Jürg Meyer zur Capellen: Raffael. München: C.H. Beck 2010, 128 S., 49 Abb, davon 12 in Farbe (bsr 2510)

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Christoph Kühn
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Jürg Meyer zur Capellen: Raffael. München: C.H. Beck 2010, 128 S., 49 Abb, davon 12 in Farbe (bsr 2510)

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Jürg Meyer zur Capellen: Raffael. München: C.H. Beck 2010, 128 S., 49 Abb, davon 12 in Farbe (bsr 2510), ISBN 978-3-406-60091-3, EUR 8,95

Raffael war gerade 37 Jahre alt geworden, als er am 6. April 1520 in Rom nach heftigem Fieber starb. Eine Infektionskrankheit hatte ihn befallen; sein plötzlicher Tod erinnert uns heute daran, dass Viren und Bakterien zum Alltag der Menschen gehören. Umso mehr mutet es wie eine Ironie der Geschichte an, dass die römische Jubiläums-Ausstellung zum 500. Todestag in der Scuderie del Quirinale nur zwei Tage nach ihrer festlichen Eröffnung wegen der Covid-19-Pandemie geschlossen werden musste. Auch die Ausstellungen von Raffaels Madonnen in der Gemäldegalerie Berlin und den Tapisserien in der Dresdner Gemäldegalerie Alter Meister wurden unterbrochen oder gar vorzeitig beendet. Ob die geplante Raffael-Schau der Hamburger Kunsthalle noch stattfinden kann, steht – zumindest zum Zeitpunkt der Abfassung dieser Rezension – in den Sternen.

Als Ersatz bleiben uns die Monographien. Schnell und gründlich informiert ein schmales, bereits vor zehn Jahren in der Beck´schen Reihe veröffentlichtes Bändchen von Jürg Meyer zur Capellen. Der Autor lehrte in Münster Kunstgeschichte und leitete über zwei Jahrzehnte das „Raffael-Projekt“, das sich einer grundlegenden Erforschung von Raffaels Arbeiten widmete. Meyer zur Capellen gelingt es auf engem Raum, das malerische Schaffen Raffaels prägnant vorzustellen. Er steuert Überlegungen zu der unter Kunsthistorikern umstrittenen Chronologie der Wandgemälde in der Stanza della Segnatura des Apostolischen Palastes bei (S. 46-51, Abb. auch S. 56), benennt die Epiphanie Christi als eigentliches Thema der „Sixtinischen Madonna“ in der Dresdner Gemäldegalerie (S. 64, Abb. S. 65) und stellt dar, wie Raffael ab 1517 in den Sog verhängnisvoller politisch-dynastischer Ambitionen des Medici-Papstes Leo X. geriet, wodurch die Qualität seiner Malerei nachgelassen hat. Den 1518 unter Zeitdruck gemalten „Erzengel Michael“ im Louvre – ein Geschenk von Leo X. an König Franz I. – hat man daher lange Zeit seinem Schüler Giulio Romano zugeschrieben; nun kann er wieder als eigenhändige Arbeit Raffaels gelten (S. 100-102, Abb. S. 103).

Sein Büchlein hat Jürg Meyer zur Capellen als Quintessenz seiner drei im Rahmen des „Raffael-Projekts“ publizierten Corpus-Bände konzipiert und auf das malerische Schaffen des Künstlers beschränkt. Mehr wäre im Rahmen der Taschenbuchreihe nicht möglich gewesen, aber zu Recht verweist der Autor noch kurz auf das baukünstlerische Schaffen, das in einem umfangreichen Konvolut von Architekturzeichnungen fassbar wird (S. 115). Ein abgewogenes Kapitel zur Persönlichkeit Raffaels, den die Duchessa Giovanna da Montefeltro als einen „rücksichtsvollen und liebenswürdigen Jüngling“ (S. 117) überliefert hat, beschließt das überaus empfehlenswerte Büchlein.
"70 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkriegs sind in Europa wieder Städte von der Auslöschung bedroht."

Karl Schlögel, 2015
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