Ruta de la Lana

Weitere Pilgerwege auf der iberischen Halbinsel
Benutzeravatar
Pilger Franz
Beiträge: 742
Registriert: 13. Okt 2019, 15:59
Wohnort: Freiburg i. Br.
Kontaktdaten:

Re: Ruta de la Lana

Beitrag von Pilger Franz »

11. Tag: Sonntag 19. Mai 2019, (Sigüenza –) Pelegrina – Aragosa, 12 km

Ich habe mich für „Taxi nach Pelegrina“ entschieden! Nach einer doch ungestörten Nacht gehe ich schon früh raus, frühstücke im Café gegenüber: ensaimada und CcL. Dann laufe ich zur Kathedrale hinauf, das Taxi kommt pünktlich um 9h. Sonne, kühl, herrliche Fahrt auf der Straße, die ich um unteren Teil schon kenne, auch oben, wo die Ruta kreuzt. Aus dem fahrenden Auto sieht das alles so leicht aus!! Was bin ich froh, dass ich mir den Weg nicht zu Fuß angetan habe!! Den Fahrpreis 15€ war es allemal wert.

Beim Aussteigen in Pelegrina scheint die Sonne, ein leichter Wind geht. Am Berghang gegenüber laufe ich mit den Augen den Pfad nach, den ich im Vorjahr mühsam raufgekraxelt bin. Um ½ 10h bin ich auf dem Fahrweg am rechten Ufer des Rio Dulce. Bei einer Sitzpause an der Ruine eines Bauernhofs schreibe ich, betrachte das Bergpanorama rundum und die erste Felswand, die in der Ferne sichtbar ist, und bewundere die Schönwetterwolken.
Bild Bild Bild Bild

Lange Zeit laufe ich am Flüsschen, das nahebei vor sich hin plätschert und manchmal glitzert, und begegne keinem anderen Menschen. Erst an der Brücke kurz vor La Cabrera tauchen zwei Radler auf. Kaffeepause im (edlen) El Balcón. Danach strömen mir Wanderer gruppenweise entgegen - ist ja Sonntag = viele Menschen haben frei -, die meisten recht warm angezogen. Kurz vor Aragosa fallen ein paar dicke Regentropfen aus tiefdunklen Wolken. Jause am Spielplatz am rauschenden Fluss in Aragosa um ½ 2h, ich bin zu früh für die Casa rural. Dann freundlicher Empfang auf Englisch. Der Hausherr, so stellt sich heraus, ist Engländer. Seine Frau, die Hausherrin und Chefin, ist Spanierin und spricht sehr gut Englisch. Ich nenne sie bei mir La Señora. Sie ist sehr offen und Pilgern zugetan, kümmert sich gleich um alles. Schöne Wohnung mit Küchenzeile. Längerer Schwatz.
Hinweis: Das Appartement kostete ca. 30€ direkt (Telefon) und ca. 75€ über booking.

Ich lege mich „nur kurz mal“ auf das Sofa und wache nach einer Stunde Tiefschlaf wieder auf. Sorge: Was geht da mit mir?
- Ich vermeide möglichst jeden längeren Anstieg.
- Ich pausiere stündlich, teilweise recht lange. Ich brauche das.
- Ich bin nach einer Pause erstmal kaputt, abends sowieso.
- Ich bin schon nach 12 km froh anzukommen.
Sind es die Temperaturen, ist es das Rauchen (hüstel), der Wein (schluck), das Alter (ne, nich?)!? Der Vergleich mit „früher“, als ich all das viel besser gepackt habe? Das Ziehen des Wagens anstelle des Tragens eines Rucksacks?
Meine Lösung: Der fehlende Rucksack auf dem Rücken und der leichtlaufende Wagen verführen zum „Rennen“. Stimmt! Ich gehe künftig langsamer.

Abends nochmals Schwatz mit La Señora und ein Abendessen, für mich als Pilger ohne Berechnung. Dann frage ich La Señora, wie ich wohl nach Mirabuena gelangen könnte, um die Höhenmeter zu umgehen. Ob es da einen Bus o. ä. gibt? Da strahlt sie mich an und erklärt, dass sie selbst mich fahren wird. Na sowas?! Eine weitere Pilgerin, eine Schweizerin, ist über Nacht hier, wünscht aber keine Bekanntschaft. OK.

La Señora führt mich am Abend nochmals raus, das tolle Abendpanorama auf den Felswänden gegenüber zu bestaunen. Ich kann ihre Begeisterung gut verstehen.
Bild Bild Bild Bild

Für Cifuentes hat sie mir ein Zimmer im Hostal San Roque besorgt. Wegen einer Überholung/Inspektion im AKW von Trillo seien weit um Trillo herum alle Unterkünfte durch das Servicepersonal ausgebucht. Glück gehabt! Überhaupt habe ich für die nächsten drei bis vier Tage schon vorgeplant: Cifuentes – Trillo - Salméron – Albendea. Guter Plan für la tranquillidad.

Abends meditiere ich noch über die Vorhaben, die ich in der nächsten Zeit weiterbetreiben werde. Sowas macht mir Spaß.
Zuletzt geändert von Pilger Franz am 18. Feb 2021, 19:09, insgesamt 3-mal geändert.
BC
Franz
Benutzeravatar
Pilger Franz
Beiträge: 742
Registriert: 13. Okt 2019, 15:59
Wohnort: Freiburg i. Br.
Kontaktdaten:

Re: Ruta de la Lana

Beitrag von Pilger Franz »

13. Tag: Dienstag 21. Mai 2019, Cifuentes – Trillo, 13 km

Morgens, von 7 bis 8h, poltern die anderen Gäste zur Arbeit. Ich muss nicht zur Arbeit, überdöse das und stehe um 8h auf. Morgenlauf bei herrlichem Wetter bis zur Tankstelle an der Straße, dann Frühstück in der fast leeren Bar, serviert von einer jungen Bedienung, die sich zwar auf die (vermutlich) machoiden Späße der anderen Gästen einlässt, aber auf ihre Art beherzt mitscherzt. Ich lasse mir Zeit, telefoniere mit Trillo wg der Herberge. Um 10h gehe ich los, zunächst die N204 entlang in Richtung Trillo.

Angenehmer Feldweg nach Gargoles de Arriba, kurze Rast an der Kirche. Bienen summen in den blühenden Akazien. Alles riecht gut. Happiness. Bin eben ein Glückspilz, kommt mir da in den Sinn. Stimmt.
Weiter nach Gargoles de Abajo. Mittagsrast am Lavandero, dem Waschplatz unten am Fluss. Gleich danach bietet mir ein Weinbauer einen Schluck Wein aus dem Spitzglas (wird ohne Kontakt mit den Lippen benutzt) an. Lecker! (Hätte ich doch nur gleich eine Flasche davon mitgenommen!). Es wird wärmer, gar schwül. Dicke Wolken verdecken die Sonne. Endlich Trillo und das ayuntamiento. Freundlicher Empfang, ein Mitarbeiter geleitet mich zur Herberge an der Stierkampf-Arena. Sie wird gerade aufgebaut für das nächste Event, ein Stadtfest.

