Seite 1 von 1

Pilgern in der Langhe und im Monferrato - Ein Kurzbericht

Verfasst: 8. Jun 2021, 12:05
von donjohannes
Von meiner Ecke in den Alpen sehe ich bei klarem Wetter jenseits der Pianura Padana die Hügel der Langhe und des Monferrat. Es ist ein Gebiet berühmt für einige von Italiens besten Weine; die Haselnüsse, die Ferrero (Sitz ebendort in Alba) zum Ur-Nutella verarbeitet hat und die legendäre Weisse Trüffel, die unglaubliche Preise (€) erzielt.
Pilger kommen selten durch dieses Gebiet. Die Via Francigena führt nördlich daran vorbei. Die französischen Assisi-Pilger nutzen den Höhenkamm südlich und die alten Jakobswege gehen der ligurischen Küste entlang. Dennoch lohnt sich das Pilgern, denn mit dem Sacro Monte di Crea, Weltkulturerbe als Teil der Sacri Monti, als mögliches Ziel und einigen Kunstschätzen unterwegs lässt sich auf Wanderwegen und kleinen Straßen eine schöne Tour zusammenstellen. Meine eigene begann in Mondovì und endete in Chivasso. 222 km und gemütliche 8300 Höhenmeter. Hier eine Zusammenfassung mit Links zu Bildern, für jene, die im milden Weinbauklima vor oder nach dem Sommer einmal eine kürzere Tour im Norden Italiens planen wollen. Ich war mit dem Zelt unterwegs und meine Tagesstrecken sind wohl nicht jedermans Sache, aber es gibt viele B&Bs und Agriturismos, sodass auch das gemütlichere Pilgern mit etwas Wein und guter italienischer Kost gewagt werden kann.

Bild


Tag 1 (Pfingstsonntag) - Anreise und die ersten Schritte (32km, 1270m Aufstieg, 1170m Abstieg)

Nach der Messe am Morgen geht es mit dem PKW nach Pinerolo und von dort 2 Stunden mit dem Zug via Turin nach Mondovì. Ankunft zu Mittag. Ein nettes Städchen, dessen schönste Kirche allerdings vor den Toren liegt (10min). Die Kapelle Santa Croce ist mit online Reservierung (Chiese a porte aperte- https://chiese-aperte.cittaecattedrali.it/ ) und App via Smartphone zu öffnen. Tolle Sache, damit man an diesem Schatz nicht vorübergehen muss.
https://www.instagram.com/p/CPOmqtFLzIH ... _copy_link
Dann geht es 15km auf Asphalt aber ohne Verkehr nach Bastia Mondovì. Dort ist der nächste unglaubliche Kunstschatz zu bewundern, die Kirche San Fiorenzo. Diese ist nur Sonntags von 15-19 Uhr offen - mit ein Grund, warum ich noch am Pfingstsonntag gestartet bin (2 Tage nachdem ich beschlossen hatte, die Tour zu machen):
https://www.instagram.com/p/CP2jRE9joB0 ... _copy_link
Von dort nun geht es in die Hügel bis bei Einbruch der Dunkelheit dann trotz des Starts am Nachmittag 32km gelaufen sind. Bilder des 1. Tages: https://www.instagram.com/p/CP2i7fUjihm ... _copy_link

Tag 2 (42km, 2100m Aufstieg, 1910m Abstieg)
Der angekündigte Regen bleibt nicht aus und bis zum Nachmittag werde ich ordentlich eingeweicht. Nach 55 Gesamtkilometern erreiche ich in Saliceto den Startpunkt der "Alta Via delle Langhe", die als GTL (Grande Traversata delle Langhe) durchgehend und sehr gut markiert ist. In der Alta Langhe dominieren Haselnussplantagen zwischen kleinen Dörfern und man folgt mal auf Asphalt (meistens) mal auf netten Wegen den eher sanften Rücken. Die Straßen dort oben sind jedoch verweist. Ausserhalb der Ortschaften sind mir kaum 5 Autos pro Tag begegnet. Am späten Nachmittag kommt die Sonne raus - dringend notwendig, damit das Zelt für die kommende Nacht wieder trocken wird.
https://www.instagram.com/p/CP2kQ-5D-Rc ... _copy_link

