Schlafsack & Co.: Ausrüstung als Kleiderspende für Obdachlose

Was der Pilger braucht. Schuhe, Socken, Blasenpflaster...
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Matt Merchant
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Schlafsack & Co.: Ausrüstung als Kleiderspende für Obdachlose

Beitrag von Matt Merchant »

Liebe ForianerInnen,

Ende des vergangenen Jahres habe ich einige Monate als diakonischer Praktikant in der Bahnhofsmission mitgearbeitet; eine intensive und lehrreiche Zeit.
Und dabei lernte ich, dass jene Bahnhofsmissionen, die eine Kleiderkammer unterhalten, praktisch täglich von Obdachlosen nach Rucksäcken, Schlafsäcken, Schuhen und auch warmer Kleidung angefragt werden.

So möchte ich kurz den Gedanken und die Anregung in den digitalen Raum werfen, dass unsere alte, ausrangierte Pilger-Ausrüstung für einen solchen Spendenzwek optimal ist. Gerade in der kalten Jahreszeit...
Vielleicht mag ja der Eine oder die Andere erwägen, vertraute Sachen, die einen viele Kilometer begleitet haben und in den wohlverdienten 'Ruhestand' gehen, einer Bahnhofsmission bzw. Obdachlosenhilfe nach Wahl weiterzugeben. Man freut sich dort gewiss! :-)

Alles Liebe,
Matthias
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caminoxyz
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Re: Schlafsack & Co.: Ausrüstung als Kleiderspende für Obdachlose

Beitrag von caminoxyz »

Ich hatte mal einen alten 60 Liter Rucksack, den hatte ich einem Obdachlosen angeboten, der gefiel ihm dann aber doch nicht (zu groß ?).
Mit der Bahnhofsmission in Bielefeld habe ich nicht so tolle Erfahrungen gemacht. Einmal habe ich gesehen, wie die Bundepolizei direkt vor dem Eingang die Ausweise von den Besuchern kontrolliert hat. Daraufhin habe ich ein Mail an die Bahnhofsmission geschrieben, dass das nicht ginge und sie sich darum kümmern müssten, dass die Bundespolizei das nicht mehr macht. Die Antwort war, das ginge nicht, da sie bei Konflikten auf die Unterstützung der Bundespolizei angewiesen seien.
Grundsätzlich, die Polizei hat jedem zu helfen, auch wenn sie vielleicht mal kritisiert worden sind. Wenn sie das nicht tut, dann handelt sie rechtswidrig. Und wenn ich Hilfsangebote anbietet, muss ich auch dafür sorgen, dass dieses ohne Schikane genutzt werden können.

Allerdings gibt es auch Kleidersammlungen von Kirchgemeinden, da können solche Sachen sehr gut abgegeben werden. Obwohl die meisten Schlafsäcke wohl zu dünn für Obdachlose sind, es sei denn es werden zwei übereinander benutzt.
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Matt Merchant
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Re: Schlafsack & Co.: Ausrüstung als Kleiderspende für Obdachlose

Beitrag von Matt Merchant »

caminoxyz hat geschrieben: 18. Jan 2022, 11:06 Ich hatte mal einen alten 60 Liter Rucksack, den hatte ich einem Obdachlosen angeboten, der gefiel ihm dann aber doch nicht (zu groß ?).
Mit der Bahnhofsmission in Bielefeld habe ich nicht so tolle Erfahrungen gemacht. [...]
Danke Dir für Deinen Erfahrungsbericht;
ja, manche Obdachlose haben sehr spezielle Ansprüche an die Ausrüstung, da sie ihr Leben nach sehr individualistischen Regeln gestalten. Das darf man wohl aber nicht persönlich nehmen; jemand anderem wird Dein Rucksack sicher gefallen haben... :-)

...Die Bahnhofsmissionen wiederum sind meist jeweils so gut wie die Ehrenamtlichen, die sie im Alltag hauptsächlich tragen und gestalten - da gibt es Licht und Schatten. Mit persönlich bleibt diese Institution sehr sympathisch, da sie maximal niedrigschwellig christliche Werte vertritt, ohne aber 'kreuzschwingenderweise' aggressives Missionieren zu betreiben.
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tsetse
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Re: Schlafsack & Co.: Ausrüstung als Kleiderspende für Obdachlose

Beitrag von tsetse »

Sehr gute Anregung, Matt!

Ich habe mit der Bahnhofsmission in München die besten Erfahrungen gemacht.

