Via Turonesis

Pilgerwege in Frankreich
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Kater
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Via Turonesis

Beitrag von Kater »

Moin,

Annkatrin und Mario haben vorgeschlagen, etwas mehr zur Via Turonesis zu schreiben, da diese Strecke offenbar ein nicht so häufig benutzter Pilgerweg durch Frankreich ist.

Also, ja. Mario hat recht, die Turonesis beginnt quasi in Paris, am Tour Saint Jacques.
Allerdings habe ich den Weg von zuhause aus mit dem Fahrrad angetreten – in Etappen, da der Urlaub leider nie reicht. Anfangs Tagestouren und mit der Hamburger S- und U-Bahn wieder nach Hause , dann zweimal jeweils eine gute Woche durch die Niederlande, Belgien bis nach Nordfrankreich, wobei ich ab Leer dann Teile der Dollard-Route und später dann bis Cadzand (NL) den Nordseeküstenradweg genutzt habe. Selbst da trifft man von Zeit zu Zeit auf Jakobs Spuren – Orte wie St. Jacobsparochie etc.

Ab Haarlem gibt es zwar die Jacobsfietsroute, die von der niederländischen Jakobobsgesellschaft auch bis Saintes (weiter bin ich ja noch nicht) durchmarkiert ist, aber die bin ich da nicht gefahren, da ich gern über Brügge und Gent in Belgien wollte. Aber, auch die Strecke ist (lose) markiert mit Jakobwegzeichen.

Etwas „tricky“ war dann das von mir frei gewählte Verbindungsstück von Gent (BE) über Mons (BE) nach Maubeuge (FR) und weiter nach Hirson (FR). Die Wegmakierungen und auch die Radwegqualität im südlichen Belgien lassen etwas zu wünschen übrig. Letzteres stört mich nicht allzu sehr, fahre ich ja auch sonst lieber mal querfeldein, als dass ich eine viel befahrene Straße nutzen muss.

Im südlichen Belgien habe ich versucht dem RAVEL3 zur folgen, der mich zum Eurovelo3 in Frankreich gebracht hat. Dann bin ich der Sambre und diversen Kanälen gefolgt, bzw. habe teilweise eine zum Radweg umgebaute ehemalige Bahnstrecke durchs Thiérache genutzt. Sehr einsam, dieses altes Industrieland, Blair-Witch-artige Waldpassagen waren dabei, und die Wege entlang der Kanäle sind auch nicht immer gesichert, dafür dann hier und da mal mit Rollsplit bedeckt – auf der anderen Seite Brombeergestrüpp, so dass es hier teilweise nur mit großer Vorsicht voran geht.
Ab Noyon (FR) werden die (Kanal-)Wege wieder besser. Ab Compiègne und bei Senlis durchquert man dann größere Waldgebiete.
Nach Paris rein geht es sehr gut, und zwar wieder einmal entlang eines Kanals. Man kommt dann hinter Villette im Nordosten der Stadt raus und folgt dem Kanal am besten bis République oder gar noch ein Stückchen weiter bis Bastille. Klar, in Paris habe ich auch mein Rad geschoben, aber alles in allem ging es besser als ich dachte, da es zwischenzeitlich viele Radwege gibt.
Wie gesagt, ab hier beginnt quasi nun die Via Turonesis, der Weg über Tours.
Aus Paris raus war überhaupt kein Problem, denn es gibt einen gut ausgebauten Radweg bis Massy (entlang der TGV-Bahnstrecke) – ziemlich grün das Ganze.
Ab Massy muss man dann durch diverse Gewerbegebiete, aber auch da war ich positiv erstaunt, dass es teilweise Radspuren/-wege gab und auch hier und da mal ein Jakobsmuschelsymbol in den Boden eingelassen war. Trotzdem, es war gut, die Navi zu haben, um zu wissen, dass ich auf dem geplanten Weg bin, und mit dem Rad geht es dann auch etwas flotter voran … zu Fuß wäre das hier nicht meine Wunschstrecke.
Feld, Wald, Wiesen bis Orléans, dann entlang der Loire. Der Weg auf den Deichen hier ist teilweise recht schmal. Wahrscheinlich gibt es einen besseren Radweg auf der Südseite, ich bin aber erstmal entlang des Nordufers gefahren.

Eine schöne Strecke, hübsche alte Orte, und ab hier habe ich erstmals mehrere Mitpilger getroffen, einige zu Fuß, viele aber auch mit Fahrrädern. Konnte mir einen Abstecher zum Chateau Chambord nicht verkneifen.

Auch gut gefallen hat mir die Gegend südlich von Tours (immer einen Stopp wert) bis Poitiers. Da geht es entlang einer alten Römerstraße. Hat mich ein wenig an die Meseta um Castrojeríz (ES) erinnert.

Gut in Erinnerung ist mir die Kirche in Melle mit ihrem einfach nur unglaublichem Marmoraltar, und auch Aulnay ist ein sehr sympatischer kleiner Ort.
Ja, und dann kommt auch schon Saintes, das noch ein gutes Stück nördlich von Bordeaux liegt. Saintes liegt noch an der Hauptroute, die von dort nach Bordeaux weitergeht.