Tag 3 (42km, 1270m Aufstieg, 1800m Abstieg)
Ein herrlicher Tag mit kühleren Temperaturen. Aussichten auf die Alpen vom Monviso bis zum Monte Rosa. Die Handycamera liefert aber nur bedingt scharfe, gute Bilder aus der Ferne
https://www.instagram.com/p/CP2lZAJjCXB ... _copy_link
Auch heute wieder viel Asphalt und gegen Ende des Tages beginnt Wein die Hänge zu bedecken. Dennoch schlafe ich nicht zwischen Reben, sondern in einer der letzten Haselnussplantage (ohne Zelt). In der Nacht singen die Nachtigallen. Am Morgen gesellen sich Pirole dazu.

Tag 4 (50km, 1260m Aufstieg, 1080m Abstieg
Asphalt bleibt heute der bestimmende Untergrund. Die GTL ist offiziell hinter mir. Ich muss mir auf kleinen Straßen und Feldwegen meine Route suchen.
https://www.instagram.com/p/CP2lnepDFwM ... _copy_link
Dass mit Asti eine größere Stadt vor mir liegt, prägt die Stunden rund um die Mittagszeit. Es lohnt sich diese Stadt (75.000 EW) zu besuchen. Ich kenne sie von früheren Besuchen lasse ihre Sehenswürdigkeiten diesmal aus. Einkäufe und raus geht's nach Norden, wo ich nach einer Weile zwischen sanften Kuppen auf kleinen Straßen und Feldwegen lande. https://www.instagram.com/p/CP2l4HSDgH ... _copy_link
Da es hier mit den Wasserstellen knapper wird, beschließe ich bis zu meinem Pilgerziel durchzugehen und erreiche gegen 20.00 Uhr den Sacro Monte di Crea. Die Kirche ist naturgemäß schon zu. Ich fülle die Flaschen am Brunnen und such mir auf einer Wiese ein Plätzchen für die Nacht.

Tag 5 (44km, 1910m Aufstieg, 1870m Abstieg)
In der Früh bin ich der erste im Heiligtum und besuche den Kapellenberg (deren schönste Kapelle wegen Renovierung geschlossen ist). Die Schwarze Madonna von Crea hat ihren Namen behalten - auch nachdem man nach einer Reinigung festgestellt hat, dass das dunkle Marienbild eigentlich eine helle Hautfarbe hatte (die man seit der Reinigung wieder sieht). "Nigra sum sed formosa" steht trotzdem noch auf ihrem Sockel. (Wer mehr über die Schwarzen Madonnen wissen will - hier hab ich etwas zusammengetragen: https://www.youtube.com/watch?v=8OUtV9rPR54 ). In Crea endet der Wander/Pilgerweg, der über Turin bei der Kirche der Superga startet. Ich gehe ihn heute rückwärts. Er ist meist gut markiert. Kleine Sträßchen und Wege. Ich folge ihm gut 40km lang bis hinter Cinzano, dort biege ich nach Norden hin ab. Ich war schon bei der Superga gewesen und den anschließenden Hadscher durch Turin wollt ich mir sparen. Mein Ziel ist daher statt Turin Chivasso (Endpunkt meiner Urbanlinie zurück nach Pinerolo). So ging es hinein in die Wälder.
Bilder vom Tag: https://www.instagram.com/p/CP2mZUYDoyQ ... _copy_link

Tag 6 (12km, 540m Aufstieg, 760m Abstieg)
Nichts spektakuläres mehr auf den letzten Metern. Als die Schüler zur Schule gehen, bin ich am Weg zum Bahnhof und nachhause:
https://www.instagram.com/p/CP2mmlOjOp_ ... _copy_link

