil es vielleicht dem einen oder anderen, der noch nicht in Italien unterwegs war, unbekannt ist.

Ganz allgemein wird die VF einfach viel weniger belaufen. Es ist mehr so, wie in den frühen 90ern am Camino. Dazu kommt, dass der Camino nach dem Besuch von Johannes Paul II stark aber organisch gewachsen ist (seit 30 Jahren nun), während die VF mit ihrer aktuellen Route mehr ein transplantiertes Konzept ist, das dem Pilgerboom geschuldet ist. Der Weg ist also nicht wegen der Pilger entstanden, sondern der Weg wurde gemacht, damit Pilger kommen. Nicht alle Ostellos sind daher zwingend besetzt, weil es gerade außerhalb der Hochsaison Tage gibt, wo niemand kommt. Manche sind einfach ein Bonusangebot von Pfarreien, die aber niemanden haben, der sich permanent drum kümmert. Die Infrastruktur ist entsprechend oft dann eher mau. Aber auf eine Weise kann man erleben, wie es einst am Camino gewesen ist.

In jedem Fall, guten Weg auch weiterhin!

Re: Via Francigna Pavia - Rom 7.9.-6.10.19

Verfasst: 13. Okt 2019, 21:04
von Fred
donjohannes hat geschrieben: 13. Okt 2019, 19:35 Ich habe den Weg ein bisschen anders erfahren, aber das hängt sicher damit zusammen, dass ich Italienisch spreche (nicht gut, aber es reicht) und gerne mit jedem im Dorf quatsche bis ich das Quartier gefunden habe.
2018 war ich sechs Wochen mit italienischer Begleitung im Mezzogiorno unterwegs und es war einfach wie in einer anderen Welt. Keine Probleme, nur Lösungen. Was mich aber heute noch wundert: wenn am Telefon eine Frage gestellt wurde, die nach deutschen Vorstellungen als Antwort lediglich ja oder nein erwartet, dann wird man Zeuge eines zehnminütigen, offensichtlich herzlichen Gespräches. Bella Italia...

Mario

Re: Via Francigna Pavia - Rom 7.9.-6.10.19

Verfasst: 13. Okt 2019, 21:32
von Ronald
Liebe Shabanna,
Kritik wollte ich nicht üben, es würde heißen, dass Erwartungen nicht erfüllt würden. Ich habe nur geschrieben, was mir persönlich schwergefallen ist (Du weißt ja: der Tourist verlangt, der Pilger dankt :-) ). Ich vergleiche einen Pilgerweg gerne mit dem Lebensweg: es gibt nicht nur schöne Strecken, manche muss man einfach nur durchstehen (hier: -laufen).

Deine Anfrage: Was mich interessieren würde: Wie bist du nach Rom hineingekommen?

Von La Storta gings natürlich erst mal an der Hauptverkehrsstraße lang. Nicht sonderlich schön, aber machbar, da meist ein Fußweg (!) vorhanden war. Sobald sich die Möglichkeit bot, bin ich in das Riserva Naturale dell Insugherata abgebogen (hab zuerst den Abzweig verpasst, bin dann ein paar hundert Meter zurück gegangen). Schön ruhig, ich war total erstaunt, solch urwüchsige Landschaft in direkter Nähe einer Großstadt zu erleben. Der Weg war zum Teil recht zugewachsen, was mir (es hatte in der Nacht geregnet) nasse Hosenbeine bescherte. Aber - was solls. Dann durch einen Vorort Roms hindurch (Torrevechia?) mit recht unleckeren Müllbergen auf der Straße. Auch das gehört zum Weg. Durch das Riserva Naturale Monta Mario war der Weg auch recht zugewachsen und mitunter nicht eindeutig erkennbar, belohnte aber mit schönen Ausblicken über Rom und Vatikanstadt. Und ... ich konnte mich beobachten, wie ich jede Wegstrecke auskostete, jede Abkürzung wegließ ... weil ich wußte, dass das Ende des Weges da war.