Super, diese Herberge! Sie hat leider keine Kochmöglichkeit, ist aber sauber und großzügig. Geduscht und gewaschen. Endlich habe ich eine Gelegenheit, meinen Saughaken praktisch anzuwenden. CcL + Eis + O‘Saft in der Bar an den Kaskaden. Das Taxi für morgen bestellt, für 9h an der Brücke.

Spaziergang durch den Ort, über dem rauschenden Rio Tajo (= Tejo in Portugal). Die Geschäfte machen erst um 17h auf. Endlich finde ich eins zum Einkaufen und Scherzen mit den Inhabern. Meine Sprachkompetenz!! Zurück in der Herberge, essen, draußensitzen, schreiben, ein wenig Klarinette spielen, Bier, Kekse. Alles, was ich geschrieben habe, lese ich mir nochmals durch. Dabei wird mir bewusst, wieviel ich auf diesem Rück-Weg doch wiedererkenne (manches auch nicht)! Ich finde mich überall leicht zurecht, fühle mich nicht so fremd wie vor einem Jahr: Telefonieren mit dem Taxidienst, Bestellen und Nachfragen beim Barpersonal, Einkaufen, ein Schwatz mit Einheimischen.

Um 21h sitze ich auf der Bank vor der Herberge, die Sonne ist nochmals rausgekommen, beleuchtet rot den Gegenhang. Der Wind, der die Weidensamen herumgeweht und zu Ballen verdichtet hat, hat sich gelegt. Die Schwalben fliegen hoch. Abendvögel zwitschern. Abendfrieden. Wie ich das genieße!

In einer Woche bin ich wieder zu Hause. Noch fünf Wandertage, dann vielleicht ein Städtetag in Madrid. Nach der aktuellen Berechnung werden es ca. 280 km werden, ich habe noch Luft für einen weiteren Ruhetag…

Der Haustürschlüssel passt nicht. Ich lege zur Sicherheit eine leere Bierdose innen auf die Klinke und probe: Es scheppert ordentlich auf dem Steinboden. Nachts ist dann auch nichts passiert 😊
BC
Franz
Benutzeravatar
Gertrudis
Beiträge: 466
Registriert: 15. Jul 2019, 23:35
Wohnort: Hohenpeißenberg

Re: Ruta de la Lana

Beitrag von Gertrudis »

Schön zu lesen 😄
Aber wie bist Du von Aragosa nach Cifuentes gekommen...🤔
Zeitreise?🤭
Benutzeravatar
Pilger Franz
Beiträge: 742
Registriert: 13. Okt 2019, 15:59
Wohnort: Freiburg i. Br.
Kontaktdaten:

Re: Ruta de la Lana

Beitrag von Pilger Franz »

Hola Gertrudis,
da habe ich mich wohl selbst überholt.
Recht hast du! Ich hole den Tag morgen nach. Ach was, das mach ich lieber gleich.

12. Tag: Montag 20. Mai 2019, (Aragosa –) Mirabuena/Autovia – Cifuentes, 22 km

Mit Blick auf die Felswand gegenüber wache ich auf: Noch ist die Sonne nicht sichtbar, nur der obere Rand der Felsen liegt im Licht. Morgenlauf bis zum unteren Dorfende und zurück: Phantastisch, so früh draußen zu sein! Zurück und Frühstück gemacht. Packen und fertig um 9h. Die Sonne scheint, der Himmel ist fast wolkenlos, während ich auf meine Fahrerin warte.

Wir fahren pünktlich los, und um 1/10h lädt La Señora mich an der Autobahn aus. Freundlicher Abschied. Beim Ausladen sperrt der Pilgerwagen, und ich kriege von der Gepäckabdeckung einen Schlag gegen die Stirn, an der Nasenwurzel, ab. Aua. Erstmal einen Kaffee + Cigare an der Raststätte, dann laufe ich bei herrlichem Wanderwetter los.

Es geht praktisch eben bis leicht bergab. Viele Steine, zu Haufen getürmt, säumen den Weg. Die AVE-Strecke auf dem hohen Damm überquere ich nicht über die hochaufragende Brücke, wie die Ruta-Wegmarkierung vorgibt. Diese Mühe zusätzlicher Höhenmeter erspare ich mir. Ich unterquere sie in der erstnächsten Unterquerungs-Röhre, leider der falschen: Sie ist gerade so hoch, dass ich nur gebückt durchgehen kann. Die für Fußgänger „richtige“ ist ein paar Meter weiter…. Ich erkenne Vieles unterwegs wieder. Steiler Abstieg ins Tal, eine Schafherde und ein Schwatz mit dem Hirten, dann Las Viernes. Mir geht es erstaunlich gut!
Bild
Blick auf das weite Land da unten. Rote Erde und ein Ruta-Wegzeichen

Mittagspause an der Landstraße kurz vor dem Rio Tajuña, der nach Aranjuez nahe Madrid in den Rio Tajo mündet. In Moranchel, dem Dorf mit den bunt bemalen Fassaden "Bäcker" usw., fülle ich an einem öffentlichen Brunnen Wasser nach. Auf der Höhe danach hole ich die Klarinette raus und finde mich rasch wieder in ein paar Tonleitern rein. Es geht also noch!

Neu: Sitzpausen mache ich etwa stündlich, und langsam(er) gehen fühlt sich tatsächlich besser an.

Um ½ 4h bin ich in Cifuentes und genieße am Hauptplatz gleich einen CcL. 22 km in 6 Stunden, dazu das Hostal San Roque gesucht – nicht übel. Um 4h checke ich im Hostal ein. Alles ist gut.

Ausruhen, dann Schwatz mit dem Barmann. Spaziergang zur Kathedrale, noch ein CcL am Hauptplatz, MOODS Cigares gekauft (die Versorgung mit Tabak ähnelt der nach Bargeld - Vorsorgen tut not!), weiter geschlendert rund um das Städtchen zum großen Quellenteich. Einkauf, cerveza con limón - ist für's Laufen am nächsten Tag besser verträglicher als der vino - gut schmecken tun sie beide. Zurück zum Hostal, eine tapa Russischer Salat + zwei Gläschen tinto. Happy. Während ich vor der Tür im Freien sitze, kommen die Männer vom AKW in Trillo nach und nach ins Hostal zurück.

Mein Plan: morgen nach Trillo laufen und in der dortigen Herberge übernachten. Am Tag danach will ich mit dem Taxi nach Peralveche fahren, von dort über die Hochebene nach Salmerón laufen. Ein guter, reizvoller Plan, wie ich finde.
BC
Franz
Benutzeravatar
Pilger Franz
Beiträge: 742
Registriert: 13. Okt 2019, 15:59
Wohnort: Freiburg i. Br.
Kontaktdaten:

Re: Ruta de la Lana

Beitrag von Pilger Franz »

14. Tag: Mittwoch 22. Mai 2019, (Trillo –) Peralveche – Salmerón, 14 km

Bin sehr früh wach, es dämmert gerade. Dann raus um ½ 8h und kleiner Morgenlauf im gleißenden Sonnenlicht. Wolkenloser Himmel, der Tajo rauscht wie gewohnt. Ich teile einem Gemeindemitarbeiter, der am Stierplatz arbeitet, mit, dass der Schlüssel nicht passt, ich also nicht zuschließen kann. Er kümmert sich sogleich. Dann packen und los zur Bar an der Kaskade. Frühstück. An der Brücke wartet schon der Taximann und scheucht mich mit einem Anruf auf’s Handy - zehn Minuten zu früh.