Fazit:

Mir hat es gut gefallen - trotzdem der überwiegende Teil auf Asphalt zu laufen ist. Da es praktische keinen Verkehr auf den Strecken gibt und die Temperaturen im Mai kühler als gewöhnlich fiel dieser Aspekt nicht sehr negativ auf. Andere Pilger oder Wanderer habe ich nicht getroffen. Ein bisschen hat es mich an die Toscana erinnert (auch wenn ich verstehen kann, dass bei der Entscheidung Toscana ODER Langhe/Monferrato die erstere wohl meist den Vorzug bekommt. Für mich, wo ich an klaren Tagen immer rüber schaue, gibt es einen Bezug zu der Landschaft und ich kann mir gut vorstellen, gerade im Spätherbst oder Frühling wieder einmal dorthin zurückzukehren.

Re: Pilgern in der Langhe und im Monferrato - Ein Kurzbericht

Verfasst: 8. Jun 2021, 12:29
von Simsim
Unglaubliche Distanzen....mit den Höhenmetern.....dafür muss man wohl Leistungssportler oder in spiritueller Ekstase sein....oder beides 🙂.

Re: Pilgern in der Langhe und im Monferrato - Ein Kurzbericht

Verfasst: 8. Jun 2021, 21:42
von donjohannes
@Simsim,

der sportliche Aspekt hat den Weg natürlich nicht ausgemacht - wie hoffentlich die Fotos zeigen können :-) Ich hab die Distanzen eigentlich nur hingeschrieben, damit man ein Gefühl für die Länge und das Terrain der in einem Abschnitt durchwanderten Landschaft (Bilder) hat. Es muss definitiv kein Kurzurlaub wie bei mir sein. Man könnte jeden der Tage halbieren und genießen. Ich hatte die Route schon länger ausgesteckt. 2020 nach der Alta Via dei Monti Liguri war es mir aber zu heiß und habe erst ganz kurzfristig aufgrund des Wetterberichts entschieden, sie nun in einer Lücke im Terminkalender zu gehen - bevor ich für das Pfingstlager einer Pfadfindergruppe zurück sein musste.

Ganz allgemein: Ich bin eigentlich nicht sehr schnell unterwegs (und quatsche gerade in Italien immer mit den Leuten, die ich am Wegrand treffe). Der einzige Grund warum die Kilometeranzahl manchmal höher ist, ist weil ich um 6.00h schon auf den Beinen bin und im Sommer vor 21.00h keinen Zeltplatz suche. Ich will den Morgen und den Abend am Weg verbringen. Dann ist einfach das schönste Licht. 15 Stunden für zB. 44 km ergibt übrigens weniger als 3km/h im Schnitt. Jemand der um 9.00h startet und um 17.00h das Tagesziel erreicht haben will, der muss bei 24 Tageskilometern schon schneller gehen wie ich. Die Zahlen täuschen also etwas. Alles halb so wild.

Re: Pilgern in der Langhe und im Monferrato - Ein Kurzbericht

Verfasst: 8. Jun 2021, 22:45
von Fred
donjohannes hat geschrieben: 8. Jun 2021, 21:42 Die Zahlen täuschen also etwas. Alles halb so wild.
Hahahahaha. Johannes, ich bin einer deiner größten Bewunderer. Aber 15 Stunden am Stück, wenn auch "nur" mit 3 km/h, also das ist schon eine Hausnummer, die nicht jeder schafft...

Ganz herzliche Grüße!