Ich möchte mich aber von Saintes aus an die Küste durchschlagen (ich glaube, die Niederländer haben da eine Strecke für Radler ausgemacht), und dann dem Küstenradweg (= Vélodysée oder Eurovelo 1) folgen. Der Weg entlang der Küste ist eine Variante, nicht der Hauptweg.

Am Bassin d’Arcachon kann man bei Facture ins Landesinnere abbiegen und kommt dann irgendwann bald wieder auf dem Hauptweg. Das mache ich, falls das Wetter nicht mitspielt. Wenn es geht, werde ich jedoch noch auf dem Eurovelo 1 bleiben bis St. Girons Plage und dann erst abbiegen zur Hauptroute, die dann über Dax, St. Palais, Peyhorade nach SjPdP führt.

Übernachten werde ich wohl wieder in kleinen Hotels oder Gasthäusern, denn ich möchte keinen Schlafsack mitschleppen. Pilgerherbergen gibt es am Hauptweg zwar auch (Aulnay z.B. hatte eine), aber die Pilger-Infrastruktur entlang der Via Turonesis ist absolut nicht zu vergleichen mit dem Camino in Spanien.

Ich könnte noch viel mehr berichten, habe aber leider nie genug Zeit, hoffe aber, dass euch das einen kleinen Einblick gibt.

Viele Grüße und eine schöne Adventszeit.
Kater
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beliperegrina
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Re: Via Turonesis

Beitrag von beliperegrina »

Hallo Kater,

Wow, ein toller detaillierter Beitrag, danke!! Er macht mich neugierig, und ich bin gespannt, wie deine Tour weiter verläuft.

Allzeit genug Luft in Reifen und Lungen wünscht dir
Beliperegrina
Thüringer
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Re: Via Turonesis

Beitrag von Thüringer »

Kater hat geschrieben: 1. Dez 2019, 17:58


Ich möchte mich aber von Saintes aus an die Küste durchschlagen (ich glaube, die Niederländer haben da eine Strecke für Radler ausgemacht), und dann dem Küstenradweg (= Vélodysée oder Eurovelo 1) folgen. Der Weg entlang der Küste ist eine Variante, nicht der Hauptweg.

Übernachten werde ich wohl wieder in kleinen Hotels oder Gasthäusern, denn ich möchte keinen Schlafsack mitschleppen. Pilgerherbergen gibt es am Hauptweg zwar auch (Aulnay z.B. hatte eine), aber die Pilger-Infrastruktur entlang der Via Turonesis ist absolut nicht zu vergleichen mit dem Camino in Spanien.
Bin letztes Jahr die Turonesis gegangen und kann nur empfehlen, hinter Bordeaux den Weg zur Küste einzuschlagen. Bleibt man auf den Hauptweg nach Dax, durchquert man ein ödes Kiefern/ Sandgebiet (trockengelegte Sümpfe) 10 - 15 km geradeaus, einen km rechts, dann 10 km wieder geradeaus.....usw . Die Wege sind größtenteils als quadratisches Netz mit langen Abschnitten angelegt....außer Sand und Kiefern nichts.
Entsprechend dünn sind auch die Übernachtungsmöglichkeiten zwischen Saintes und Dax, ab Dax nehmen die Übernachtungsmöglichkeiten
wieder deutlich zu, aber noch deutlich weniger als die Camino in Spanien.

Thüringer
4 mal den Camino auf Wegen durch die Schweiz, Frankreich und Spanien von der Haustür nach Santiago.
Den de Norte, den Primitivo, der Ingles und Muxia/Finiterre mehrmals. Den Portuguese von Lissabon und von Faro nach Santiago...1500 km in Deuschland
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Kater
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Re: Via Turonesis

Beitrag von Kater »

Hallo Thüringer,

ja, danke für den Hinweis.

So etwas in der Richtung hatte ich schon im Hinterkopf: Sand und Kiefern bis zum Abwinken!

Insbesondere für Fußpilger wie dich, muss es schon eine Herausforderung gewesen sein - das kann ich mir gut vorstellen.

Viele Grüße
Kater
Thüringer
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Re: Via Turonesis

Beitrag von Thüringer »

Kater hat geschrieben: 8. Dez 2019, 15:30 Insbesondere für Fußpilger wie dich, muss es schon eine Herausforderung gewesen sein - das kann ich mir gut vorstellen.
Hallo Kater
Das ist auch so, nach dem zuvor gewanderten Strecken ….an der Loiare entlang und den Städten und Landschaften von Paris nach Bordeaux. Mit den
historischen Hintergrund und den Sehenswürdigkeiten. Leider war ich bei der Jungfrau von Orleans zu spät dran :-)
Das Kontrastprogramm war dann der Weg nach Dax.

Wünsche dir dieses Jahr einen schönen Camino...
Grüßle aus den Schwabenland
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