Schöne Fahrt nach Peralveche. Der gute Mann ist (etwas?!) geschwätzig. Er schwatzt mir auf, die Landstraße nach Salmerón zu gehen, das sei doch viel kürzer, und setzt mich am Abzweig zum Dorf ab. Wir rauchen noch eine gemeinsam, dann hasta luego! Ich lasse mir die Wanderung über die Hochebene doch nicht nehmen und laufe die 2 km nach Peralveche, einem ziemlich toten Dorf mit vielen Ferienhäusern und -wohnungen, alle fest verschlossen, natürlich.

Nach dem Dorf geht es auf einem Schotterweg in ein Tal hinunter und drüben wieder hoch, ganz sanft. Milde Luft, klarblauer Himmel. Es wird wärmer, OK, Verschnaufpausen sind immer drin. Dann ziehe ich die vorsorglich angezogene lange Sport-Unterhose aus. Besser so.

Bald bin ich auf der Hochebene, und es geht lange geradeaus auf einer breiten Forststraße. Links und rechts Korkeichen, gemischt mit Kiefern und halbhohen Büschen und Bäumen. Dann stoße ich auf die Ruta, als diese abbiegt.
Bild Bild
Weiter geht es lange geradeaus auf der glatten Forststraße, an den Ruinen der Ermita San Matias vorbei. Bevor ich dort ankomme, habe ich das Gefühl, dass sie hier bald kommen müsste, bin mir aber nicht sicher. Da ist das Hinweisschild, also doch!

Bild Bild
Pause am Weg mit Essen und Klarinette und SMS nach daheim. Man ist als Pilger allein doch nie allein. Schmetterlinge auf dem Weg, einzelne, zu zweit, ganze Grüppchen, schwarzgelbe, hellblaue, graue, fliegen vor mir auf und lassen sich ein Stück weiter voraus wieder nieder. Goldig, so viele!

Dann geht es lange bergab, teils steil und nicht ganz einfach bei den vielen Furchen im getrockneten Matsch, und ständig wird es wärmer. In Salmerón lange ich um ½ 3h an. Das Lädchen hat noch geöffnet, Glück gehabt, und ich kaufe eine Flasche Wein sowie Aprikosen. CcL an der Bar hinter der Herberge, dann hole ich den Schlüssel in der Bar El Cazador. Ausruhen, einrichten, meinen Eintrag im Gästebuch nachgeschlagen: Ich war am 23. Mai 2018 hier. Da kommt David, ein Engländer, herzu. Er hat auch einen Schlüssel, macht einen etwas schlecht organisierten Eindruck. Kurzer Plausch, dann verziehe ich mich in den Bar-Garten.

Den Abend verbringe ich mit der Flasche Wein auf einer Bank gegenüber der Kirche. Abendstille und -frieden. Schwalben zwitschern um mich herum. Schreiben, Eckstein-Rätsel. Wieder in der Herberge telefoniere ich mit der Casa Gabriela in Albendea. Um 21h kommt David heim. Er stammt aus Coventry. Wir plauschen auf Englisch. Er taut auf und erzählt von seinen Weltreisen. Er ist zwar schon einige Monate in Spanien gepilgert, kennt aber nur wenig Spanisch. Für die üblichen Pilgerhinweise zu den nächsten Etappen, durch die ich ja gerade gepilgert bin, ist er nicht zu haben. Auch sorgt er mit Essensvorrat usw. wenig bis gar nicht vor. Wie schon gesagt: Er ist schlecht organisiert. Ich überlasse ihm ein paar Aprikosen für unterwegs. Dabei machen wir gemeinsam den Wein alle. Schluss um 22h. (Wieder daheim, entdecke ich auf einem Pilgerforum in englischer Sprache, dass er dort täglich bloggt – sehr ausführlich. Ich tauche als the German guy auf – immerhin.)
Zuletzt geändert von Pilger Franz am 27. Dez 2022, 16:57, insgesamt 4-mal geändert.
BC
Franz
Benutzeravatar
Pilger Franz
Beiträge: 742
Registriert: 13. Okt 2019, 15:59
Wohnort: Freiburg i. Br.
Kontaktdaten:

Re: Ruta de la Lana

Beitrag von Pilger Franz »

15. Tag: Donnerstag 23. Mai 2019, Salmerón – Albendea, 12 km

David ist schon früh auf und vor 7h weg. Buen camino! Ich lasse mir Zeit, gehe eine kurze Runde laufen, mache mir einen Mikrowellen-Tee und esse die Reste an Brot und Marmelade sowie Aprikosen auf. Ganz in Ruhe. Als die Putzfrau kommt (Hej, die öffentliche Herberge wird geputzt! Das machen doch sonst die durchziehenden Pilger?!), mache ich mich fertig und gehe früher als geplant los.

Langer, gemächlicher, wenig steiler Aufstieg auf dem Sand-/Schotterweg. In Valdeolivas ist es um die beiden Bars herum irgendwie ungemütlich. Etliche ältere Frauen mit zwei Kleinkindern machen viel Zirkus. Zudem ist es wärmer als an den vorigen Tagen, obwohl der Himmel fast ganz bewölkt ist. Ich möchte Brot in der panaderia am Hauptplatz kaufen. Die dicke Bäckersfrau hat nichts vorrätig und schickt mich zum andern Laden. Das war vor einem Jahr schon so – merkwürdig. Ändert sich hier gar nichts?! Nach einigem Fragen finde ich dann die tienda und kann etwas einkaufen.

Ich verlasse den Ort, nachdem ich die sehenswerte Kirche besucht habe, auf der Straße, die steil abwärts führt. Kleiner Schwatz mit einer spanischen Familie. Dann verlasse ich die Landstraße, biege auf einen Sandweg nach rechts ab, bis ich merke, dass ich mich geirrt habe. Egal, der Weg ist gut zu gehen und so gehe ich einfach weiter, ich habe ja Zeit. Pause unter einer Kiefer, um mich herum Bauschutt, da ist man in Spanien ziemlich schmerzfrei, dann weiter auf dem Weg mit der Aussicht, den eigentlich angepeilten Weg lt. KOMOOT-Vorschlag wieder anzutreffen. Ein Stück des Weges verläuft durch ein Kornfeld mit Fahrspuren. Da hat also der Landwirt den Weg „eingepflügt“. Ich komme aber gut durch. Es geht immer weiter runter, auch der Weg, den KOMOOT vorschlägt, zieht sich diesseits einer Schlucht immer weiter um Albendea herum. Das Dorf kann ich allezeit sehen. Schließlich ist der tiefste Punkt der Schlucht erreicht, und es geht auf einer Teerstraße steil aufwärts. Eine Schafherde grast am Hang. Die Sonne brennt jetzt, der Sonnenschirm hilft.
Fazit: Dieser Außenherum-Weg taugt nichts, man geht von Valdeolivas her besser die Landstraße entlang.