Mario

Re: Pilgern in der Langhe und im Monferrato - Ein Kurzbericht

Verfasst: 9. Jun 2021, 13:06
von donjohannes
M@rio d'Abruzzo hat geschrieben: 8. Jun 2021, 22:45 das ist schon eine Hausnummer, die nicht jeder schafft...
... und auch nicht schaffen muss. Beim Pilgern geht es ja schließlich nicht um die Geschwindigkeit, sondern um einen Weg und sein Ziel.
Wünsch dir alles Gute bei deiner Italien-Tour. Ich hoff, ich komm nach den Aushilfen in Liechtenstein noch mal vor die italienische Tür. Im September bin ich in jedem Fall näher bei dir im Schwarzwald unterwegs. Dort begleite ich junge Leute auf ihren Wanderexerzitien.

Re: Pilgern in der Langhe und im Monferrato - Ein Kurzbericht

Verfasst: 9. Jun 2021, 13:15
von Camineiro
donjohannes hat geschrieben: 9. Jun 2021, 13:06
M@rio d'Abruzzo hat geschrieben: 8. Jun 2021, 22:45 das ist schon eine Hausnummer, die nicht jeder schafft...
... und auch nicht schaffen muss. Beim Pilgern geht es ja schließlich nicht um die Geschwindigkeit, sondern um einen Weg und sein Ziel.
Wünsch dir alles Gute bei deiner Italien-Tour. Ich hoff, ich komm nach den Aushilfen in Liechtenstein noch mal vor die italienische Tür. Im September bin ich in jedem Fall näher bei dir im Schwarzwald unterwegs. Dort begleite ich junge Leute auf ihren Wanderexerzitien.
Da könntet Ihr Eure Wanderroute vielleicht am Wanderheim Belchenblick im Kleinen Wiesental vorbei legen.
Dann hättet Ihr Gelegenheit das „halbe“ Pilgerforum zu treffen 😉 (WE 3./4./5.09.).

Re: Pilgern in der Langhe und im Monferrato - Ein Kurzbericht

Verfasst: 9. Jun 2021, 13:35
von donjohannes
@Camineiro
ah. Aber bei uns geht es erst eine Woche später los und die Jungen haben ihre Route selber ausgesteckt. Ich lauf nur wie ein Dackel hinten nach :-)

Re: Pilgern in der Langhe und im Monferrato - Ein Kurzbericht

Verfasst: 9. Jun 2021, 21:02
von Fred
donjohannes hat geschrieben: 9. Jun 2021, 13:06 Im September bin ich in jedem Fall näher bei dir im Schwarzwald unterwegs. Dort begleite ich junge Leute auf ihren Wanderexerzitien.
Gibt's da eine Internetseite zu oder ist das alles Gott secret? Als Hundefreund könnte ich dem Dackel dann vielleicht mal ein Leckerli anbieten...

Mario

Re: Pilgern in der Langhe und im Monferrato - Ein Kurzbericht

Verfasst: 9. Jun 2021, 21:26
von donjohannes
@Mario,
ist keine Veranstaltung per se, sondern ein bestehender Kreis junger Leute. Drum gibt's da keine Seite, sondern vermutlich nur interne Whatsapp oder Whatsdingsbums Nachrichten zwischen denen. Aber wenn's Richtung Staufen gehen sollte (oder ich vorher oder nachher dort vorbeikomm, dann melde ich mich - da ich als Pilger Leckerli ja nie ablehne.

Re: Pilgern in der Langhe und im Monferrato - Ein Kurzbericht

Verfasst: 10. Jun 2021, 10:53
von Fred
donjohannes hat geschrieben: 9. Jun 2021, 21:26 Aber wenn's Richtung Staufen gehen sollte (oder ich vorher oder nachher dort vorbeikomm, dann melde ich mich - da ich als Pilger Leckerli ja nie ablehne.
Haha, gerne... Wobei mein Einzugsbereich dank Regiokarte vom Belchen über den Schauinsland bis zu Titisee, Schluchsee und Feldberg reicht. Zu letzteren Zielen fährt die Bahn sogar über Himmelreich. Anschließend leider durch das Höllental. Fast schon Dante-mäßige Dimensionen...

:-)

Pace e Bene

Mario