Zur generellen Situation in Italien: Mein deutsch-italienischer Mitpilger Ricardo war der Meinung, dass Italien derzeit in einer schweren Krise steckt (was größtenteils mit einer nicht handlungsfähigen Regierung zusammenhängen würde). Wahrscheinlich hat er Recht, weil er auch tieferen Einblick in die Verhältnisse hat. Auch mir fiel auf, dass z.B. die Infrastruktur nicht in bestem Zustand war (bröckelnde Straßen, schwierige Situationen mit dem ÖPNV ...). Umso mehr möchte ich wertschätzen, was Ehrenamtliche in der Wegekennzeichnung leisten. Und mich hat tief beeindruckt, mit wieviel Hingabe italienische Freiwillige Hopitalero-Dienste tun. Besonders in Erinnerung wird mir mein Aufenthalt in San Lazzaro (Acquapedente) und speziell in Rom (Spitale Divina Provvidenzia in der Via dei Genovese 11B) bleiben. Die rituelle Fußwaschung in Rom mit Segnung hat mich nachhaltig berührt.
Was ich damit sagen will: Es waren die Menschen, die diesen meinen Weg geprägt haben. Und - damit war es ein guter Weg.

Liebe Grüße
Ronald

Re: Via Francigna Pavia - Rom 7.9.-6.10.19

Verfasst: 13. Okt 2019, 22:16
von Shabanna
Ronald hat geschrieben: 13. Okt 2019, 21:32 Besonders in Erinnerung wird mir mein Aufenthalt in San Lazzaro (Acquapedente) ...
Das hör ich jetzt schon zum zweiten Mal, auch Kerstin (wo steckt sie eigentlich?) hat Ähnliches berichtet.

Für mich war San Lazzaro der absolute Absturz. Hab mich eigentlich drauf gefreut, und als ich mit letzter Kraft den Hügel hochgekraxelt war und das eigentlich recht schöne Anwesen und den Garten gesehen hab, war noch alles okay. Der Schlafraum und die Dusche waren dann total verdreckt, leere Flaschen, Cola-Dosen, Kondome lagen rum, Staub zentimeterdick. Eine ältere Schwester hat mich wortlos ins Dormitorio gebracht und war dann nicht mehr gesehen. War mutterseelenallein dort oben und fühlte mich keinen Deut besser als das Jahr zuvor, als ich unten im Ort im dunklen, feuchten Ostello war. Bin gespannt, ob ich irgendwann noch Frieden mit Acquapendente schließe, mir war der ganze Ort nicht geheuer.

Ähnlich übrigens Campagnano di Roma, aber das ist eine andere Geschichte :)
Ronald hat geschrieben: 13. Okt 2019, 21:32 ... und speziell in Rom (Spitale Divina Provvidenzia in der Via dei Genovese 11B) bleiben. Die rituelle Fußwaschung in Rom mit Segnung hat mich nachhaltig berührt.
Ja, die Herberge in Trastevere ist Weltklasse. Ich kam krank in Rom an und wurde dort gesund gemacht. Ach so, nö, war keine Wunderheilung. Einfach furchtbar nette Menschen, ihre Gebete und ein paar Medikamente ;)

Fußwaschung gab's bei mir in Radicofani (da warst du in der anderen Herberge), in Abbadia Isola (gibt's die da nicht mehr?) und in Rom. Ich hab irgendwann verstanden, dass man da nicht fehlen sollte. Sie holen einen sogar aus der Toilette :ugeek:

Danke für die Infos über den Parco Insugherata. Wenn ich das richtig sehe, wird das gefährlichste Stück auf der Via Trionfiale damit umgangen.

LG,
Andrea

P.S.: Deine Herberge in Radicofani - ich finde gar nichts unter diesem Namen ... ist die neu?

Re: Via Francigna Pavia - Rom 7.9.-6.10.19

Verfasst: 14. Okt 2019, 19:20
von Ronald
Liebe shabanna,

in Radicofani war ich in der Herberge gleich rechts neben der Kirche:

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Die wurde wohl von einer der italienischen Jakobs-Bruderschaften betreut (hab vergessen von welcher). Hospitalero kam nach Anruf angeschlenzt, hat einen freundlich reingelassen und ist dann wieder losgezogen. Mit anderen Pilgern haben wir zusammen gekocht und hatten eine wirklich gute Gemeinschaft.