Oben im Dorf angekommen suche ich eine Weile. Es ist doch größer als gedacht und auch viel besser erhalten/gepflegter als viele andere Dörfer auf dem Weg. Ich frage mich dann zur panaderia durch. Die Bar hat noch auf für einen CcL. Dann und Anmeldung in der Casa rural Gabriel gegenüber. Die ganze große Familie ist versammelt: beide Großeltern, ein Onkel, ein kleinwüchsiger junger Mann, der Sohn und die junge Frau mit zwei goldigen Zwillingen. Alle kümmern sich lebhaft um die beiden Kleinen.

Ausruhen, die nächsten Tage planen. Da ich keine Lust auf nochmals Pepe Villaconejos habe, werde ich morgen, Freitag, nach Priego laufen, ca. 15 km, die Landstraße runter, über die Brücke, und mit Anstiegen. Dort werde ich mir die weiteren Etappen überlegen, ggf. mit Taxinutzung. Da ich auch nicht in Villar de Domingo übernachten möchte, werden die Etappen u. U. länger. Ziel ist der Bahnhof von Chillarón de Cuenca am Sonntagabend oder Montagmittag. Von dort kann ich nach Cuenca bzw. Madrid fahren.

Dem Trubel auf dem Platz vor der Casa entgehe ich mit einem Spaziergang durch das Dorf zur Kirche. Hier ist es luftig, ein Wind geht, und angenehm kühl. Ich sitze auf den Stufen des Kirchenportals und genieße die Ruhe. Schreiben, nachdenken - gut, dass der Akku des Smartphones leer ist. Da ist die übliche Spielerei mit KOMOOT nicht möglich. Blauer Abendhimmel über dem Dorf, am Horizont ein Kranz von Schönwetterwolken, Vögel tschilpen. Ich gehe noch zum Rand der Schlucht – schöner Ausblick.

Ich sitze nun wieder neben der Bar und schaue sieben Kindern zu, die da spielen – soweit sie von den begleitenden Erwachsenen nicht daran gehindert werden. (Es gäbe noch zwei weitere Kinder im Dorf, erzählt mir die Nachbarin.) Hoffnung also für ein Dorf, in dem die Alten wie anderswo auch sichtbar sind?! Dépopulación?! Hier eher nicht. Die Schwalben zwitschern und schwirren geschäftig. Abend, 21h, Kinder spielen immer noch, Katzen streifen herum. Vino tinto + aperitivos. Ich habe einen sitzen, schön!

Der Camino rückwärts hat etwas Magisches. Vorwärts hält man sich dicht dran, weil alles neu ist. Rückwärts kennt man sich schon besser aus und traut sich zu variieren. So do I.
Zuletzt geändert von Pilger Franz am 27. Dez 2022, 17:02, insgesamt 1-mal geändert.
BC
Franz
Benutzeravatar
Pilger Franz
Beiträge: 742
Registriert: 13. Okt 2019, 15:59
Wohnort: Freiburg i. Br.
Kontaktdaten:

Re: Ruta de la Lana

Beitrag von Pilger Franz »

16. Tag: Freitag 24. Mai 2019, Albendea – Priego, 15 km

Frühstück beim Bäcker mit frischen madelenas und Gespräch: Seine Frau und er haben mich vom Vorjahr wiedererkannt, auch die Wirts-Oma sagte das. Freu. Ich kaufe gleich einen ganzen Beutel madelenas für unterwegs.
Um 9h sitze ich an der Straße nach Priego, mache schön langsam, lese und schreibe noch. Bedeckter Himmel, kräftiger Wind aus NO, der mich angenehm anschieben wird. Ich laufe auf der Straße bzw. auf einem Kiesweg daneben. Ein Rubiocar-Schulbus begegnet mir, der Fahrer hupt und grüßt. Freundliche Menschen überall.
Bild
Pause an der großen Kurve mit den Warnzeichen (und einem Pilger), nahe der Casa Rural Peñarrubia del Guadiela. Hier geht es abwärts zur Brücke über den Rio Guadiela. Ein Reh windet sich durch den Drahtzaun und kreuzt die Straße in großen Sprüngen. Dies ist das erste Reh seit Burgos, das ich sehe. Die Wolkenlöcher werden größer, die Sonne kommt heraus. Der Wind rauscht scharf in den Nadelbäumen. Lange geht es abwärts, Motorradfahrer fahren vorbei, mein sehnsüchtiger Blick begleitet sie :shock: , dann passiere ich die Brücke mit Ausblicken flussauf- und -abwärts. Nicht weit von hier kreuzt die Ruta den Fluss an einer Furt - wenn der Wasserstand es zulässt.

Ein ganzes Stück laufe ich auf der Landstraße bis zum Rio Escabas. Hier biege ich ab auf die andere Seite. Schöner breiter Wiesenweg, am Flüsschen entlang, nach Süden. Ich genieße die ständig wechselnden schönen Ausblicke. Endlich geht es dann nach Osten, über den Rio Trabaque. Vor der großen Brücke biege ich ab, Richtung Priego, auf einen Wald-/Wiesenweg, der neben dem Rio Escabas verläuft. Mittagspause. Auf einer hohen Holzbrücke, die an zwei Stellen Lücken hat (!! meine Höhenangst), überquere ich !!mutig den Escabas und biege gleich danach falsch ab. Ich lande in einem Kornfeldacker und kämpfe mich durch, hoch zur Autostraße. Bin ziemlich erschöpft – aber ich habe es geschafft! Der andere, "richtige", Weg wäre viel einfacher gewesen...

Bild Sitzpause am Stadtrand, hoch über dem Cañon des Rio Escabas. Tolle Aussicht auf die Felsen und das mittelalterliche Städtchen (ca. 1000 EW). Priego scheint in der Gegend als ein Zentrum zu fungieren. Viele Buslinien starten bzw. enden in Priego.
Einchecken im Hotel, kurz ausruhen und wieder los zum Hauptplatz. CcL ("Ach, wie war es doch vordem ohn' Corona so bequem, man setzt' sich hin und legte sich... oder ließ sich bedienen an einem Caféhaustischchen vor der Tür"), Tagebuch schreiben, Etappenplanung und suchen nach weiteren Unterkünften. Dann einkaufen, Spaziergang auf die Höhe über der Stadt. Abends TV. Mich treibt die Suche nach Unterkünften in Torralba und Umgebung noch eine ganze Weile um. Heia um 21h.
Mangels Wifi (habe vergessen, danach zu fragen) schmilzt mein Handy-Guthaben rapide. Mist.

Aktuell: Für mich ist die tägliche Bearbeitung meines Tagebuchs für dieses Forum Eintauchen in die Erlebnisse damals und damit ein Stündchen Pilgern im lockdown. Falls das jemand wissen wollte.
Zuletzt geändert von Pilger Franz am 27. Dez 2022, 17:06, insgesamt 3-mal geändert.
BC
Franz
Monika2010
Beiträge: 157
Registriert: 13. Aug 2019, 18:13
Wohnort: Salzburg

Re: Ruta de la Lana

Beitrag von Monika2010 »

Hallo Franz,

jetzt im Lockdown ist das "Mitpilgern" mit Dir wunderbar informativ und unterhaltsam.
Danke für`s mitnehmen.