Mein Onkel starb vor 2 Jahren; sein Kleiderschrank war voll von noch originalverpackter Feinripp-Unterwäsche. Sie war zu gut zum Wegschmeißen, aber keiner wollte sie haben…

Ich hab dann meinen Rucksack mit der Unterwäsche vollgepackt, um sie bei der Bahnhofsmission abzugeben. Dort wollte man die Sachen erst nicht annehmen, da die Spenden normalerweise über andere Kanäle zu ihnen kommen und es nur eine kleine Lagerfläche gibt. Als der Mitarbeiter dann aber die vielen Unterhosen gesehen hat, hatte er echt Tränen der Freude in den Augen! Denn wenn ein Obdachloser zum Duschen kommt, wird seine „normale“ Kleidung manchmal gewaschen, die Unterwäsche wird aber immer weggeworfen und ist daher Mangelware.
Ich habe dann nochmal zwei Rucksäcke voll zur Bahnhofsmission gebracht und durfte die gleiche ehrliche Freude bei zwei weiteren Mitarbeitern erleben. Das war win-win auf allen Seiten 😊
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Leonard Cohen
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Frau Holle
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Re: Schlafsack & Co.: Ausrüstung als Kleiderspende für Obdachlose

Beitrag von Frau Holle »

Im ersten Leben habe ich in der Wohnungslosenhilfe gearbeitet, nachdem ich in der Schulzeit schon in den Bereich hineinschnuppern durfte und habe etwas Wichtiges gelernt:

Nur weil man obdachlos ist bedeutet das nicht, dass man sich über alles freuen, alles schön oder alles lecker finden muss.
Jeder Mensch hat das Recht zu sagen, dass er etwas nicht annehmen (oder schön/ passend finden) möchte. Das gilt auch für Kleidung. Es kann draußen noch so kalt sein: Wenn die wärmste Jacke zum Schreien hässlich ist dann greifen die meisten zur dünneren Jacke, die ihnen gefällt. Das würde ich vermutlich sogar genauso machen.

Ich glaube, dass die Helfenden sich manchmal abgewiesen fühlen und enttäuscht werden, weil sie von der Zurückweisung überrascht werden.

Da macht man sich auf den Weg, stolz, dass man heute etwas Gutes tut und einem armen Menschen etwas von sich schenkt. Unterbewusst gehen die Meisten davon aus, dass ihre Gaben freudestrahlend angenommen werden und der Obdachlose nachts im neuen Schlafsack auf der Straße liegt und nochmal liebe Grüße an die Spender sendet.

Die Realität sieht anders aus, das haben meine Freundin und ich auch festgestellt als wir mit Essen, heißen Getränken und einem haufen warmen Sachen im Winter regelmäßig mit einem Bollerwagen über die Reeperbahn und die Hamburger Innenstadt gezogen sind und unsere Sachen verschenken wollten und wir uns plötzlich damit konfrontiert sahen Ladenhüter an Bord zu haben.

Aber alle Rucksäcke, Schlafsäcke und Jacken werden ihren Weg zu einem glücklichen Menschen schaffen und es ist meiner Ansicht nach der elegantere Weg es über eine Sammelstelle zu initiieren, denn so fühlen sich die Adressat:innen nicht in der Pflicht etwas anzunehmen was sie nicht wollen und es wird ihnen nicht die Wahl genommen. Die Selbstbestimmung bleibt erhalten- und ich weiß gar nicht warum ich das jetzt so ausführlich geschrieben habe. Ich wollte damit nur sagen:

JEDE Spende ist gut, gehet hin und gebet ab.
Und seid nicht traurig wenn in direktem Kontakt der Dank ausbleibt oder kleiner ausfällt als erhofft.

Ich habe heute übrigens auch auf dem Plan auszusortieren und mich einiger Dinge zu entledigen. Ich fahre in einer Woche in eine Kleiderkammer in Hamburg, um Spenden für meine Arbeit abzuholen und werde dann meine Sachen abgeben 😊
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tsetse
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Re: Schlafsack & Co.: Ausrüstung als Kleiderspende für Obdachlose

Beitrag von tsetse »

Frau Holle hat geschrieben: 6. Feb 2022, 11:15
Nur weil man obdachlos ist bedeutet das nicht, dass man sich über alles freuen, alles schön oder alles lecker finden muss.
Jeder Mensch hat das Recht zu sagen, dass er etwas nicht annehmen (oder schön/ passend finden) möchte. ...
Danke für diesen Denkanstoß!

Beim Lesen dachte ich zuerst "Ist doch selbstverständlich", merkte dann aber, dass es für mich leider doch nicht ganz so selbstverständlich ist.
Ich werde mein Haltung dazu überdenken.
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Re: Schlafsack & Co.: Ausrüstung als Kleiderspende für Obdachlose

Beitrag von Pilgerfan »

tsetse hat geschrieben: 6. Feb 2022, 12:09
Frau Holle hat geschrieben: 6. Feb 2022, 11:15
Nur weil man obdachlos ist bedeutet das nicht, dass man sich über alles freuen, alles schön oder alles lecker finden muss.
Jeder Mensch hat das Recht zu sagen, dass er etwas nicht annehmen (oder schön/ passend finden) möchte. ...
Danke für diesen Denkanstoß!

Beim Lesen dachte ich zuerst "Ist doch selbstverständlich", merkte dann aber, dass es für mich leider doch nicht ganz so selbstverständlich ist.
Ich werde mein Haltung dazu überdenken.
Das habe ich dann auch gelernt, vor allem sollte mensch die Hilfe nicht aufdrängen (immer refelektieren ob es jetzt wirkliche Hilfe oder nur das eigene Helfersyndrom ist)
Ich hatte zum Campen Wärmepflaster mit, die mich gut durch eine kalte Nacht gebracht haben, jetzt weiss ich nicht ob ich die restlichen einem Obdachlosen schenken sollte oder nicht...
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