Zu San Lazzaro (Acquapedente) - was ich glaube verstanden zu haben:

Das ehemalige Kloster stand nach dem Ableben des letzten Klosterbruders in den 1980er Jahren lange Jahre leer und verfiel. Bis dann die eine Schwester (die noch heute allein darin wohnt) die Gebäude rettete, indem sie kirchliche Unterstützung / Spenden aktivierte sowie gemeinsam mit einer der italienischen Jakobs-Bruderschaften (ich glaube Perugia?) eine Pilgerherberge eingerichtet bekam. So konnte das Nötigste saniert werden und die (wunderschönen) Gebäude erhalten bleiben. In den Sommermonaten (vielleicht bis Ende September oder Oktober?) sind zwei ehrenamtliche Hospitaleros (im Wechsel) dort, zur restlichen Zeit eben nur diese eine Schwester.
Ich könnte mir vorstellen, dass Du zu einer Zeit dort gewesen sein könntest (vielleicht im Frühjahr?), zu der noch keine Hospitaleros dort waren.

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Zum Kloster gehört noch eine Kirche, die zwischenzeitlich auch genutzt wurde. Nach einem Erdbeben vor einiger Zeit allerdings bekam die Baustruktur Risse, und das Gebäude wurde gesperrt. Und wird wahrscheinlich auch nicht mehr saniert werden. Die Schwester aber hält trotzdem Ordnung, es stehen frische Blumen auf dem Altar, als wäre die letzte Messe gerade erst vorbei.

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In Abbadia Isola war ich in der Herberge gleich rechts neben der Kirche. Fußwaschung gabs nicht (hängt vielleicht davon ab, wer gerade Hospitalero-Dienst versieht), aber der Hospitalero hat nett gekocht. War ganz allein da.

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Liebe Grüße
Ronald

Re: Via Francigna Pavia - Rom 7.9.-6.10.19

Verfasst: 14. Okt 2019, 20:04
von Shabanna
Ronald hat geschrieben: 14. Okt 2019, 19:20
in Radicofani war ich in der Herberge gleich rechts neben der Kirche ...
Ah, dann warst du doch in der alten, die es schon immer gab, Ospitale dei Santi Pietro e Giacomo. Ich war zwei Mal dort, beim Hin- und Rückweg. Meistens hab ich beim Rückweg bewusst andere Herbergen ausprobiert, aber bei einigen konnte ich nicht anders ... Ich liebe diese Herberge. Beide Male waren Hospitaleras der Confraternita da, beide Male wurden wir super bekocht (aber kochen mit den Mitpilgern ist ja auch immer toll) , beide Male gab es Fußwaschung :)

Vielen Dank für die Infos zu San Lazzaro, da fehlten mir natürlich komplett die Hintergrund-Infos. Jetzt verstehe ich einiges ...

Abbadia Isola sieht jetzt ganz anders aus, da haben sie in den letzten Jahren viel restauriert und gebaut. Als ich dort war, war der Pfarrer von Monteriggioni zum Abendessen da. Der hat erzählt, dass sie nur Langstreckenpilger im spirituellen Abbadia Isola aufnehmen, touristische oder Kurzstreckenpilger schicken sie weiter nach Monteriggioni. Und tatsächlich hatte man mich am Telefon bei der Reservierung gefragt, wo ich gestartet bin und wo ich hin will ... Mitpilger haben dann aber erzählt, dass es auch in der Herberge in Monteriggioni sehr nett war. Ob es heute noch so abläuft?

Bist du auch lange an der Tankstelle vorne an der Straße bei einem Bier gesessen? Ich fand es dort wunderbar. Eine Tankstelle, wie es sie bei uns vielleicht in den 70ern gegeben hat. Faszinierend.

Hach ja, ich könnte dich noch dieses oder jenes fragen, es ist so schön, dass du grad erst dort warst. Aber ich lass dich jetzt in Ruhe ;)

LG,
Andrea