Herzlichen Gruß von Monika2010.
Benutzeravatar
Pilger Franz
Beiträge: 742
Registriert: 13. Okt 2019, 15:59
Wohnort: Freiburg i. Br.
Kontaktdaten:

Re: Ruta de la Lana

Beitrag von Pilger Franz »

Monika2010 hat geschrieben: 12. Feb 2021, 12:20 Hallo Franz,
jetzt im Lockdown ist das "Mitpilgern" mit Dir wunderbar informativ und unterhaltsam.
Danke für`s mitnehmen.
Herzlichen Gruß von Monika2010.
:) Danke und weiterhin viel Vergnügen!
BC
Franz
Benutzeravatar
Pilger Franz
Beiträge: 742
Registriert: 13. Okt 2019, 15:59
Wohnort: Freiburg i. Br.
Kontaktdaten:

Re: Ruta de la Lana

Beitrag von Pilger Franz »

17. Tag: Samstag 25. Mai 2019, Priego – Torralba, 22 km

Da ich schon sehr früh wach bin, entschließe ich mich spontan, früh aufzubrechen. Um 7h bin ich draußen, finde eine Bar und nehme Kaffee + O’Saft. Dann laufe ich blöderweise der Umweg-Variante von KOMOOT nach, die über den Berg nach Villaconejos führt. Das wollte ich eigentlich umgehen. So überquere ich den Rio Ecobas viel weiter oben als geplant auf einer mittelalterlich wirkenden kleinen Brücke. Weiter geht es nach rechts ab auf einen Wanderpfad, der sich hoch über den Fluss hinaufschwingt. Romantisch und anstrengend – Abenteuer eben. Bild
Auf den Weg von gestern treffe ich unterhalb der Holzbrücke. Da hat mich mein Unterbewusstsein offensichtlich vor der lückenhaften Brücke bewahrt. Schön war es doch, ich rechne mal einen km zusätzlich.

Ich folge dem schon bekannten Weg bis zur Landstraße an der großen Brücke und dieser weiter bis Villaconejos. Es geht immer am Rio Trabaque entlang, viel Grün, vor allem die Weiden am Flusslauf, mit einem Blick auf die lieblichen amapolas! Bild
Um ½ 10h bin ich, an der Ermita de la Inmaculada mit der Herberge vorbei, in Villaconejos. Hier kriege ich tatsächlich MOODS! und einen CcL. Da ich ganz nah an der Landstraße nach Albalate bin, die ich im vorigen Jahr im krachenden Regen gelaufen bin, spare ich mir den Umweg über die Ermita zum Weg am anderen Ufer des Flusses. Also weiter Landstraße, diesmal bei schönerem Wetter. Es wird immer wärmer, der kühle NO-Wind ist angenehm im Rücken zu spüren - und er schiebt!

An der Brücke vor Albalate biege ich nach rechts auf den Feldweg ab. Da brauche ich gar nicht lange zu überlegen, so bekannt ist mir der Weg noch vom letzten Jahr. Lange geht es den Wirtschaftsweg entlang, praktisch eben und ohne Anstiege. Um 14h erreiche ich Torralba – 22 km in sieben Stunden! Zuerst suche ich die Bar Mari Carmen auf und erhole mich bei CcL + einem Eis. Ich fühle mich fit, evtl. noch 7 km bis Villar de Domingo Garcia (Unterkunft brrrh) weiterzulaufen, falls ich hier keine Übernachtungsmöglichkeit finde. Auf meine Frage nach einer Unterkunft kriege ich in der Bar den Hinweis auf die Bar Goyo und auf Luis, den Inhaber. Luis, ein älterer, sehr freundlicher und zugewandter Mann, empfängt mich. Er ist Ansprechpartner und Vermittler für alle Möglichkeiten (Einkaufen!) im Ort. Er hat tatsächlich was für mich! Er begleitet mich zur derzeitigen Pilgerunterkunft am Ortsrand, einem Altenheim, edel, aber staubig, weil ungenutzt. Alles ist „barrierefrei“. Komische Anlage das Altenheim hier, 2003 erbaut und seit Längerem nicht mehr benutzt. So könnte es irgendwann auch für mich das Richtige sein 😉, aber erst viel später, hoffentlich. (Hier möchte ich aber auf gar keinen Fall einziehen: am Ortsrand vom center of absolutely nowhere, liebloser geht es nicht. Hier möchten sogar pensionistas nicht sein.)

Das Zimmer hat zwei einzelne Betten mit Decken, ist hell und großzügig, mit altengerechtem Badezimmer. Ich bin sehr zufrieden (für eine Nacht)! Es gibt viele Fliegen, die beharrlich um die Lampen kreisen, mich aber in Ruhe lassen. Ich setze mich mit Tisch und Stuhl auf die Terrasse. Beim Sitzen im Wind wird es allmählich kühl. So mache ich mich zu einem Spaziergang durch das Dorf auf. Ein Radler nehme ich bei Mari Carmen, gehe dann zu Goyo, nehme noch eins und eine Pizza zum Abendessen. In der Bar ist gut was los, Luis ist dennoch sehr aufmerksam und zugewandt. Mit einer extra Dose Bier gehe ich heim, spiele noch ein wenig Klarinette und setze mich dann der Abendsonne aus. Hier fliegen die Weidensamen massenhaft, im Abendlicht gut sichtbar. Nebenan blöken Schafe im Stall.

Mein Pilgerplan für morgen: Ich gehe ungefähr bis Tondos und nehme dann ein Taxi nach Chillarón de Cuenca.
Freude: Die Beine fühlen sich total fit an! Die 22 km heute habe ich prima bewältigt!
Fußball: Der FC Bayern schlägt Leipzig und ist Cup-Sieger. Was ich gar nicht mitbekommen habe: Der FCB ist seit letztem Wochenende auch Deutscher Meister.
Frühstück: morgen bei Luis. Dann übergebe ich auch meinen donativo.
BC
Franz
Benutzeravatar
Pilger Franz
Beiträge: 742
Registriert: 13. Okt 2019, 15:59
Wohnort: Freiburg i. Br.
Kontaktdaten:

Re: Ruta de la Lana

Beitrag von Pilger Franz »

18. Tag: Sonntag, 26. Mai 2019, Torralba – Chillarón de Cuenca (– Cuenca), 28 km

In der Nacht bin ich ein paarmal aufgewacht. Da habe ich die sehr hell leuchtenden Sterne durch die großen Fenster bewundert. Frühstück bei Luis, Stempel und donativo. Freundlicher Abschied, rundum blauer Morgenhimmel, kühler Nordwind. Gutes Laufen auf dem Kiesweg mit Rückenwind. Schöne Wege, auf und ab.

Dann geht es durch Villalbilla, das verfallende Dorf, gespenstisch.
Bild https://lospueblosdeshabitados.blogspot ... uenca.html berichtet: "Die Dorfbewohner haben Anfang des 20. Jahrhunderts ihr Häuser und Felder an eine Großgrundbesitzerin verkauft. Zunehmender Wassermangel sowie zunehmende Mechanisierung in der Landwirtschaft vertrieben schließlich die Dorfbewohner aus ihrem Dorf. Seither ist es dem Verfall preisgegeben." Es erinnert mich an Ruesta https://es.wikipedia.org/wiki/Ruesta, das aufgegeben wurde, weil der wachsende Yesa-Stausee ihnen die Ackerflächen weggenommen hat. All das gibt Zeugnis, wie man in Spanien mit der Landbevölkerung umgeht, privat wie politisch.

Der Feldweg führt über rotbraunes Land und erreicht schließlich die Autostraße. Nach etwa 3 km auf der Autostraße (mit breiten Seitenstreifen und leicht abwärts führend) erreiche ich Noheda. Ich erkenne das Kirchlein mit dem Wasserhahn und den Rastbänken wieder. Auch der schwerhörige Mann kommt vorbei. Schwatz, aber er erinnert sich offenbar nicht an mich.

Pause + Essen + Entscheidung, noch 3-4 km bis Tondos zu laufen. Es geht mir prima. Langer Anstieg bis auf die Höhe mit dem Wegzeichen der Jakobsfreunde.Bild
Dann genau so langer Abstieg. In Tondos erkenne ich die Parkanlage wieder, die man durchqueren kann, um ein Stück abzukürzen. Hier ist nichts los, also gehe ich nach kurzer Rast auf der Landstraße weiter. Angenehm, dass es lange abwärts geht, das macht das Laufen leichter.

In Arcos de la Cantera Pause am Spielplatz. Von den Kommunalwahlen ist noch ein Transparent übrig. Bild
Ich lese ATOV und rätsle, was das wohl heißen soll. Dann muss ich lachen, weil es seitenverkehrt VOTA Wähle! heißt. Wunderbarer Abendhimmel, ich habe den Sonnenschirm herausgeholt, so warm ist die Sonne. Schließlich bin ich in Chillarón de Cuenca und gönne mir ein großes Radler. Der Wirt telefoniert für mich nach einem Taxi, dann nehme ich noch ein großes Radler für die Wartezeit. Richtig kaputt bin ich nach 28 km aber nicht!

Rasante Taxifahrt über Nohales zur Herberge in Cuenca. An der Herberge steht schon ein anderer peregrino, ein Spanier, der hier starten will. Schwatz, bis Luis, der hospitalero, kommt. Wieder Schwatz (tut gut nach so viel Einsamkeit). Ich gehe dann noch ins Zentrum für ein weiteres Radler. Viel Trubel dort, ist ja Sonntagabend.

22h. Ich sitze vor der Herberge, der rege Autoverkehr hat nachgelassen, über mir tiefblauer Abendhimmel ohne eine einzige Wolke. Morgen will ich den Zug um 10:43 vom Stadtbahnhof nehmen und nach Madrid fahren. Da habe ich genug Zeit zum Frühstücken und Einkaufen.

Das ist ein gelungener Abschluss für die zurückliegenden drei Wochen: Füße und Beine sind OK, Kopf und Seele auch. Der Pilger spürt tiefe Dankbarkeit.
Zuletzt geändert von Pilger Franz am 17. Feb 2021, 09:05, insgesamt 2-mal geändert.
BC
Franz
Benutzeravatar
Pilger Franz
Beiträge: 742
Registriert: 13. Okt 2019, 15:59
Wohnort: Freiburg i. Br.
Kontaktdaten:

Re: Ruta de la Lana

Beitrag von Pilger Franz »

Montag, 27. Mai 2019, Cuenca – Madrid

Morgens bin ich schon früh raus - Heim-Reisefieber?!, etwas herumgelaufen, aber keine geöffnete Bar in der Nähe gefunden. Der Pilger, der gleich in Richtung Norden aufbrechen will, zeigt mir die Bar nach der Brücke. Als ich dann dort sitze, kommt er auch. Er schwärmt vom Camino Primitivo, der von Oviedo nach SdeC geht, aber viele steile Anstiege und schmale Wege hat – leider nix für mich mit dem Wagen! Er verabschiedet sich und geht los. Ich beende meinen Weg und er startet. Buen camino!

Die Idee, im Herbst von hier weiter nach Süden zu laufen, wird immer konkreter. Neben der Bar gibt es MOODS :-) und eins weiter eine Kirche. Ich setze mich kurz hinein und danke für alles Schöne auf dieser Pilgerreise.

Als ich mit der ersten MOODS gemütlich paffend vor der Herberge sitze, kommt Luis kurz vorbei. Er arbeitet als Bibliothekar in der Uni nebenan. Luis wird immer wieder, auch in anderen Foren, als sehr angenehmer hospitalero gelobt. Zu Recht, finde ich auch. Ins Gästebuch schreibe ich mich ein und schaue das Meldebuch nach - auch dies eine Form von Radio Camino. Von den ca. zehn Pilgern, die in den letzten zwei Wochen hier waren, habe ich nur die Schweizerin Mary in Aragosa „getroffen“, sonst niemanden, und David war offensichtlich nicht über Nacht hier. Ja, wo bleiben sie denn?! Ich hätte sie doch unterwegs treffen müssen?!

Dienstag 28. Mai 2019, Madrid – Freiburg

Ich war – wie ich mir das auch vorgestellt hatte – einen ganzen Tag in Madrid. Alles hat gut geklappt, nie war ich in Zeitdruck. Auch der Rückflug und die restliche Strecke bis nach Freiburg verliefen entspannt.

Schön war’s wieder!
Zuletzt geändert von Pilger Franz am 17. Feb 2021, 09:04, insgesamt 2-mal geändert.
BC
Franz
Benutzeravatar
Pilger Franz
Beiträge: 742
Registriert: 13. Okt 2019, 15:59
Wohnort: Freiburg i. Br.
Kontaktdaten:

Re: Ruta de la Lana

Beitrag von Pilger Franz »

Dreieinhalb Monate später...

Dienstag, 17. Sept. 2019, Anreise: Freiburg – Madrid – Cuenca

Der Flug nach Madrid und der Übergang vom Flughafen zum Bahnhof Atocha sind gut gelungen. Am Eingang zum Bahnsteig findet eine Kontrolle mit Durchleuchtung statt, wie am Flughafen. Oha, das Klappmesser, das ich aus dem Gepäck wieder in die Hosentasche gesteckt habe! Es wird geprüft, ist dann aber OK. Komische Kontrolle, am Flieger wäre es futsch gewesen.

Im Zug gibt es Abendessen am Platz. Aha, daher der erhöhte Fahrpreis. Sehr angenehm. Derweil wird der Himmel draußen immer diesiger und dunkler, die Sonne ist weg. Links voraus (Norden?) sieht es ganz bedrohlich dunkel aus, rechts (Osten?) nicht. Dann regnet es unterwegs, in Cuenca ist alles nass. Ich steuere gleich auf die Taxis zu und bekomme, ohne Taxameter, eine „Stadtrundfahrt“. Anstelle der direkten Anfahrt geht es nach meiner stückweise vorhandenen Ortskenntnis einmal um die Stadt herum. Unterwegs blitzt es mehrmals gewaltig. Die Albergue, zu der mich der Taxifahrer bringt, ist zwar nicht die richtige, doch ein Stück weiter – hélas! - erkenne ich die mir bekannte an der Unibibliothek. Telefonat, Luis kommt gleich, freudiges Wiedersehen. Ich bin allein hier, alles ist gut. Hoffentlich wird das Wetter morgen besser!

Zum Klima: Ich erwarte, dass es von der Höhenlage von Cuenca (946 müM lt. Wikipedia) kontinuierlich abwärts geht bis Almansa 712 müM und dann Valencia 0 müM. Die Temperaturen werden vermutlich im gleichen Maße ansteigen.

19. Tag: Mittwoch, 18. Sept., Cuenca – Fuentes, 24 km

Am Morgen: Das Gewitter ist weg, blauer Himmel, kühl. Frühstück in einer Bar hinter dem nächsten Einkaufsmarkt. Packen und Einkauf und los um 9:15h zum alten Hospital (wo mich der Taxifahrer abladen wollte). Bild
Dann gehe ich abwärts zum Fluss, zuerst über einen betonierten Weg, dann holper-di-polter über Treppen zur Straße am Hueces-Ufer.
Nach der Parkanlage entlang dem Flüsschen treffe ich auf die erste Camino-Markierung, einen Pfosten mit einem Schuh obendrauf. Witzig.
Bild
Weiter geht es, entlang dem Hueces, steil aufwärts bis zum Paläontologischen Museum. Am Rondell verliere ich den Hut, der am Wagen hinter mir klemmte. Ein Anwohner, der das von seinem Balkon aus beobachtet, „pfeift mich zurück“ – danke! Weitläufiges Wohngebiet. Oberhalb des Wohngebiets mache ich Pause für ein zweites Frühstück. Warm ist es geworden. Dann verliert sich die Markierung. Ich suche im regenmatschigen Gelände herum und folge schließlich dem Vorschlag von KOMOOT, runter zur Nationalstraße zu gehen. Nach ca. 2 km biege ich wegen dem regen Verkehr auf einen Seitenweg ab, viel Müll liegt da. Da sind "die" Spanier ziemlich schmerzfrei. Was da alles in der freien Natur herumliegt... von Bauschutt über Matratzen bis zu ganzen Sofas. An Stellen, zu denen man mit dem Auto nicht gut hinkommt, findet sich Müll sehr selten. Dabei gibt es öffentliche Sperrmüllsammelstellen durchaus. Muss wohl mit dem Hang zum Risikokitzel im Alltag zu tun haben, evtl. erwischt zu werden. Nur Toreros dürfen ihn bei Fiestas öffentlich ausleben. Was der Pilger so für sich räsoniert...

Feuchter Boden, überall hier hat es offensichtlich ausgiebig geregnet, der Boden ist schwer. Sonne. Schöner Feldweg, fest und fast trocken, über die Felder, stets in Sichtweite der N, bis Melgosa. Am Gegenhang kann ich die markierte Ruta auf der Landkarte verfolgen. Dort wäre der Boden sicher nass und schwergängig gewesen.

Käffchen in der Bar in Melgosa und weiter auf der N bis Mohorte. An der Wasserzapfstelle in der Calle de Fuente mache ich Pause und entschließe ich mich, nicht weiter auf der N, sondern auf der Ruta abseits über die Höhen zu laufen. Gute Wahl! Das Finden und Verfolgen des Wegs ist nicht immer einfach. Herrliche Landschaft. Einmal, als der Akku bedrohlich zur Neige geht, benutze ich die powerbank. Klasse, wie schnell das Aufladen geht!
Bild
An einer AVE-Brücke merke ich, dass ich eine Weile schon keine Markierungen mehr gesehen habe, also zu weit nach Westen gegangen bin, statt nach Süden. Da kehre ich um und stoße schließlich wieder auf die Ruta. Das Laufen in der Gegenrichtung wird halt von den Markierungen nicht unterstützt. Man übersieht sie leicht, Umwege sind die Folge.

Ein weiteres Ausrüstungsdetail: Wie schon in Portugal habe ich auch jetzt ein Moskitonetz dabei. Es ist so groß bzw. klein, dass es nur Kopf und Hals schützt. Das ist unterwegs sehr angenehm, wenn man durch Fliegen- und Moskitoschwärme läuft, die einen auch noch verfolgen (Radio Moskito: "Muss ein Pilger sein - riecht gut nach Schweiß, da bleiben wir dran!") und sich bevorzugt in die Augen stürzen, oder nachts, wenn einen schon eine einzige Mücke wachhalten kann.

Fuentes ist schon in Sicht. Dort komme ich um 19:30h an, frage mich durch und bekomme in der Casa Palanzares ein schönes Zimmer. Abends nehme ich in der Bar noch zwei Radler zu mir, die reichen als Abendbrot, zu essen brauche ich nichts.
Ein schöner Tag war das, teils anstrengend, und die Steigungen habe ich besser geschafft als zunächst befürchtet!
Zuletzt geändert von Pilger Franz am 27. Feb 2021, 08:24, insgesamt 2-mal geändert.
BC
Franz
Benutzeravatar
Pilger Franz
Beiträge: 742
Registriert: 13. Okt 2019, 15:59
Wohnort: Freiburg i. Br.
Kontaktdaten:

Re: Ruta de la Lana

Beitrag von Pilger Franz »

20. Tag: Donnerstag, 19. Sept. 2019, Fuentes – Monteagudo de Salinas, 25 km

Und wieder wache ich erst um 8h auf. Es wird merklich später hell. Karges Frühstück in der Bar. Für mich wird der kleine Laden geöffnet, Brot und Croissant gekauft. Alles so freundliche Leute hier!

Sonne, blauer Himmel, sanfte Brise. Am Ausgang des Ortes geht es bald von der N weg auf einen breiten Wirtschaftsweg. An einem Abzweig deute ich einen gelben Pfeil auf der Rückseite eines Schildes als Zeichen, dass von dort der Weg herkommt. Der gedruckte Führer besagt das auch. KOMOOT zeigt auf „geradeaus weiter“. Ich ignoriere das und laufe auf eine Eisenbahnbrücke zu, wie es im Führer angegeben ist. Allerdings sehe ich keine einzige weitere Markierung. Sitzpause im Schatten unter der Bahnbrücke, dann geht es lange sanft bergauf. Oben angekommen sehe ich plötzlich gelbe Pfeile, die von der Höhe herab kommen. Hier stößt die KOMOOT-Variante herzu. Ich wäre also in jedem Fall hier gelandet.

Es geht nach rechts den Berg hinauf, der Weg ist vom Regen ausgewaschen und geröllig. Keuch, aber ich halte durch. Oben dann der höchste Punkt der Ruta, 1172 m. Bei einer Pause mit herrlichem Rundblick kommen mir zwei Radler entgegen und grüßen, ohne anzuhalten. Der Fahrweg dürfte für sie kein Grund für genussreiches Fahren sein, so grobsteinig, wie er ist.

Langer Weg geradeaus mit Pausen, unter stacheligen Buschbäumen. Die grobstrukturierte Liegematte bewährt sich wieder einmal, sie lässt Stacheln nicht durch.

An der Finca Navarramiro, mit einem Riesengatter und Abwehr-Schild davor und dahinter, traue ich mich, am Haus nach Wasser zu fragen. Als niemand aufmacht, gehe ich an einen Hahn und fülle die Flasche. Gerettet! Mit meinem Restbestand hätte es wohl nicht mehr bis Monteagudo gereicht. Da kommt die Frau des Hauses heraus und schenkt mir Mineral-Wasser, eine 1,5L-Flasche! Glück gehabt, danke! Nach einem Plausch (auf Spanisch!) mit dem Hausherrn laufe ich weiter, immer nach Süden.

Der Himmel verdunkelt sich, und ich rüste den Wagen für einen Gewitterregen. Außer ein paar Tropfen kommt aber nix. Lange geht es geradeaus, durch schütteren Kieferwald. In Norden und Osten stehen dunkle Wolken, der Sonnenschein wird schwächer. Endlich, an einem Feuerwachtturm vorbei, senkt sich der Weg zu einem langen Abstieg nach Monteagudo.Bild Bild Um 19h lange ich an und frage am Ortsrand gleich nach der Casa Rincón de Sandra. Sie kommt – wie bestellt – selbst herbei und geleitet mich hinauf zur Casa. Sie ist, noch oberhalb der Kirche, fast das letzte Haus im Dorf! Das schaffe ich gerade noch. Sandra zeigt mir alles, von der Terrasse aus gar den weiteren Caminoverlauf. In der sehr schönen Casa bin ich der einzige Gast, auch die Gastgeberin wohnt unten am Dorfeingang. Zur Verpflegung gibt es nichts. Sandra bietet mir an, gemeinsam runter zur Tienda zu gehen, zwecks Einkauf, und mich dann per Auto zurückzubringen. Tut sie dann auch. Sie ist eine ganz Nette.

Weil ich gerne Müsli mit Haferflocken haben möchte, was es aber alles nicht gibt, führe ich In der Tienda eine längere Unterhaltung über das Wort Hafer = avena. Nach dem langen Tag (fast) allein tut Quatschen einfach gut :-) Vielleicht gibt es einen anderen Ersatz für Müsli, leider nein. Wir sind ja nicht daheim im Supermarkt ;-) Da belasse ich es halt bei Bier + Limón + Milch + Joghurt. Zum Glück habe ich noch das Brot aus Fuentes.

Abendessen und Radler auf der Terrasse. Dort fallen ein paar Regentropfen, über den Hügeln nach Norden geht ein Gewitter runter, mit Blitz und Donner. Gruselig schön nur dann, wenn man ein sicheres Dach über dem Kopf hat.
BC
Franz
Benutzeravatar
Pilger Franz
Beiträge: 742
Registriert: 13. Okt 2019, 15:59
Wohnort: Freiburg i. Br.
Kontaktdaten:

Re: Ruta de la Lana

Beitrag von Pilger Franz »

21. Tag: Freitag, 20. Sept. 2019, Monteagudo – Paracuellos de la Vega, 18 km

Bin wie an den vorigen Tagen wieder erst um 8h aufgewacht, habe langsam und gemütlich gemacht. Der Himmel ist grau, das Wetter nach dem Gewitter kühl. Das Frühstück geht alles aus eigenen Beständen. Los um 10:30h. Bild Adios, Monteagudo!

Die Ruta beginnt für mich am unteren Dorfrand, nahe der Tienda. Es ist mild(er) geworden, der Himmel hat aufgelockert. Breiter Weg durch die Unterführung in die Hügel und ein langes Hochtal entlang. Der Fahrweg ist wieder trocken und für den Wagen und für mich prima. Es geht gut voran, wie gewohnt mit Pausen. Um 14h mache ich eine längere Sitz- und Schreibpause. Kräftiger (Gegen-)Wind von Süden, aber angenehm mild. Die Sonne scheint milchig.

Dann geht es einige Kilometer an der Landstraße entlang abwärts. Mein Versuch, die Casa Rural de Ermita telefonisch zu erreichen, bleibt ohne Erfolg. Später erfahre ich, dass sie nur in der Hauptsaison öffnen. So entscheide ich mich für die markierte Ruta, die von der Landstraße weg am Ufer des Arroyo de Paracuellos entlangführt. Schön zu gehen, da eben, immer weiter in den Cañon hinein, das Dorf oben am Rand desselben stets in Sichtweite.
Bild Unterhalb der Burg quere ich den Arroyo und steige den steilen Fahrweg hinauf. KOMOOT hat mir keinen anderen Weg angezeigt, außer den über die Landstraße. An der Burg endet der Fahrweg, danach gibt es nur einen steilen, schmalen Kletterpfad – uff! Das ist nix für den Wagen. Nach einem Fehlversuch löse ich den Rucksack vom Wagen und trage beide einzeln bis zu einem Wegstück, wo er wieder rollen kann. Dies ist das erste Mal, dass ich beide Teile einzeln weitertrage, und es gelingt gut. Der leere Wagen macht fast keine Mühe trotz der happigen Stufen im Fels. Die Erfahrung vom Gjellerasen in Norwegen, als ich beides auf dem Rücken den Berg hochgewuchtet habe, will ich nicht nochmals machen. Oben angelangt bin ich dennoch ziemlich erschöpft, keuch und japs, aber es geht bald weiter. Endlich bin ich oben, wo die Dorfstraße beginnt, und habe es geschafft!

Gleich finde ich am Dorfplatz die tienda und die Bar, beide sind noch geschlossen. Um 17:45h macht die freundliche Kauffrau auf und telefoniert nach ihrem Mann, der die Bar und das Centro Social aufschließt. Er schaltet auch das Warmwasser ein und zeigt mir alles. Es ist der Gemeinde- und Festsaal mit ein paar Tischen und Stühlen und einer großen Turnmatte. Unbenutzt macht er einen eher unfreundlichen Eindruck. Egal. Abschließend gibt es noch einen freundlichen Schwatz mit dem gutgelaunten Mann. Das macht den Unterschied und versöhnt.

Nach dem Einrichten des Bodenlagers auf der Turnmatte, die vermutlich nur für die nächtigenden Pilger angeschafft wurde, vertreibe ich mir die Zeit bis zum Abendessen mit einem ECKSTEIN-Rätsel und einem Radler. Um 20h gehe ich rüber zur Kneipe. Dort ist ordentlich was los, laut ist es, also heimelig, und es gibt ein leckeres Abendessen. Die Reste (reichlich) darf ich mitnehmen. Beim Heimgehen regnet es gar.

Nachts gewittert es zwei Stunden lang gewaltig. Blitze, Donnerkrachen direkt über dem Dorf. Sturzbäche auf der Straße. Ganz beklommen luge ich durch den Türspalt nach draußen. Dann liege ich auf der Matte, habe es zwar warm, aber nicht weich genug. Für eine nächste Unternehmung sollte ich mir eine Luftmatratze anschaffen. Der Wagen würde auch sie gut tragen. Immerhin schlafe ich gut, nur einmal liege ich nachts halbwach und zähle die Glockenschläge des nahen Kirchturms.
BC
Franz
Antworten